Leipzigs Fruehjahrsschau leidet unter Besucherschwund

06.05.1994

Mit drei Fachveranstaltungen und einem Ratgeberforum praesentierte sich dieses Jahr die Leipziger Fruehjahrsmesse - eine eher ruhige, wenn auch mit breitem Rahmenprogramm organisierte Veranstaltung ohne den gewohnten Messetrubel frueherer Zeiten. Doch die Leipziger sind optimistisch und feilen weiter am Konzept der Messe, die sie als Dreh- und Angelpunkt fuer den Osthandel sehen.

Seit der Wende sucht die Stadt Leipzig nach der richtigen Rezeptur, um die aelteste Messe der Welt wieder mit Leben zu erfuellen. Seine Hoffnungen setzt der Veranstalter, die Leipziger Messe AG, nun auf den Neubau im Norden der Region. Ende naechsten Jahres sollen die Glaspalaeste des hochmodernen Messeplatzes fertig sein.

Doch bevor es ans Umziehen geht, muss die 1920 bebaute und laut Leipziger Messe AG "marode und unoekonomische" Wiese unter dem Voelkerschlachtdenkmal noch herhalten. Schliesslich will man das traditionelle Messegeschehen - im Jahre 1895 gab es die erste Mustermesse - nicht einschlafen lassen. Keine leichte Aufgabe fuer die Organisatoren.

Das Zugpferd Leipziger Fruehjahrsmesse - frueher die Universalmesse schlechthin mit riesigem DV-Angebot - kommt seit vier Jahren nur langsam in Trab. Fuer professionelle Hard- und Software-Anbieter ist dieser Markt ohnehin gestorben. Ausser zur CeBIT treffen sich vor allem die ostdeutschen Hersteller auf regionalen Veranstaltungen. Fuer sie wird die Messemutter erst wieder im September interessant, wenn die BIK ihre Tore oeffnet. Allerdings hielt sich dieses DV-Treffen bisher in bescheidenen Grenzen (siehe CW Nr. 40 vom 1. Oktober 1993, Seite 105).

In diesem Maerz praesentierten sich rund 1800 Aussteller aus 27 Laendern auf der Umweltmesse Terratec, dem Innovationsforum, der Verpackungsmesse sowie dem Ratgeber fuer die Marktwirtschaft, der Dialog 94. Raus aus dem Geschehen ist die Industriemesse Unitec. Ihr duerfte demnaechst die Dialog folgen. Das Forum fuer die Beratung der ostdeutschen Existenzgruender habe nun bald seine Aufgaben erfuellt, heisst es. Eine entscheidene Rolle wird in den naechsten Jahren wohl die Terratec spielen, denn in die Bewaeltigung des Altlastenproblems der neuen Laender sollen kuenftig Milliarden Mark investiert werden.

Rund 870 Anbieter aus 21 Laendern zeigten in diesem Jahr ihre "umweltfreundlichen Loesungen" fuer die verschiedenen Branchen wie Abfall- und Abwasserbehandlung, Klimaschutz sowie Energienutzung. Dass es auch hier nicht ohne DV-Unterstuetzung geht, zeigte unter anderem die Schweitzer Software GmbH aus Saarbruecken. Das vorgestellte PC-Informationssystem "Imka" speichert nicht nur alle Informationen der Kanalisation einer Stadt oder Gemeinde. Durch die Kopplung einer Datenbank mit einem CAD-System soll die Verwaltung und Kontrolle der unterirdischen Abwassergaenge vereinfacht werden.

Wie die zentrale Wasserversorgung ueber der Erde ueberwacht wird, organisiert das Leitsystem der ATR Industrie-Elektronik GmbH & Co. KG Halle. Die aus verschiedenen Modulen bestehende PC-Loesung ermoeglicht die Nutzung von Standardsoftware sowie eigener Applikationen fuer die Einzelplatzsysteme der Bedienerstaende in den Wasserwerken bis hin zum vernetzten Mehrplatzsystem fuer die zentralen Leitwarten.

Wenn auch die Aussteller in Leipzig ueber "zuwenig Trubel" klagten, vergessen wurde der ostdeutsche Messefruehling von den bundesdeutschen Politikern keinesfalls. Ausser dem ehemaligen Aussenminister Hans-Dietrich Genscher, der die Schau eroeffnete, kam auch Umweltminister Klaus Toepfer ins saechsische Land. Als Schirmherr der gleichzeitig stattfindenden Umweltkonferenz lobte er Leipzig als eine "Drehscheibe fuer die Umwelttechnik zwischen Ost und West", der es gelungen sei, eine Marktluecke zu schliessen. Schliesslich sei Deutschland "als Grenznachbar und Ostseeanrainer gefordert" und habe gemeinsam mit seinen Partnern die Umweltprobleme zu loesen.

Neben dem Messerenner Umwelt scheint sich das Innovationsforum als Fachveranstaltung in Leipzig zu etablieren. Etwa 430 deutsche sowie 110 mittel- und osteuropaeische Aussteller hatten dazu ihre Staende aufgebaut.

Mit einer "Revolution fuer Konstrukteure" war die Chemnitzer Werkstatt fuer Design & Informatik angetreten. Das CAD-Tool "Remarc" - auf Workstations und PCs unter Unix, Open VMS sowie Windows einsetzbar - unterscheide sich von anderen CAD-Systemen dadurch, erklaerte Alexander Hoffmann, Geschaeftsfuehrer des Unternehmens, dass es die Konstruktionsdaten fuer Bauteile nicht nur als Zeichnung oder in geometrischer Form ablege.

Mit der Speicherung aller relevanten Informationen in technische Modelle (Elementenbibliothek) habe man automatisch einen direkten Bezug zu den Entwuerfen waehrend des gesamten Entwicklungsprozesses. Durch die Arbeit mit dem "technischen Element" verringere sich der Bedienaufwand fuer CAD-Systeme um bis zu fuenfzig Prozent, meint der Chemnitzer Softwareanbieter.

Die Leipziger Fruehjahrsmesse als Bruecke fuer Technologietransfer und Zuliefermarkt soll auch im naechsten Jahr wieder "Kontakte und Verbindungen" zwischen Wissenschaft und Industrie "ueber Grenzen hinaus" ermoeglichen, hoffen die Initiatoren. Wenn auch das Rahmenprogramm dieses Jahr mit seinen mehr als 150 Kongressen und Symposien bei etwa 5800 Teilnehmern Interesse gefunden haben soll, die Messe selber musste sich mit 31000 Besuchern (im Vorjahr waren es 46000) zufriedengeben. Dennoch klingt die Messe AG optimistisch. Immerhin seien 90 Prozent der Gaeste Fachpublikum gewesen.