Führungsstile

Leadership-Modelle auf dem Prüfstand

28.10.2020
Von 
Siegfried Riedel gründete im Jahr 2000 ein Beratungshaus, aus dem die ITSM Group hervorgegangen ist. Vorher war er von 1987 bei einer führenden Hypothekenbank beschäftigt, wo er zuletzt als Abteilungsdirektor weltweit die dezentralen Systeme und Benutzerbetreuung verantwortete. Sein Fokus lag bereits zu dieser Zeit auf dem qualitätsgesteuerten IT Service Management und der Umsetzung komplexer technischer Projekte im ITSM-Umfeld.
Eine Führungskraft, die ein konventionelles Team erfolgreich leitet, führt ein virtuelles Team nicht automatisch zum Erfolg. Welche Führungsstile für virtuelle Teams geeignet sind, lesen Sie hier.
Das richtige Händchen in der Führung eines virtuellen Teams zu beweisen, ist für Führungskräfte nicht leicht.
Das richtige Händchen in der Führung eines virtuellen Teams zu beweisen, ist für Führungskräfte nicht leicht.
Foto: PopTika - shutterstock.com

Ein virtuelles Team ist laut Bradley Kirkman et al. "eine Gruppe von Menschen, die über Raum-, Zeit- und Organisationsgrenzen hinweg interdependent mit einem gemeinsamen Ziel arbeiten und Technologie zur Kommunikation und Zusammenarbeit nutzen". Als solches sind sie ein logischer Nachfolger der virtuellen Gruppen unter dem Einfluss der Globalisierung. Virtuelle Gruppen sind Gruppen von Telearbeitern, die dem gleichen Manager unterstehen und sich aus dem Konzept der Telearbeit entwickelt haben. Längerfristig und unter dem Einfluss der Digitalisierung ist eine Entwicklung zu erwarten, in der virtuelle Gruppen sich ebenfalls zu virtuellen Teams transformieren werden.

Ein solches Team wird in der Regel geführt. Martin Chemers definiert Führung dabei als einen "Prozess der sozialen Einflussnahme, bei dem eine Person in der Lage ist, die Hilfe und Unterstützung anderer bei der Erfüllung einer gemeinsamen Aufgabe zu gewinnen". Allerdings gibt es eine Vielzahl theoretischer Schulen und Führungsstile, wovon hier drei auf ihre Eignung für virtuelle Teams untersucht werden: Blake and Mouton's "Managerial Grid" aus der Verhaltensschule, Adair's "Action-Centered Leadership Model" aus der Kontingenzschule und "Team Leadership" als Vertreter der Schule "Leaders and Followers".

Das Führungsnetz von Blake und Mouton

Das Managerial Grid von Robert Blake und Jane Mouton gehört zur Verhaltensschule der Führungstheorien. Sie hat ihre Grundlage in der Arbeit von Douglas McGregor, der sich auf Management in Bezug auf menschliche Beziehungen, Output und Leistung konzentrierte. Robert Blake und Jane Mouton entwickelten ihr Führungsraster anhand der These, dass Manager entlang zweier Dimensionen kategorisiert werden können:

• Sorge um Menschen und

• Sorge um das Ergebnis.

Mit anderen Worten: mitarbeiter- oder aufgabenorientiert.

• Die Mitarbeiterorientierung beschreibt, in welchem Maße eine Führungskraft bei der Führung eines Teams die Bedürfnisse, Interessen und Entwicklung der Menschen berücksichtigt.

• Die Aufgabenorientierung beschreibt die Bedeutung von definierten Zielen, Effizienz und Produktivität für die Entscheidungen des Leiters.

Als Raster mit der Sorge um die Menschen auf der Ordinate und der Sorge um das Ergebnis auf der Abszisse dargestellt, stellen die Kombinationen fünf grundlegende Führungsstile dar (Abbildung 1).

Abbildung 1: Das Führungsnetz von Blake und Mouton
Abbildung 1: Das Führungsnetz von Blake und Mouton
Foto: iTSM Group

Führungskräfte mit geringem Interesse sowohl am Menschen als auch am Ergebnis werden am unteren Ende des Spektrums angesiedelt, während Führungskräfte mit hohem Engagement für beide Elemente als die effektivsten angesehen werden. Neben diesen beiden beschreiben Blake und Mouton drei weitere Führungsstile mit Merkmalen zwischen diesen beiden Extremen.

Das aktionszentrierte Führungsmodell von Adair

Verhaltenstheorien erklären Führung auf eine sehr allgemeine Art und Weise, geben aber keine Hinweise darauf, ob das Führungsverhalten in verschiedenen Situationen unterschiedlich sein sollte. Die Kontingenz-Schule greift diese Frage auf und schlägt vor, dass gute Führung und Führungsverhalten von der tatsächlichen Situation und den Umständen abhängt. Nach dem Modell von John Adair ist die handlungszentrierte Führungskraft eine solche, die dafür sorgt, dass die Arbeit des Teams erledigt wird. Um dies zu erreichen, muss sie drei Handlungsbereiche in Betracht ziehen:

1. Strukturierung der Aufgabe

2. Führung von Einzelpersonen

3. Führung des Teams (Abbildung 2).

Abbildung 2: Handlungsorientiertes Führungsmodell
Abbildung 2: Handlungsorientiertes Führungsmodell
Foto: iTSM Group

Adair schlägt vor, dass eine effektive Führung von der Aufgabe abhängt, die der Teamleiter zu erledigen hat, und dass die Art und Weise, wie sie am besten ausgeführt wird, eine Mischung aus Verhaltensweisen der drei genannten Aktionsbereiche ist. Je nach Situation würde der Teamleiter den Schwerpunkt auf die Strukturierung, die Unterstützung von Einzelpersonen oder eher auf den Support des Teams legen. Die drei Handlungsfelder lassen sich durch die in Abbildung 3 dargestellten Aktionen steuern. Eine gute und handlungszentrierte Führungskraft sollte die drei Aktionsbereiche situationsgerecht gewichten.

Abbildung 3: Aktionszentrierte Führung - Handlungsfelder
Abbildung 3: Aktionszentrierte Führung - Handlungsfelder
Foto: iTSM Group

Team Leadership

Daneben existiert das Konzept der Teamführung als eine der Theorien aus der "Leaders and Followers"-Schule. Diese Modelle beschreiben den Teamleiter nicht so sehr als einen herausragenden Führer, sondern konzentrieren sich auf die Rolleninterdependenz und die Beziehung zwischen Leiter und Mitarbeitern.

Eine von Raymond Meredith Belbin durchgeführte Studie ergab, dass Personen in einem Team in der Regel zwei oder drei von insgesamt neun Rollen einnehmen. Je ausgewogener die Rollenverteilung, desto besser funktioniert das Team. Auf dieser Basis formulierte Belbin zwei Führungstypen - den Solo- und den Teamleiter. Der Sololeiter versucht, jede notwendige Teamrolle zu spielen, während der Teamleiter sich auf seine bevorzugten Teamrollen konzentriert und die anderen Rollen delegiert. Welche Art von Manager günstiger ist, hängt von der jeweiligen Situation ab. Der "Solist" ist in der Lage, schneller zu reagieren und zu entscheiden, während der Teamleiter in komplexen und diskontinuierlichen Arbeitsumgebungen überlegen sein kann. Abbildung 4 zeigt einen Vergleich der beiden Führungsstile.

Abbildung 4: Solo- und Teamleiter im Vergleich
Abbildung 4: Solo- und Teamleiter im Vergleich
Foto: iTSM Group

Herausforderung virtuelle Teams

Aus praktischer Sicht werden virtuelle Teams von Organisationen aus zwei Gründen eingesetzt: einerseits Kosten- und Zeiteinsparungen sowie eine verkürzte Time-to-Market, andererseits größere Flexibilität durch den Zugriff auf die besten Talente für bestimmte Projekte, unabhängig von ihrem tatsächlichen Standort. Dadurch können Organisationen flexibel und entsprechend den aktuellen Bedürfnissen reagieren. Zudem ermöglichen virtuelle Teams den Mitarbeitern eine höhere Produktivität und einen größeren Freiheitsgrad, was deren Zufriedenheit erhöhen kann. Außerdem fördern virtuelle Teams in der Regel die Kreativität des Einzelnen und liefern insgesamt bessere Ergebnisse.

Allerdings sind Bildung und Führung virtueller Teams mit Herausforderungen verbunden. Eine davon ist logistischer Natur: Arbeit und Interaktion (zum Beispiel Besprechungen) müssen koordiniert werden, möglicherweise über verschiedene Zeitzonen hinweg. Die Gestaltung und Interdependenz der Aufgaben bestimmt die Interdependenz zwischen den Teammitgliedern und hat einen wesentlichen Einfluss auf die Struktur und Typologie virtueller Teams. Bei Aufgaben von hoher Komplexität und enger Workflow-Integration besteht die Notwendigkeit, unterstützende Aufgaben wie Entscheidungsfindung oder Konfliktlösung zu optimieren.

Auch in technologischer und kommunikativer Hinsicht stellen virtuelle Teams eine Herausforderung dar. Es wird eine Technologie mit sozialer Funktionalität benötigt, was wiederum ein gewisses Maß an Affinität zur Technologie und zu komplexen technischen Lösungen voraussetzt. Darüber hinaus reduziert Technologie anstelle persönlicher Treffen den Reichtum des Informationsaustauschs. Dies kann zu sozio-emotionalen Problemen wie dem Gefühl der Isolation und Verwirrung sowie schließlich mangelnder Motivation führen. Daher ist es eine der größten Aufgaben, Vertrauen und funktionierende Arbeitsbeziehungen zwischen den Teammitgliedern aufzubauen. Dabei muss auch die kulturelle Vielfalt in virtuellen Teams mit ihrem Potential von Fehlinterpretationen berücksichtigt werden.

Wie virtuelle Führung geht

Zeitliche Verteilung, komplizierte Logistik, wechselnde Teammitglieder und die notwendige Klarheit in der Kommunikation können nur durch eine starke und zuverlässige Struktur bewältigt werden, die auch gemeinsame Routinen und Prozesse definiert. Letztere können dazu beitragen, regelmäßiges und nützliches Feedback zu geben. Aus diesem Grund sollte der Manager in der Lage sein, eine solche Struktur bereitzustellen und aufrechtzuerhalten. Dies kann durch eine Führung unterstützt werden, die auf Richtung und Zielen basiert, sowohl für das Team als auch für den Einzelnen.

Die intensive Nutzung moderner Technologien, die Überwindung von Kommunikationsproblemen und die erforderliche Klarheit in der Kommunikation erfordern technologische Affinität und starke Kommunikationsfähigkeit. Letztere können auch helfen, Lösungen zu finden, wenn Grenzen zum Rest der Organisation überschritten, also andere Teams oder Abteilungen einbezogen werden müssen. Darüber hinaus ist Kommunikationsfähigkeit erforderlich, um Motivation zu schaffen und Vertrauen zu stärken.

Motivation und Vertrauen entstehen aber nicht nur durch Kommunikationsfähigkeit, sie erfordern auch ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Sensibilität seitens des Managers. Dies kann auch nützlich sein, um Problemen vorzubeugen, die durch kulturelle Vielfalt verursacht werden. In Blake and Moutons Managerial Grid bedeutet dies, dass eine Führungskraft in virtuellen Teams eine mittlere bis hohe Mitarbeiterorientierung zeigen sollte. Aber auch Aufgabenorientierung sollte zumindest auf mittlerem Niveau liegen, da virtuelle Teams eine klare Kommunikation und Struktur sowie deutliche Ziele benötigen.

Im aktionszentrierten Führungsmodell von Adair werden die genannten Fähigkeiten in allen Handlungsfeldern abgedeckt (Abbildung 5). Gleichzeitig weisen die Anforderungen virtueller Teams auf eine Betonung des Aktionsfeldes hin. Obwohl virtuelle Teams sowohl Struktur und Planung (Aufgabenfeld) als auch eine Person benötigen, die persönliche Probleme löst und individuelle Stärken und Fähigkeiten erkennt, ist das Hauptaktionsfeld das Team-Aktionsfeld. Die Leiter virtueller Teams müssen Teamgeist aufbauen, motivieren, die Kommunikation sicherstellen und die Gruppe entwickeln. Ausgehend von Abbildung 2 könnte das Profil für einen virtuellen Teamleiter wie in Abbildung 5 visualisiert werden.

Abbildung 5: Profil des virtuellen Teamleiters im aktionszentrierten Modell
Abbildung 5: Profil des virtuellen Teamleiters im aktionszentrierten Modell
Foto: iTSM Group

In Bezug auf Belbins Modell der Einzel- oder Teamleitung ist die Antwort nicht eindeutig. Der beschriebene "Sololeiter" ist in der Lage, die Bedingungen zu schaffen, die ein virtuelles Team braucht. Diese sind klare Rollen, Struktur und Aufgabenstellung sowie eine Führung mit klaren Zielen. Auf der anderen Seite kann der "Teamleiter" auch andere, aber ebenso notwendige Bedingungen schaffen. Er schätzt die kulturelle und fachliche Vielfalt innerhalb des Teams und ist in der Lage, die Gruppe weiterzuentwickeln und einen Auftrag zu erstellen. Beide Typen bieten also die erforderlichen Fähigkeiten, und es hängt von der tatsächlichen Teamstruktur und den organisatorischen Bedingungen ab, welche Art von Teamleiter im Sinne Belbins bevorzugt werden sollte.

Die bestehenden Modelle sind in der Lage, zumindest teilweise die Art von Führungskräften zu beschreiben, die virtuelle Teams benötigen. Für jede Organisation, die virtuelle Teams einsetzt, können diese Modelle einen Ausgangspunkt darstellen, um mögliche Führungskräfte für diese Teams zu identifizieren. Gleichzeitig können diese Modelle dazu verwendet werden, für die Entwicklung von Führungskräften benötigte Fähigkeiten zu definieren. (pg)