Lean Six Sigma: So klappt die Einführung

03.12.2007
Von Frank Bornhöft

Bonus an Six-Sigma-Ziele gekoppelt

Um dieses Ziel zu erreichen, musste das Management eng in das Six-Sigma-Programm eingebunden werden. Persönliches Commitment und die Auswahl der richtigen Black-Belt-Kandidaten waren gefragt. Deshalb führte GE Capital für jeden Standort ein "Quality Scoring" ein: 30 Prozent des Geschäftsführer-Bonus wurden direkt mit dem Erreichen von Six-Sigma-Zielen gekoppelt.

Zusätzlich baute das Unternehmen ein zentrales Six-Sigma-Team auf. Es setzte sich aus einem Programm-Manager (Business Quality Leader) und extern rekrutierten Master Black Belts (MBBs) zusammen. Die MBBs sollten die Black Belts (BBs) betreuen, die dezentral in den einzelnen Geschäftsstellen installiert wurden.

Die Management-Ziele für das erste Jahr konzentrierten sich hauptsächlich darauf, ausreichende Ressourcen für das Six-Sigma-Programm bereitzustellen (Infrastrukturziele). In den nachfolgenden Jahren drehten sie sich jedoch mehr um Qualitätssteigerung (Ergebnisziele) und bessere Kundenzufriedenheit.

Als sich die Kunden darüber beklagten, dass sie eigentlich keine Verbesserung durch die Six-Sigma-Programme spürten, passte GE Capital die Ziele seiner Mitarbeiter an: Jetzt wurden Projekte mit externen Kunden besonders honoriert, und die Bewertung durch die Klientel floss in die Ziele ein.

Bessere Kommunikation durch Reorganisation

Im Jahr 2000 wurden alle BBs und MBBs in einer Stabsfunktion zusammengefasst. Die deutschlandweit verteilten Six-Sigma-Experten organisierten sich in regionalen Teams, für die jeweils ein MBB zuständig war. Zusätzlich übernahmen die MBBs die Betreuung definierter Funktionen wie Einkauf, Personalwesen, Vertrieb oder System-Engineering.

Auf diese Weise verbesserte sich die interne Kommunikation sowie die Betreuung der Black Belts. Die Six-Sigma-Projekte ließen sich zudem konsequenter an der Unternehmensstrategie ausrichten.

Jahr für Jahr neu erfunden

Parallel dazu entwickelte sich das Six-Sigma-Programm von Jahr zu Jahr weiter, und die Unternehmenseinheiten tauschten ihre Erfahrungen aus. Das führte beispielsweise dazu, dass statistische Werkzeuge stärker in die Ausbildung der BBs und MBBs einbezogen wurden. Außerdem ließ sich so die Lernkurve neuer Black-Belt-Kandidaten wesentlich dynamisieren.

Um Six Sigma langfristig erfolgreich zu etablieren, definiert GE Capital die Schwerpunkte und den Fokus des Programms jedes Jahr auf Neue. Six Sigma wird sozusagen von Jahr zu Jahr neu erfunden. Damit blieb das Interesse im Management, innerhalb des Six-Sigma-Teams und bei den Mitarbeitern wach.

Die zehn größten Fehler

Woran die erfolgreiche Lean-Six-Sigma-Einführung scheitern kann:

  1. Die Unterstützung durch das Topmanagement (den Vorstand) fehlt.

  2. Die Ziele des mittleren Managements sind nicht mit dem Lean-Six-Sigma-Programm gekoppelt.

  3. Es werden die falschen Projekte ausgewählt, nämlich solche, die nicht wichtig sind, denen der Kundenbezug fehlt oder deren Lösung bereits feststeht.

  4. Die Black-Belt-Kandidaten sind nicht die richtigen, also statt der besten werden die gerade verfügbaren rekrutiert.

  5. Die Black Belts sind nicht zu 100 Prozent vom Tagesgeschäft freigestellt; im Zweifelsfall siegt das Tagesgeschäft immer!

  6. Es gibt kein Coaching-Konzept für die Kandidaten; außerhalb der Trainings fällt die Betreuung flach.

  7. Die Projekt-Benefits werden nicht von einem neutralen Controller geprüft, sondern schöngerechnet.

  8. Aktives Marketing? Fehlanzeige! Das Six-Sigma-Team wartet, dass die Projekte zu ihm kommen, was sie aber nicht tun.

  9. Ein Personalentwicklungskonzept, um gute "Belts" im Unternehmen zu halten, ist nicht vorhanden.

  10. Es entsteht eine bürokratische Projektorganisation, die mit den ursprünglichen Intentionen nichts gemein hat.

Die Einführung eines Lean-Six-Sigma-Programms stößt auf viele Stolpersteine. Einige davon fasst der Kasten "Die zehn größten Fehler" zusammen. Andererseits gibt es eine Handvoll Erfolgsfaktoren, die einen unterschiedlich starken Einfluss auf die Six-Sigma-Implementierung ausüben. Hier sind die wichtigsten:

  • Wie sich in der Praxis erwiesen hat, ist die Unterstützung des Senior-Managements (des Vorstands oder der Geschäftsführung) der kritische Erfolgsfaktor Nummer eins. Die Führungsetage muss die notwendigen Ressourcen – sowohl finanzieller als auch personeller Art – bereitstellen. Idealerweise fungiert sie durch persönliches Engagement als Vorbild.

  • Der zweitwichtigste Faktor ist die Auswahl des richtigen Implementierungspartners. Dabei ist neben dem methodischen Wissen besonders auf ein kompetentes Coaching und Programm-Management zu achten. Grundsätzlich kann ein Unternehmen Six Sigma selbständig implementieren. Sollten bereits kompetente Six-Sigma-Spezialisten (MBBs und BBs) im Unternehmen sein, so ist dieser Ansatz auf jeden Fall zu prüfen. Doch Firmen, die nicht über Six-Sigma-Kompetenz verfügen und sie auch nicht rekrutieren wollen, sollten die Unterstützung durch einen externen Partner in Betracht ziehen.

  • Die Definition und Auswahl der richtigen Six-Sigma-Projekte ist ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor. Kennt das Unternehmen bereits einen strukturierten Prozess, nach dem die Unternehmens- oder Bereichsziele auf die einzelnen Abteilungen herunter gebrochen werden, so lässt sich die Projektauswahl inhaltlich und zeitlich daran koppeln. In diesem Fall wird die Management-Ebene unterhalb der Unternehmens- oder Bereichsführung aufgefordert, Ideen für Six-Sigma-Projekte zu sammeln. Ideenlieferanten können eine implementierte "Balanced Scorecard" sowie Ergebnisse aus Kundenumfragen und Erfahrungen des Kundendiensts (Reklamationen) sein.

  • Ebenso stark ins Gewicht fällt die Wahl der Black-Belt-Kandidaten. Es ist darauf zu achten, dass die Bewerber anhand eines definierten Anforderungskataloges ausgesiebt werden. Je besser die Kandidaten, desto geringer die Kosten und desto steiler die Lernkurve sowie das Ergebnis der gesamten Six-Sigma-Initiative.

  • Ein weiterer Punkt, der bei der Einführung von Six Sigma zu berücksichtigen ist, liegt in der richtigen Organisation der Ressourcen. Beispielsweise könnte Six Sigma ein internes Profit-Center darstellen, das sich aus den erwirtschafteten Ergebnissen selbst trägt. Das Verhältnis von Benefits zu Kosten sollte größer als drei zu eins sein.

  • Darüber hinaus ist es sinnvoll, Six Sigma in die Personalentwicklung zu integrieren. Häufig kommt es vor, dass teuer ausgebildete MBBs und BBs das Unternehmen verlassen oder bleiben, aber mit sinkender Motivation arbeiten. Diese negative Entwicklung lässt sich verhindern, indem den Kandidaten von Anfang an ein Karrierepfad aufgezeigt wird.

  • Wer Lean Six Sigma als Bestandteil der Unternehmenskultur etablieren will, sollte unbedingt dafür sorgen, dass die Management-Ebene sowie alle Mitarbeiter permanent über den Status der Six-Sigma-Initiative und die Projekterfolge informiert werden. Das stärkt die Akzeptanz und trägt dazu bei, die Projekt-Pipeline zu füllen. Deshalb sollte der Programmverantwortliche einen Teil seiner Zeit für Marketing oder "interne Kommunikation" aufwenden. (qua)