"Leistung allein bringt Sie nicht voran"

29.05.2009
In Krisenzeiten versinken viele in Schockstarre, anstatt etwas für ihre Karriere zu tun. Martin Wehrle erklärt, welche Strategien weiterhelfen.

CW: In Ihrem neuen Buch "Lexikon der Karriereirrtümer" stimmen Sie nicht in den momentanen Katzenjammer ein. Wie verändern sich in Krisenzeiten die Karrierechancen?

WEHRLE: Es ist wichtig zu wissen, dass es nur zu einem geringen Teil von der erbrachten Leistung abhängt, ob jemand befördert oder entlassen wird. Studien zeigen, dass eine Beförderung nur zu zehn Prozent mit der Leistung einer Person zu tun hat. Wesentlich wichtiger ist PR in eigener Sache, also über seine Erfolge zu sprechen und Networking innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu betreiben. Viele halten das für überflüssig, doch gerade darin liegt eine wichtige Chance.

CW: Es ist immer wieder zu hören, dass viele IT-Mitarbeiter ihr Selbst-Marketing vernachlässigen. Was empfehlen Sie?

WEHRLE: Wer in seiner Arbeit und über seine erbrachte Leistung ein hohes Maß an Erfüllung erfährt, wie das häufig bei IT-Spezialisten und auch Ingenieuren der Fall ist, spricht nicht so gerne darüber. Die wenigsten möchten sich bei ihrem Chef anbiedern. Doch für die Karriere im Unternehmen ist es unumgänglich, über eigene Erfolge mit dem Vorgesetzten zu sprechen.

CW: Wie kann denn ein schüchterner Mensch lernen, über die eigene Arbeit zu reden, ohne dass es komisch oder antrainiert wirkt?

WEHRLE: Meistens sprechen Mitarbeiter einmal pro Woche mit ihrem direkten Vorgesetzten. Diese Gespräche sollten sie nutzen, beispielsweise um im Report zum Projektstand eigene Erfolge hervorzuheben. Selbst wenn es Probleme im Projekt gibt, halte ich es für wichtig, den eigenen Beitrag zum Gelingen ins rechte Licht zu setzen. Außerdem ist es wichtig, in Meetings das Wort zu ergreifen. Wer bloß schüchtern dabeisitzt, nur antwortet, wenn er gefragt wird, und sich nicht aktiv an der Diskussion beteiligt, wird leicht übersehen. In wichtigen E-Mail-Korrespondenzen sollte der Chef auf Kopie gesetzt werden.

CW: Manche hoffen sicher, dass ihre Leistungen schon erkannt und gelobt werden. Zählt denn das Lob aus den eigenen Reihen?

WEHRLE: Führungskräfte beeindruckt oft die Anerkennung von außerhalb mehr als innerhalb des Hauses. Wenn ein Mitarbeiter von einem Kunden für die gute Arbeit gelobt wird, kann man in diesem Gespräch beispielsweise ganz nebenbei einfließen lassen: "Das dürfte mein Chef sicher auch gerne hören." Wenn der zufriedene Auftraggeber seinen Dank in einer E-Mail ausdrückt, sollte diese auf jeden Fall auch der Vorgesetzte erhalten. Sich außerhalb des Unternehmens Verbündete suchen hilft einem oft innerhalb der eigenen Firma, es stärkt das eigene Netzwerk, und ein weiterer Nebeneffekt ist, dass man schneller erfährt, wann und wo eine interessante Karriereperspektive lockt.

CW: Gerade in der IT-Branche klagen viele über hohe Arbeitsbelastung. Wie lässt sich die Balance zwischen berechtigter Kritik und Selbst-Marketing bewerkstelligen?

WEHRLE: Wenn mehrere Projekte anstehen und immer neue hinzukommen, ist es wichtig, Prioritäten zu setzen und diese mit dem Vorgesetzten abzusprechen. Mitarbeiter sollten klar und sachlich aufzeigen, welche Konsequenzen es beispielsweise für den Zeitplan und die Qualität haben wird, wenn ein neuer Auftrag vorgezogen werden muss. Mit klaren Absprachen delegiert man die Verantwortung zurück an den Chef.

CW: Doch hier kann es gefährlich werden: Wie treffen angeschlagene Mitarbeiter den richtigen Ton?

WEHRLE: Konflikte sollten immer im persönlichen Gespräch geklärt werden. Hier kommt es auf viele nonverbale Hinweise wie Tonfall oder Mimik an. E-Mails sind eine einseitige Kommunikation, die sich für den Austausch von Fakten eignet, keinesfalls für Auseinandersetzungen.

CW: Viele IT-Mitarbeiter fühlen sich vom wachsenden Arbeitspensum überfordert. Was raten Sie?

WEHRLE: Im Begriff "Überforderung" steckt das Wort "fordern". Es liegt an mir, ob ich mich auf ständig steigende "Forderungen" einlasse oder nicht. Auch hier hilft eine klare Kommunikationsstrategie, um Frustrationen zu vermeiden.

CW: Die IT-Branche pflegt ihr jugendliches Image. Wer sich mit 45 Jahren um einen neuen Job bewirbt, kommt häufig in Erklärungsnot. Lässt sich mit dem eigenen Alter auch geschickt argumentieren?

WEHRLE: Aus meiner Sicht ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass es weniger um das Alter als um das Gehalt geht. Wer mit Mitte 40 den Job wechselt, verspricht sich eine finanzielle Verbesserung davon. Doch wenn Arbeitgeber ein höheres Gehalt zahlen sollen, erwarten sie auch zusätzliche Leistungen des neuen Mitarbeiters. Aus den Bewerbungsunterlagen und dem Vorstellungsgespräch muss klar hervorgehen, weshalb die eigene Person ein Gewinn für das Unternehmen wäre. Gerade hier vernachlässigen viele Bewerber in ihrer Argumentation den Mehrwert, den sie der Firma bieten. Wer sich als Problemlöser präsentiert und das mit Beispielen aus seiner Vergangenheit belegen kann, hat gute Chancen. Die Vorteile gegenüber einem jüngeren Bewerber müssen klar erkennbar sein.

CW: Von Loyalität in der Arbeitswelt scheinen Sie nicht so viel zu halten. Zumindest kommt sie in Ihrem Buch (siehe Kasten "Karrieretipps in kleinen Häppchen") nicht gut weg. Dabei beschwören Firmen Loyalität immer als wichtigen Wert. Weshalb sind Sie skeptisch?

WEHRLE: Würden sich Arbeitgeber ihren Mitarbeitern gegenüber loyal verhalten, dürften sie niemals von anderen Firmen gute Leute abwerben und könnten es moralisch nicht vertreten, ihre treuen Arbeitskräfte zu entlassen. Beides passiert. Niemand sollte in die Falle tappen und Loyalität von seiner Firma erwarten, es gibt sie nicht. Gleichzeitig sollte jeder seine eigenen Ziele nicht aus den Augen verlieren. Wenn Mitarbeiter stoisch zu ihrem strauchelnden Chef halten, dann riskieren sie, mit ihm entlassen zu werden. Andere halten ewig an einer Firma fest, die immer mehr in Schieflage gerät. Damit verspielen sie ihre Karrierechancen. Ich empfehle, sich eigene Karriereziele zu setzen und diese zu verwirklichen.

CW: In Mitarbeitergesprächen legen Arbeitnehmer und Vorgesetzte gemeinsam Ziele fest. Diese Gespräche können anstrengend werden. Gibt es Tipps?

WEHRLE: Versuchen Sie, Ihren Vorgesetzten aus seiner vertrauten Umgebung zu locken. Denn wenn Sie in sein Büro gebeten werden, haben Sie eine schlechtere Ausgangsposition. Dort herrscht Heimrecht, alle Insignien der Macht sind dort. Gelingt es, den Löwen aus seinem Revier zu locken, ergibt sich eine Chance, das Gespräch stärker zu beeinflussen. Sie können es mit dem Hinweis versuchen, dass es etwas Besonderes ist und Sie sich ungestört unterhalten möchten.

CW: In der momentanen Situation sind Themen wie eine Gehaltserhöhung sicher tabu, selbst wenn die eigene Leistung überdurchschnittlich war?

WEHRLE: Das Gehalt drückt immer die Höhe der Wertschätzung aus, und ein hoher Verdienst sichert einen ab. Wichtig für die Verhandlungen ist es, dass die meisten Firmen, bei denen es gut lief, im vergangenen Jahr Rückstellungen für Gehaltserhöhungen in ihrer Bilanz haben. Diese Etats wollen sie auch verteilen.

CW: Welche Argumente gibt es?

WEHRLE: Wer sich als Problemlöser präsentiert, hat die besseren Karten. Das gilt etwa, wenn IT-Mitarbeiter Ideen für neue Aufträge, zusätzliche Produkte oder Sparvorschläge einbringen. Ihre Kompetenz hilft ihnen hier weiter, denn für gute Ideen kann ein Mitarbeiter leichter eine Beteiligung fordern. Selbst wenn die Entscheidungsspielräume eng sind, wäre für viele eine einmalige Prämie ein Anreiz. Momentan reden die wenigsten Personalverantwortlichen gerne über eine Anhebung des Grundgehalts. Dagegen gewähren einige leichter eine Einmalzahlung. Wenn schriftlich festgelegt wird, dass man sich im nächsten Jahr noch einmal über eine Fortführung unterhält, ist in schwierigen Zeiten einiges gewonnen. (hk)

Karrieretipps in kleinen Häppchen

...Von A wie Abfindung bis Z wie Zusage erläutert Karriereberater Martin Wehrle kurz und prägnant, welche Stolpersteine das Aus einer beruflichen Laufbahn bedeuten können und mit welchen einfachen Mitteln Angestellte auch in schwierigen Situationen punkten können. Der Leser erhält viele Tipps, die Lektüre eröffnet neue Blickwinkel oder sogar ein kleines Aha-Erlebnis. Schade nur, dass die Hinweise manchmal allzu kurz geraten sind und zitierte Studien meistens nur knapp erläutert werden.

Martin Wehrle:

Lexikon der Karriereirrtümer. Worauf es im Job wirklich ankommt. Econ Verlag, Berlin 2009, 272 Seiten, 16,90 Euro.