Trends in der IT-Dienstleistung

Lebendiger Markt mit unklaren Konturen

13.08.1999
IT-Beratung tummelt sich gemeinsam mit Management-Beratung und IT-Realisierung mit IT-Dienstleistungen wie Outsourcing in der klassischen Domäne der IT-Dienstleister. Hinzu kommt, daß die IT-Service-Unternehmen Konkurrenten wie IBM und Hewlett-Packard haben, was ein exaktes Ranking für diesen gewaltigen Sektor sehr erschwert. Thomas Lünendonk* gibt dennoch einen Überblick.

Die Grenzlinien zwischen den unterschiedlichen Leistungsfeldern in der Informationstechnik sind schwer zu ziehen. Der Markt läßt sich zwar grob in die Segmente Hardware, Software, Beratung und Dienstleistung aufteilen, doch bereits bei den Umsatzberechnungen für die unterschiedlichen Sektoren verschwimmen die Grenzen: Was beim einen Unternehmen unter Software-Umsatz verbucht wird, läuft beim anderen unter Beratung oder Dienstleistung. Hinzu kommen unterschiedliche Leistungsparameter verschiedener Verbände und Marktforscher. So können Umsatzberechnungen für den Gesamtmarkt IT immer nur Näherungswerte darstellen.

Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, Markttrends und Tendenzen für einzelne Anbietersegmente zu betrachten. Neben den Top-Anbietern von Standardsoftware wurden die führenden Management-Beratungen, IT-Beratungen und Systemintegratoren sowie IT-Services-Unternehmen nach ihren Entwicklungen hinsichtlich Umsatz- und Mitarbeiterdaten befragt. Die meisten Unternehmen gaben darüber hinaus exakte Umsatzaufteilungen nach Branchen, Märkten und Leistungsfeldern sowie Meinungen zu Trends und Technologien bekannt. Einige Unternehmen, in der Mehrzahl deutsche Töchter amerikanischer Gesellschaften, durften keine Angaben machen, so daß hier mit plausiblen Schätzzahlen gearbeitet werden muß.

Derartige Untersuchungen verschiedener Gruppen von Teilnehmern am IT-Markt erweisen sich als sehr sinnvoll. Denn eine Reihe "klassischer" Management-Beratungen erwirtschaftet durchaus nennenswerte Umsätze mit IT-Beratung und weitergehenden IT-Dienstleistungen. Hinzu kommen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die erfolgreich in IT- und anderer Beratung sowie IT-Realisierung aktiv sind. Gleichzeitig betätigen sich IT-Beratungen in ihren Kundenunternehmen oft als Management-Unterstützer. Darüber hinaus wickeln einige IT-Beratungsfirmen auch umfassende Dienstleistungen wie Outsourcing ab, womit sie in der Domäne der IT-Dienstleister wildern.

Die großen DV-Hersteller wie IBM, Hewlett-Packard und andere wiederum versuchen erfolgreich selbst oder mit Tochterunternehmen, dem Preisverfall der Hardware durch ein erhöhtes Beratungs- und Dienstleistungsangebot entgegenzutreten. Da diese Riesen häufig keine eindeutige Umsatzaufteilung in den Markt kommunizieren, ist es für Marktforscher und Analysten nicht einfach, eindeutige Zuteilungen der Leistungen vorzunehmen. So muß in dem wichtigen Marktsegment der IT-Services überwiegend mit - allerdings seriösen - Schätzzahlen gearbeitet werden. Aus diesem Grund wird auch hier auf die Aufstellung eines Rankings der führenden IT-Services-Anbieter verzichtet. Die relevanten Unternehmen wurden zwar befragt, jedoch nicht nach ihren Gesamtumsätzen, sondern alphabetisch als Player in diesem Marktsegment gelistet.

Pro-Kopf-Umsatz als Seismograph

Betrachtet man den Markt der IT-Beratungs- und System-integrations-Unternehmen sowie der IT-Services-Anbieter, muß man berücksichtigen, daß in deren Gesamtumsätzen sehr häufig namhafte Summen aus dem Hardware- und Softwaregeschäft stecken. Sichtbar wird das in der Regel bei den Pro-Kopf-Umsätzen, die seit einigen Jahren als eine wichtige Meßgröße für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen zum Einsatz kommen.

Als Faustformel kann gelten: Wo im IT-Sektor mit vergleichsweise wenigen Mitarbeitern hohe Umsätze erzielt werden, verbirgt sich darin oft in großem Umfang Handel mit Hardware und Software. Wenn sich Pro-Kopf-Umsätze eng um einen Branchendurchschnitt gruppieren, wie das beispielsweise bei IT-Beratung der Fall ist, beinhaltet der Umsatz ein hohes Potential an Dienstleistung. Denn Produkte können multipliziert und konfektioniert werden, die menschliche Dienstleistung jedoch wird durch die Zahl der Mitarbeiter begrenzt. Lediglich Firmenkäufe oder -verkäufe führen hier manchmal zu kurzfristigen Schwankungen nach oben und unten.

Die auf das IT-Beratungs- und Systemintegrationsgeschäft in Deutschland spezialisierten Unternehmen waren im Geschäftsjahr 1998 wieder sehr erfolgreich. Der gesamte deutsche Markt für IT-Beratung und Systemintegration (ohne den Wert der involvierten Standardsoftware und Hardware) wies 1998 ein Volumen von etwa 13,3 Milliarden Mark auf. Hiervon konnten sich allein die in der Lünendonk-Liste führenden 25 Unternehmen mit rund 6,3 Milliarden Mark Inlandsumsatz einen Marktanteil von 47 Prozent (1997: 39 Prozent) sichern.

Ein Angebotsmix aus vielen Komponenten

Sie erwirtschafteten dieses Ergebnis überwiegend mit einem Angebotsmix aus konzeptioneller Beratung, Implementierung von Standardsoftware, deren Anpassung und Ergänzung, Projektmanagement und Entwicklung von kundenspezifischen Individualsoftwaresystemen.

Da sich dieses Leistungsangebot sehr stark am Inlandsbedarf orientiert, erzielen die IT-Beratungs- und Systemintegrationsbetriebe im Gegensatz zu Standardsoftware-Unternehmen ihre Umsätze überwiegend auf dem deutschen Markt. Das Spitzenfeld dieser Leistungsgruppe setzt sich aus deutschen Firmen oder Tochtergesellschaften internationaler Konzerne zusammen, die überwiegend für Kunden in Deutschland tätig sind. Lediglich 13 Prozent ihrer Umsätze tätigen die 25 führenden Anbieter im Ausland, überwiegend in Österreich, der Schweiz sowie in Osteuropa.

Daß IT-Beratung und Systemintegration "People-Business" ist, zeigen auch die Mitarbeiterzahlen der Lünendonk-Top-25. Rund 26000 Menschen (Jahresmittel 1998) sind allein bei diesen Unternehmen beschäftigt; das sind 4800 Mitarbeiter und damit 23 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Anforderungen dieser Unternehmen an ihre Mitarbeiter liegen hoch: Überwiegend werden hochqualifizierte Berater mit betriebswirtschaftlichem, technischem oder naturwissenschaftlichem Background eingesetzt. Gleichzeitig wuchs 1998 der Gesamtumsatz der Top 25 um 30 Prozent, so daß sich der durchschnittliche Pro-Kopf-Umsatz von 271000 Mark 1997 auf 279000 Mark 1998 erhöhte.

Betrachtet man anhand dieses Durchschnitts einige dieser Gesellschaften, so ergeben sich interessante Aspekte. Kein Unternehmen der Top 25 erzielt pro Kopf weniger als 200000 Mark Umsatz. Wenige durchbrechen die 300000er-Marke. Die höchste Steigerung des Pro-Kopf-Umsatzes verzeichnete mit über 30 Prozent die MSG Systeme GmbH, München: von 213000 Mark 1997 auf 283000 Mark 1998. Ursache ist der Rückgang der Leistungsfelder Individual-Software-Entwicklung und Softwarevertrieb bei gleichzeitig deutlicher Steigerung des Systemintegrations-Umsatzes. Während der Umsatz des Unternehmens insgesamt um 43,4 Prozent wuchs, stieg die Zahl der Mitarbeiter lediglich um 8,3 Prozent.

Auch die PSI AG wuchs beim Pro-Kopf-Umsatz mit 23,6 Prozent auf 247700 Mark 1998 eindrucksvoll. 1997 lag es mit 200300 Mark noch auf Rang 24 der Top 25. Dies liegt daran, daß sich das Unternehmen verstärkt auf das Standardsoftwaregeschäft ausgerichtet und das Projektgeschäft zurückgenommen hat. Ähnliches sorgte auch bei der Integrata AG und Sercon für nachhaltig hohe Produktivität.

Eindrucksvoll haben sich 1998 hinsichtlich des Pro-Kopf-Umsatzes auch KPMG, Deloitte Consulting und CSC Ploenzke positioniert. Sie weisen für den Befragungszeitraum eine Vollauslastung nahe der Kapazitätsgrenze auf, was hauptsächlich auf die Jahr-2000-Aufgaben sowie die Euro-Umstellung zurückzuführen ist.

Auch am anderen Ende der Skala hat sich bei den Pro-Kopf-Umsätzen einiges getan. So verlor beispielsweise Atos rund 28,9 Prozent (1997: 356400 Mark; 1998: 253300 Mark). An diesem Unternehmen wird deutlich, daß Produktivitätsberechnungen anhand von Pro-Kopf-Umsätzen nur dann sinnvoll sind, wenn die "ganze Geschichte" erzählt wird. Bei Atos fallen nämlich in das Geschäftsjahr 1998 die Trennung von B+S Card Services und die damit verbundenen Umstrukturierungen. Der Umsatz ging um 22 Prozent zurück, die Mitarbeiterzahl hingegen stieg um zehn Prozent.

Es zeigen sich gewaltige Abweichungen

Neben Atos zeigt Gedas einen deutlichen Rückgang: 225200 Mark 1997 stehen 1998 nur noch 205700 Mark gegenüber, eine Einbuße um 8,7 Prozent. Bei einem Mitarbeiterzuwachs von rund 55 Prozent und einem Umsatzwachstum von 41,6 Prozent läßt sich dies wahrscheinlich auf den Aufbau neuer Gesellschaften und Personalbeschaffung auf Vorrat zurückführen.

Einbußen beim Pro-Kopf-Umsatz mußten auch die ansonsten erfolgreichen Anbieter Andersen Consulting und Plaut hinnehmen. Bei ihnen standen deutlichen Umsatzsteigerungen starke Personalwachstumsraten gegenüber.

Stellt man den IT-Beratungs- und -Systemintegrations-Unternehmen die Gesellschaften gegenüber, die unter anderem auch IT-Services (Outsourcing, Maintenance, Training, Facilities Management) anbieten, so zeigen sich gewaltige Abweichungen. Die Skala reicht von 1,288 Millionen Mark bei Hewlett-Packard bis zu 192 200 Mark bei Ditec. Diese Bandbreite spiegelt die Heterogenität der Anbieter in diesem Markt wider. Denn natürlich sind bei HP sämtliche Hardware- und Softwareverkäufe im Umsatz enthalten, während Ditec fast keine Produktumsätze aufweist.

Das Mittelfeld der Pro-Kopf-Umsätze liegt zwischen 250000 und 500000 Mark. Überproportional erfolgreich stellen sich die Unternehmen TDS und ADP dar. Hier führten Übernahmen und eine gute Auftragslage zu Steigerungen um über 25 Prozent.

Hingegen mußten "Inhouse-Outsourcing-Unternehmen" wie TLC (Deutsche Bahn), Thyssen-Krupp und Lufthansa Rückgänge hinnehmen. Dies deutet auf eine typische Entwicklungsphase für Unternehmen hin, die den Weg vom internen Servicecenter zum marktfähigen IT-Dienstleistungsunternehmen zu bewältigen haben. Hier macht sich auch die Notwendigkeit bemerkbar, für den neuen Auftritt Spezialpersonal, zum Beispiel qualifizierte Berater und Verkäufer, zu akquirieren.

Gleichauf liegen die klassischen IT-Dienstleister Debis und EDS. Während die auch als IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen erfolgreiche Debis aufgrund starken Mitarbeiterwachstums 0,6 Prozent (1997: 331400 Mark, 1998: 329500 Mark) verlor, legte EDS 1998 um 1,5 Prozent zu (1997: 323005 Mark, 1998: 328500 Mark). Die großen Anbieter wie SBS, IBM und Unisys mußten mannigfaltigen Umstrukturierungsprozessen ein wenig Produktivität opfern: Sie reduzierten ihren Pro-Kopf-Umsatz um ein bis fünf Prozent (IBM, Unisys) beziehungsweise sogar 14,6 Prozent (SBS).

Insgesamt bewegen sich die Pro-Kopf-Umsätze der IT-Beratungs- und Systemintegrations- sowie der IT-Services-Unternehmen in Deutschland auf einem respektablen Niveau. Es wird sich zeigen, ob die Aufträge der dem Jahr-2000-Boom folgenden Jahre ausreichen, um die derzeit üppigen Mitarbeiterpotentiale auch weiterhin auszulasten. Allerdings stehen nach Angaben der von Lünendonk Consultancy + Research befragten Unternehmen unter anderem mit den Themen E-Business, Supply Chain Management und ERP für den Mittelstand sowie Customer (Enterprise) Relationship Management anspruchsvolle Herausforderungen bevor.

Pessimisten befürchten Personalabbau, Optimisten freuen sich darauf, daß sich der Markt für IT-Spezialisten möglicherweise wieder ein wenig entspannt.

*Thomas Lünendonk ist Unternehmensberater und Gesellschafter der Lünendonk Consultancy + Research, Hamburg/Unteregg..