Zutatenliste per Smartphone-Scan

Lebensmittel-Online-Datenbanken: Ernährung 4.0

11.08.2016
Von  und Mike Elgan


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.
Fragen Sie sich auch des Öfteren, ob in ihren Lebensmitteln wirklich nur das enthalten ist, was auf der Zutatenliste steht? Mit dieser unangenehmen Ungewissheit könnte es dank moderner Technologien irgendwann vorbei sein.

Immer mehr Menschen interessieren sich mittlerweile dafür, was sie eigentlich (genau) essen und trinken. Die auf der Verpackung abgedruckte Zutatenliste sagt dabei allerdings nicht immer die ganze Wahrheit, sondern die, die der Hersteller passend zu seinem Produkt transportieren möchte. Und dann gibt es ja auch noch Lebensmittel, bei denen die Zutaten nicht ausgewiesen sind - etwa frisches Obst und Gemüse.

Globalisierung fördert Ernährungs-Awareness

Dass Lebensmittel-Hersteller nicht alle Zutaten auf der entsprechenden Liste vermerkt haben, hat meist einen einfachen Grund: Manche Zutaten beziehungsweise Zusätze müssen schlicht nicht ausgewiesen werden. In anderen Fällen werden bestimmte Ingredienzen schlicht durch wundersame Wortschöpfungen verschleiert - das "natürliche Aroma" ist hierfür wohl das geläufigste Beispiel. Und auch wenn Zutatenlisten von Lebensmitteln Daten zur Verfügung stellen, fällt es vielen Verbrauchern schwer, diese in einen Kontext zu setzen. Oder wissen Sie aus dem Stegreif "120 mg Natrium pro Portion" einzuordnen?

Das zunehmende öffentliche Interesse an Lebensmittel-Transparenz hat mehrere Ursachen. Nicht nur zahlreiche Skandale, sondern auch Medienberichte und Dokumentationen wie "Wine from here" sorgen für Verunsicherung bei den Verbrauchern. Letztgenannte Doku etwa klärt darüber auf, dass Wein-Produzenten ihrem Produkt völlig legal bis zu 200 spezifische Zusätze beimischen dürfen, ohne dies auf der Verpackung kenntlich machen zu müssen. Darunter befinden sich so "aparte" Substanzen wie Dimethyldicarbonat oder auch Fisch-Harnblasen. Auf dem Etikett sind dennoch Trauben als einzige Zutat vermerkt.

Ein weiteres Problem: Wie so viele Dinge, werden auch Lebensmittel-Grundzutaten beziehungsweise -Zusätze inzwischen vor allem in China hergestellt. Insofern haben insbesondere Verbraucher keinen Einblick, wie und unter welchen Bedingungen diese Stoffe genau hergestellt oder gewonnen werden. Mit Antibiotika durchsetzter Honig und gepanschter Alkohol sind dabei nur die Spitze des Eisbergs - die Lebensmittelproduktion in China ist so problembehaftet und von Skandalen gezeichnet, dass es zum Thema auch einen eigenen Wikipedia-Eintrag von epischer Länge zu lesen gibt.

QR-Code-Revival durch Lebensmittel-Datenbanken?

In Europa hat die EU bereits Ende 2011 grundlegende Regularien für die Kennzeichnung von Lebensmitteln festgelegt. In den USA haben die Forderungen von Verbraucherschützern ebenfalls Wirkung gezeigt: Ein neues Gesetz verpflichtet Nahrungsmittel-Produzenten dazu, gentechnisch veränderte Produkte als solche auszuweisen. Zwar wird das US Department of Agriculture noch die nächsten zwei Jahre mit der Ausarbeitung der Details beschäftigt sein, dennoch gilt ein Ergebnis als gesichert: Gen-Food wird in den Staaten künftig mit einem schriftlichen Hinweis, einem Symbol oder einem QR-Code versehen werden müssen. Die Wahl des Informationsmittels wird wohl den Herstellern überlassen.

Für den mittlerweile etwas in die Nische geratenen QR-Code sind das gute Nachrichten. Denn die Chancen für ein Revival im großen Stil stehen gar nicht schlecht. Mobile Apps mit QR-Code-Support könnten so neue Daseinsberechtigung erhalten. Ein technologischer Ansatz bei der Kennzeichnung von Nahrungsmitteln sieht den Aufbau massiver Wissens-Datenbanken vor. Verfolgt wird er beispielsweise durch das Sage Project, einer Initiative von Designer und Entwickler Sam Slover. Seine Idee: cloud-basierte Zutatenlisten, die über Internet oder eine mobile App abgerufen werden können. Ersteres ist bereits realisiert.

Zum Podcast-Interview mit Sam Slover

Die dafür nötigen Informationen bezieht Sage hauptsächlich von den Lebensmittel-Produzenten. Interessanterweise hätten die Hersteller anfangs nur widerwillig Informationen zur Verfügung gestellt, inzwischen aber eine Kooperation zugesagt. Das könnte daran liegen, dass der US-Lebensmittel-Industrie langsam aber sicher bewusst wird, dass die Verbraucher dazu neigen, sich die Informationen, die sie benötigen aus transparente(re)n Quellen zu beschaffen - wenn sie nicht vom Hersteller selbst zur Verfügung gestellt werden.

Sage Project forciert Nahrungsmittel-Transparenz

Die Sage-Datenbank umfasst inzwischen 20.000 Datensätze und listet sowohl Nahrungsmittelgruppen (zum Beispiel Mandarinen), als auch spezifische Markenprodukte. Wer nach einem bestimmten Lebensmittel oder Produkt sucht, erhält nicht nur Informationen über Inhaltsstoffe und Nährwert, sondern zum Beispiel auch dazu, wie viel Fitnesstraining nötig ist, um die verspeisten Kalorien wieder zu verbrennen.

Allerdings erfasst das Sage Project auch persönliche Daten seiner Nutzer: Hat man der Datenbank beispielsweise während des Registrierungsprozesses verraten, dass man Vegetarier ist oder nicht auf Gentechnik im Mittagsschmaus steht, erhält man entsprechende Warnhinweise. Wenn möglich beziehungsweise verfügbar, stellt Sage auch Informationen darüber zur Verfügung, wo einzelne Produkte und ihre Inhaltsstoffe hergestellt werden. Laut Slover werden die kommenden mobilen Sage-Project-Apps sowohl konventionelle Barcodes, als auch QR-Codes unterstützen, um die Datenbank-Suche zu automatisieren.

Für die Zukunft plant Slover, das Sage Project auch auf die Inhouse-Analyse von Lebensmitteln auszudehnen. Schließlich solle seine digitale Nahrungsmittel-Datenbank auch über die tatsächlichen Inhaltsstoffe aufklären - nicht über die Behauptungen der Hersteller.

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation computerworld.com.