Leonardo gewinnt .NET Solutions Award

02.12.2004
Von Von Wolfgang
Die Bandbreite der konkurrierenden Softwarelösungen reichte von der Apparatesteuerung über ERP-Systeme bis zu einem Bankenprojekt.

Wie bei jeder neu eingeführten Softwareplattform stellen sich auch in Bezug auf Microsofts .NET Fragen nach der technischen Reife und dem möglichen Einsatzspektrum. Denn sowohl für Software- und Lösungsanbieter (ISVs = Independent Software Vendors) wie auch für deren Kunden, die mit .NET liebäugeln, steht beim Wechsel viel auf dem Spiel: Treten beispielsweise Probleme in Projekten auf, fehlen nicht selten Alltagserfahrungen. Zudem müssen Entwickler, Softwarearchitekten und -designer oft erst das entsprechende Know-how aufbauen, um das volle Potenzial der Technik auszuschöpfen.

Dass sich die deutsche IT-Industrie für .NET interessiert, sollte der von Microsoft ausgeschriebene .NET Solutions Award 2004 zeigen. Die Jury hatte keine leichte Aufgabe, aus den 140 Bewerbern die Sieger aus den zwölf Kategorien auszuwählen.

Zu den besten Projekten gehört "Leonardo", das vom Software- und Beratungsunternehmen sd&m AG in der Kategorie "Finance und Banking" eingereicht wurde. Es handelt sich dabei um eine Lösung für die Immobilienfonds-Verwaltung bei der Real I.S. AG. Besonders gefiel den Jurymitgliedern, dass es sich bei Leonardo um ein klassisches Individualsoftwareprojekt handelte, das sich von der Backend-Datenbank über einen Applikations-Server bis hin zu vielfältigen Client-Komponenten für PCs und PDAs erstreckte.

Ziel war es, die bisherige Datenbankanwendung für die Verwaltung von Immobilien-akquise, Kunden, Partnern sowie Fonds zu ersetzen und ein integriertes System zu schaffen, das den rund 100 Mitarbeitern ei-nen umfassenden Zugriff auf Daten im Unternehmen ermöglicht.

Zu den Besonderheiten des komplett in der .NET-Programmiersprache C# umgesetzten Projekts zählt zum einen die Trennung von fachlicher und technischer Ebene. Dadurch sollten die Wartungs- und Erweiterungsprobleme der alten Software von vornherein ausgeschlossen sein. Zu diesem Zweck entschied man sich für eine Mehrschichtenarchitektur, bei der die Schichten Benutzerschnittstelle, Anwendungskern und Datenzugriff klar getrennt sind. Auf der obersten Ebene stehen den Benutzern mehrere Zugriffsvarianten auf Leonardo zur Verfügung. Den kleinsten gemeinsamen Nenner bildet ein Web-Interface für den Browser, daneben legte man aber auch Wert auf eine Rich-Client-Unterstützung, um eine einfachere Bedienung sowie On- und Offline-Arbeitsmöglichkeiten zu offerieren.

Browser und Rich-Client

Das Backend besteht aus zwei Instanzen. Browser-Benutzer werden über HTTP auf den Web-Server und die dortigen ASP.NET-Anwendungen gelenkt. Rich Clients greifen über das für verteilte .NET-Objekte geschaffene Übertragungsprotokoll .NET-Remoting auf Windows-Anwendungs-Server zu. Web- und Anwendungs-Server tauschen sich über Web-Services aus, die Verbindung zur gemeinsamen Datenbank erfolgt von beiden Instanzen aus über die Datenbankschnittstelle ADO.NET.

Ein weiteres Siegerprojekt hat die Carl Zeiss AG, Göttingen, in Zusammenarbeit mit der Fürther Sohard AG vorgestellt. Es ging dabei um die Entwicklung einer neuen Hochleistungsmikroskope-Generation der "Axio Imager". Zu den vorrangigen Entwicklungszielen zählten eine einfache Bedienung des Geräts, eine interne Apparatesteuerung mit allgemein zugänglichen Hardware-Abstraktionsschnittstellen sowie die problemlose Anbindung externer Windows-Anwendungen über ein Netzwerk. Von einer durchgängig auf .NET basierenden Lösung versprachen sich die Projektverantwortlichen eine einfachere Entwicklung.

Im ersten Bereich der Lösung auf der elektromechanischen Steuerungsebene innerhalb des Mikroskops kam ein Windows-CE-Embedded-System auf Basis des .NET Compact Frameworks zum Einsatz. Entscheidend war hier die Bereitstellung von Zugriffsschnittstellen aller Mikroskop-internen Funktionen für externe PCs. Der zweite Teil der Lösung ist eine GUI-Software auf CE-Basis, die dem Benutzer am Gerät die Bedienung und Konfiguration über einen berührungsempfindlichen TFT-Bildschirm ermöglicht.

Schließlich zeichnete die Sohard AG noch für den dritten Block im Projekt, die Server-Schnittstelle "Micro Toolbox 2004" (MTB), verantwortlich. Der MTB-Server bildet für PC-Clients und Anwendungen via .NET Remoting die Brücke zum Mikroskop.

Mietartikel verwalten

Zu den Gewinnern des .NET Award zählt auch "Easyjob 3.0" von der Hanauer Unlimited IT GmbH. Dabei handelt es sich um eine ERP-Branchenlösung für Event-Veranstalter und Medienunternehmen. Zu den Kernfunktionen von Easyjob 3.0 zählen die Projektplanung von Veranstaltungen in Verbindung mit einer aufwändigen Personal-, Material- und Fahrzeugdisposition. Wichtig ist dabei vor allem die Verwaltung von Vermietartikeln: Bisher gab es kaum Möglichkeiten, vermietetes Equipment lückenlos zu erfassen. Easyjob bietet nun eine Gesamtsicht auf Projektverlauf und Gerätschaft.

Die Anwender arbeiten dabei am PC oder Laptop, für den mobilen Einsatz wurde ein Softwarependant auf Pocket-PC-Basis entwickelt. Mit Hilfe eines Barcodescanners lassen sich unterwegs alle Objekte bei der Ausgabe und Rücknahme erfassen sowie defekte Geräte in die Wartung umbuchen. Das System verfügt somit zu jedem Zeitpunkt über eine aktuelle Bestandsliste. Beim Tippen eines Kundennamens in Word beispielsweise erscheint ein Smarttag-Icon, das per Klick auf die rechte Maustaste Zugriff auf Kundennummer, betreffendes Projekt sowie die vermieteten Artikel ermöglicht.

.NET versus J2EE

Im Rückblick auf den Award zieht Hochschul-Informatiker Florian Matthes noch einmal einen Vergleich mit der Java 2 Enterprise Edition (J2EE), um das Charakteristische an .NET als Plattform für Geschäftsanwendungen zu unterstreichen: "Wer sich für .NET entscheidet, legt sich auf eine Plattform fest, während J2EE offener ist." Dem Offenhalten von Optionen steht seiner Meinung nach jedoch ein Produktivitätsgewinn gegenüber, da .NET die Bandbreite großer und kleiner IT-Systeme abdeckt, "und zwar bei Entwicklung, Anwendung und Management für Backend, Clients und Embedded-Systeme". (ue)