Freie Universität Berlin installiert drei Minis von Harris:

Lehrstücke am Minicomputer für Studenten

25.04.1980

Die meisten Computer im Universitätsbereich - insbesondere die zentralen Großrechenanlagen - können inzwischen ihr "zehnjähriges Jubiläum" feiern. Der Bedarf nach technologisch neuer Ausstattung ist evident. Gleichzeitig verstärken sich bei den Universitäten und Technischen Hochschulen wie in der Industrie die Bestrebungen, zusätzliche "Intelligenz vor Ort" in Fachbereichen und in Instituten zu schaffen. Dies geschieht nicht zuletzt, um wissenschaftliche Auswertungen individueller und schneller zu erhalten und die Studenten den Umgang mit der EDV zu lehren.

Dabei spielen Minicomputer eine entscheidende Rolle. In dedizierten Anwendungen, wie in der Chemie zur Labordatenauswertung sind sie seit langem erfolgreich eingesetzt. Als Prozeßrechner haben sie sich als zuverlässig, flexibel und leistungsstark erwiesen.

In diesem Trend liegt die Entscheidung der FU Berlin, für die Fachbereiche Wirtschaftswissenschaften (FB 10), Mathematik (FB 19) und Chemie (FB 21) insgesamt drei Minicomputer von Harris zu bestellen. Die Systeme für die Fachbereiche Wirtschaftswissenschaften und Mathematik sind installiert und abgenommen. Die Computer-Anlage für den Fachbereich Chemie, die in diesen Tagen installiert wurde, befindet sich noch in der Testphase.

Das Institut für angewandte Statistik, IFAS (federführend für die Nutzung des Harris-Computers beim Fachbereich Wirtschaftswissenschaften), der FU betreibt seit einigen Monaten seinen Minicomputer S 125 (24-Bit-Worte) in folgender Konfiguration: 144 KW Hauptspeicher, einen 80 MB Magnetplattenspeicher, ein Magnetbandgerät 800 bpi, elf asynchrone Datensichtgeräte, einen Zeilendrucker mit 600 Zeilen/Min. bei 64 Zeichen/Datensatz (bei Groß- und Kleinschreibung beträgt der Zeichenvorrat 96 Zeichen, Geschwindigkeit 436 Zeilen/ Min.) und einen Kartenleser. Angeschlossen sind ferner ein Plotter und ein Grafikterminal sowie DFÜ-Steuereinheiten für die synchrone Online-Kommunikation mit den Großrechnern Cyber I72 (Protokoll UT 200) und Siemens (Protokoll MSV 2) bei der ZEDAT, dem zentralen Rechenzentrum der FU Berlin. Die Datenübertragung zur Cyber erfolgt über eine Standleitung mit 4800 baud und zur Siemens über eine Wählleitung mit 2400 baud.

Das Minicomputersystem beim IFAS dient in erster Linie der Studentenausbildung in verschiedensten Instituten (wie quantitative Ökonomik und Statistik, Wirtschaftsinformatik, Markt- und Verbrauchsforschung) in Fortran, Cobol und Pascal. Nach Angaben von Herrn Apostolopoulos, dem für die EDV verantwortlichen wissenschaftlichen Mitarbeiter beim IFAS, kann neben Fortran Ansi 74 bereits ein lauffähiges Fortran Ansi 77 eingesetzt werden. Das virtuelle Basic wurde positiv beurteilt, während Pascal als noch nicht standardisiert gewisse Probleme mit sich bringt. RPG II, obgleich vom Hersteller angeboten, findet bisher keine Verwendung. Mit APL wird der Lehrbetrieb jetzt aufgenommen.

IFAS entwickelt Computerprogramme für andere Universitätsbereiche. Damit einhergehend wurden Erfahrungen mit der interaktiven Programmierung am Bildschirm gesammelt. Neben der erheblichen eigenen Verarbeitungskapazität für diese Aufgaben können größere Programme im direkten Zugriff auf den CDC- oder Siemens-Großrechner getestet werden.

Die Entscheidungskriterien für den Minicomputer waren neben dem Preis-/ Leistungsverhältnis vor allem anwendungsbezogen: Dazu gehören die Möglichkeiten des Datensichtgerätes, wie Refreshing-Bildschirm, Screen Editor, Groß- und Kleinschreibung, aber auch die Vielfalt der Sprachprozessoren und ein Betriebssystem, das Multi-Batch-Verarbeitung, interaktives Timesharing und Realtime-Verarbeitung ermöglicht.

Harris erhielt den Auftrag, so Apostolopoulos, auch wegen dem "Multiple-Remote-Job-Entry": Unabhängig voneinander kann jedes Bildschirmterminal am Rechner RJE-Aufträge absetzen.

Die Entscheidung der FU Berlin wurde wenig später von einer Untersuchung der Universität Erlangen-Nürnberg (unter Leitung von Herrn Professor Dr. Mertens) über Minicomputer unterstrichen. Hier schnitt eine Harris 120 (das Vorgängermodell des hier erwähnten Systems) am besten von allen getesteten Anlagen in bezug auf das Preis-/Leistungsverhältnis ab. Hervorgehoben wurden die Systemsoftware und der Bedienungskomfort, die Antwortzeiten, das Editor-Handling und die flexible Kommandosprache. Die Batch-Verarbeitung ist bei der 120 (125) durch Zuweisung jobindividueller, nicht benutzerspezifischer Standards einfach.

Die guten Erfahrungen im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften (IFS) waren es dann auch, die die FU Berlin veranlaßte, für den Fachbereich Mathematik ein weiteres Harris-System zu kaufen und zu installieren. Dieses System hat 80 KW Hauptspeicher, einen 80 MB Plattenspeicher, acht Bildschirmgeräte und eine Operator-Konsole sowie einen 300 Zeilen-Drucker mit Groß-/Kleinschreibung, einen Lochkartenleser und ein Magnetbandgerät mit 800 bpi.

Die Anwendungsbereiche sind ähnlich wie beim IFAS: Ein Schwerpunkt liegt auf der Studentenausbildung, wobei der Minicomputer als Front-End-Rechner mit der Möglichkeit der Editingfunktion, der Dateianlage und der testweisen Verarbeitung kleinerer Programme oder als Remote-Batch-Terminalsystem zur CDC-Großanlage fungiert. Ein weiterer Online-Anschluß ist an eine Siemens-Anlage geplant, die die jetzige TR 400 in Kürze ablösen soll. Die Studentenausbildung erfolgt in Pascal, Fortran 77, Basic V und in Kürze auch in APL.

Auch die dritte Installation an der FU Berlin folgt den vorangegangenen Entscheidungen: Allerdings sind die Anwendungen des Instituts für Physikalische Chemie und Quantenchemie und, als zweitem Benutzer, des Instituts für Organische Chemie, die im Testbetrieb auf einer Harris 123 laufen, etwas anders gelagert. Hier umfaßt die Konfiguration 96 KW Hauptspeicher, zwei 40 MB Plattenspeicher, ein Magnetbandgerät 800/ 1600 bpi, vier Bildschirmterminals sowie eine Datenstation mit Bildschirm, Kartenleser und Drucker, einen 300-Zeilen-Drucker, einen weiteren Kartenleser sowie DFÜ-Einrichtungen zur Kommunikation mit den zentralen CDC- und IBM/ Intel-Großrechnern der FU. Diese Anlage dient zwar der Datenaufbereitung sowie dem Erstellen und Testen von Programmen, aber sie führt auch "Produktionsläufe" durch in weit größerem Rahmen als die beiden anderen Minicomputer. Diese Verarbeitungsprogramme beziehen sich auf quantenchemische Untersuchungen wie die Ermittlung der elektronischen Eigenschaften von Molekülen.

Angelika G. Loewenheim ist freie EDV-Fachjournalistin.