Deutsche Tochter von den Finanzierungsproblemen offenbar nicht betroffen

Leasingfirma Atlantic stolpert über unsaubere Vertragspraxis

27.04.1990

MÜNCHEN (see) - Die britische Atlantic Computers Plc., drittgrößter Leasinganbieter der Welt und eine Tochter der Finanzholding British & Commonwealth Holdings Plc. (B & C), steht vor dem Aus.

Letzte Woche stellte die Mutter Atlantic freiwillig unter die Zwangsverwaltung zweier Wirtschaftsprüfer von Price Waterhouse.

Bereits kurz nach der Übernahme Atlantics will man bei B & C fragwürdige Praktiken der Buchführung sowie "substantielle Fehler" festgestellt haben, deren Ausmaße aber erst kürzlich voll erkannt worden seien.

Es habe sich herausgestellt, daß die Leasinggesellschaft nicht den Kaufpreis von 460 Millionen Pfund wert sei, den die Holding vor 18 Monaten gezahlt hatte, berichtete die "Financial Times"

Tatsächlich war die Buchführung des Leasingriesen - mit 1600 Angestellten ist Atlantic nach IBM-Leasing und Comdisco der drittgrößte Anbieter - geeignet, Unklarheiten aufkommen zu lassen.

Hierfür ist das spezifische Vertragskonzept des sogenannten "FIex-lease" verantwortlich: Es bietet den Kunden, so Klaus Messelhäußer, Geschäftsführer der deutschen Sektion des Leasingverbandes Eclat, die Möglichkeit, aus einem Leasingvertrag mit einer Bank, der das Equipment gehört, frühzeitig auszusteigen und den Anbieter, in diesem Fall Atlantic, mit den Restwerten allein zu lassen. Dies hat bekanntlich bereits Itel das Genick gebrochen.

Da in diesen Verträgen kein Andienungsrecht des Leasinggebers gegenüber dem Kunden vorgesehen ist, muß jener das zurückgenommene Equipment mit eigenem Preisrisiko vermarkten. Ein weiteres Risiko besteht darin, daß Leasingnehmer zu festgelegten Zeitpunkten Upgrades ihrer Systeme verlangen können, ohne extra dafür zahlen zu müssen.

In den Bilanzen von Atlantic werden die laufenden Verträge, so Messelhäußer, jedoch immer so verbucht, als gäbe es das vertragsspezifische Risiko der frühzeitigen Kündigung oder der Upgrade-Verpflichtung nicht. So seien die positiven Bilanzergebnisse der letzten Jahre zustandegekommen. Atlantic hatte die Geschäftsjahre 1987 und 1988 mit Gewinnen von 38,2 beziehungsweise 34 Millionen Pfund abgeschlossen.

Jetzt sieht es so aus, daß Atlantic den eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Für die britischen Anwender könnte das bedeuten, daß sie ihre Lease-Kontrakte voll erfüllen und somit an die jeweilige Bank, der das Equipment gehört, wesentlich mehr zahlen müssen, als vorher kalkuliert, wollen sie ihre Maschinen verfügbar halten. Nach einem Bericht des IDG-News-Service könnten sich in einigen Fällen die zusätzlichen Kosten auf mehrere hunderttausend Pfund belaufen.

Die deutsche Tochter Atlantic Computers GmbH in Frankfurt handhabt ihre Verträge nach eigenen Angaben konservativer. Wie ein leitender Mitarbeiter gegenüber der CW sagte, bedeute Flex-lease für sein Unternehmen nicht, den Kunden ein Recht auf ersatzlose Kündigung einzuräumen; vielmehr sei hier nur die Möglichkeit vorgesehen, Equipment innerhalb von Leasingverträgen auszutauschen, ohne deren Laufzeit willkürlich zu verkürzen. Die Praxis der englischen Mutter lehnte der Manager ab.

Nach Angaben des Insiders, der nicht genannt werden möchte, laufen zur Zeit Verhandlungen zwischen der GmbH und B & C mit dem Ziel, das deutsche Unternehmen "aus dem englischen Strudel herauszuholen". Denkbar sei, daß die Frankfurter Gesellschaft sich einem anderen Leasinganbieter anschließe oder im Rahmen eines Buy-out in den Besitz des Managements übergehe.

Geoff Sewell, Generaldirektor des Eclat-Verbandes, glaubt nicht, daß B & C erst vor kurzem vom Ausmaß der Atlantic-Misere erfahren habe. Das spezifische Risiko für das Unternehmen ergebe sich aus der Art der angebotenen Verträge. Die Holding habe das offensichtlich auch bereits bei der Übernahme vor 18 Monaten erkannt; schließlich sei die Direktive ausgegeben worden, keine Flex-lease-Verträge mehr abzuschließen. Anscheinend war jedoch den Aufkäufern beziehungsweise der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die von B & C mit der Bewertung der Neu-Tochter beauftragt worden war, zu dem Zeitpunkt nicht klar, wie tief sich Atlantic schon in Schwierigkeiten gebracht hatte.

Durch die verordnete restriktive Handhabung von Neuverträgen nach dem Flex-lease-Muster, so Sewell in einem Gespräch mit der CW, habe Atlantic einen signifikanten Rückgang des Neugeschäftes hinnehmen müssen. Gleichzeitig seien die Verpflichtungen auf Restwert-Übernahmen aus bereits geschlossenen Verträgen jedoch weitergelaufen. Seiner Ansicht nach ist das Problem des Unternehmens dennoch nicht allein die Vertragsgestaltung; darüber hinaus habe die fragwürdige Buchführung dazu geführt, daß keine realistischen Kalkulations- und Bewertungsgrundlagen zur Verfügung gestanden hätten.

Wie problematisch die Situation von Atlantic letztendlich sei und ob sie überhaupt gelöst werden könne, darüber wollte Sewell nicht sprechen.