Kolumne

Lean IT offen für Experimente

30.08.2007

Einen kleinen Artikel mit vermutlich großer Wirkung hat kürzlich das "Wall Street Journal" veröffentlicht. Darin geht es um die amerikanische Fluggesellschaft Virgin America, eine junge Discount-Airline, deren "Lean-IT-Strategie" gepriesen wird. Die Botschaft: Unternehmer und Manager, lasst Euch nicht erzählen, dass eure IT-Infrastruktur so teuer sein muss. Diese Airline kommt ohne kostspielige Mainframes und Spezialsoftware aus. Sie nutzt erfolgreich billige Linux-Server sowie auf der Basis von Open-Source-Produkten entwickelte Anwendungen.

Solche Beiträge werden auch von deutschen Vorständen aufmerksam gelesen. IT-Manager und CIOs müssen sich fragen lassen: Können wir das nicht auch? Die IT-Bosse werden dann erklären, warum das Beispiel nicht übertragbar ist, die Anforderungen des eigenen Unternehmens außergewöhnlich individuell sind und dass man sich im Benchmark doch achtbar schlage. Wer solche Ansätze ernsthaft verfolge, spiele bezüglich Stabilität und Sicherheit russisches Roulette.

Zähneknirschend werden Vorstände und Fachanwender das hinnehmen, doch das Unbehagen bleibt, und es wächst mit jedem Tag. "Muss ich mein Budget wirklich mit einem teuren Tool belasten?", fragt sich der Abteilungsleiter. "Da gibts doch bestimmt eine billigere Lösung im Netz." Zigtausende Besucher von computerwoche.de lasen kürzlich unseren Artikel zu den interessantesten (überwiegend kostenlosen) Web-2.0-Tools. Online-Werkzeuge für Projekt-Management und Koordination waren ebenso dabei wie Collaboration-, Office-, Backup- oder Grafik-Tools. Was immer wir über OpenOffice, Linux oder Eclipse veröffentlichen das Interesse ist gewaltig.

Natürlich dürfen Unternehmen insbesondere im Backend keinen Tool-Wildwuchs zulassen. Standardisierter und dokumentierter Werkzeugeinsatz muss hier oberste Priorität haben, ebenso ein sorgfältig ausgearbeiteter Bebauungsplan. Dieser sollte aber neben kommerziellen Produkten auch den pragmatischen Einsatz schnell verfügbarer Open-Source-Angebote in Betracht ziehen. Die Zeiten, in denen IT-Abteilungen in aller Ruhe auf die Entwicklungen großer kommerzieller Player wie IBM, Microsoft oder SAP warten konnten, sind vorbei. Anwender erwarten schnelle Antworten. Bleiben diese aus, werden sie sich selbst helfen und die IT-Organisation wird die Fäden aus den Händen verlieren.

Dass sich Anwender beim IT-Einsatz an gewisse Spielregeln halten müssen, ist selbstverständlich. Sie aber in einer betonierten IT-Landschaft einzusperren, um den Aufwand für Organisation und Administration gering zu halten, kann keine Lösung sein. Anwender wollen ihre Arbeit schnell und gut machen. Dazu brauchen sie billige, flexible und kompatible Lösungen und zwar sofort. Die IT-Organisation wird Unzufriedenheit, schlechte Arbeitsergebnisse und langsame Geschäftsprozesse nur dann vermeiden können, wenn sie sich - kontrolliert öffnet und Experimente zulässt.