Systems-Symposium "Telekommunikation"

Lautstarke Kritik an der Bundespost

07.11.1975

MÜNCHEN -"In den nächsten vier bis fünf Jahren werden durch Telekommunikation ganz neue Klassen von Anwendungen möglich", erklärte Prof. Dr. Eberhard Witte auf dem Symposium zum Thema Telekommunikation auf der Systems '75 in München. "Die technologischen Chancen explodieren, sozusagen unter der Hand", konstatierte Witte, der die Veranstaltung mit 300 Teilnehmern leitete. Prof. Witte hat einen Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre an der Universität München und ist zur Zeit Vorsitzender der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission für den Ausbau technischer Kommunikationssysteme. Die Technik - so der Professor - sei da, daß "jeder weltweit mit jedem" kommunizieren könne.

Der erste Referent, Leon A. Smulion, Chef der Telecommunication-Division der EG-Kommission in Brüssel, bekräftigte die Forderung nach Kompatibilität in jeder Hinsicht: "TC-Subsysteme dürfen die Arbeit des Computers nicht beeinträchtigen."

Symposiumsleiter Witte leitete zu , dem zweiten Vortrag mit der Bemerkung", über, daß er ein zunehmendes gegenseitiges Sich-Verstehen in dem Dreiecksverhältnis DFÜ-Anwender- Bundespost - Hersteller beobachtet habe: "Anfängliche Verständigungsschwierigkeiten, die eindeutig auf unglückliche Formulierungen in der Direktrufverordnung zurückzuführen waren, sind beseitigt, und man muß anerkennen, daß sich die Post in letzter Zeit bemüht hat, den Anwendern durch gezielte Informationen mehr Transparenz über ihre Leistungen und Planungen zu vermitteln."

Zustimmung fand der Münchener Professor naturgemäß bei Roswitha Wolf, die bei der Deutschen Bundespost für Fragen des Genehmigungsrechts und des Benützungsrechts für , Datenübertragungsdienstleistungen zuständig ist. Die streitbare Diplom-Ingenieurin: "Die Post ist daran interessiert, Datenübertragung möglichst gut zu machen, sie muß allerdings dafür einen Preis fordern, der mindestens ihre Kosten deckt."

Doch gerade dieser letzte Punkt macht deutlich, in welchem Spannungsfeld sich die Diskussion bewegt. So ließ denn auch der Geschäftsführer des Münchner Softwarehauses Alldata, Klaus Dieter Kreuzer, der als nächster über die "Benutzungsvorschriften der Post und ihre ökonomische Bedeutung: für den Anwender (aus der Sicht der Wirtschaft)" referierte, keinen Zweifel darüber aufkommen, daß trotz der Entkrampfung im Verhältnis zum Fernmelde-Monopolisten Bundespost noch eine Reihe von Wünschen offengeblieben sei. Kreuzer verwies auf eine von ihm selbst durchgeführte Adhoc-Befragung von 25 großen deutschen Unternehmen, die durchwegs DFÜ-Anwender sind. Aus 15 Antworten ergebe sich, wie Kreuzer ausführte, das folgende Bild:

- 53 Prozent der Befragten mußte 1974/1975 länger als 3 Monate auf bestellte Modems warten. Diese Engpässe in der Lieferung wurden als sehr störend empfunden.

-Während 41 Prozent die Beratung und Unterstützung der Post bei den Datendiensten für "ungenügend" halten, finden sie 40 Prozent "kooperativ".

-63 Prozent der Benutzer halten die Qualität der Lieferungen nur für "ausreichend", sogar 19 Prozent für "ungenügend".

-27 Prozent finden den Wartungsdienst "unbefriedigend", 33 Prozent "verbesserungsbedürftig".

-Der überwiegende Teil (65 Prozent) hält die Informationsbereitschaft und- qualität über die Datenübertragungsdienste, über Vorgehen und Vorschriften für "sehr verbesserungsbedürftig".

- Über das in Kürze geplante Elektronische Datenvermittlungs-System (EDS) wissen 79 Prozent der doch großen DFÜ-Anwender zu wenig, um die Auswirkungen für ihre Anwendungen bewerten zu können.

Statt Konfrontation mehr Kooperation

Aus diesen Anworten ergäben sich - wie der DFÜ-Profi Kreuzer temperamentvoll darlegte - sechs Wünsche an die Deutsche Bundespost:

-vertretbare Tarife

-preiswerte Modems

-Leistungsnutzung durch mehrere Anwender

- Standardisierte Schnittstellen

- Freizügigkeit und

- Störungsfreiheit.

Kreuzer gab abschließend der Hoffnung Ausdruck, daß aus der "angespannten Konfrontation, die man heute immer noch sieht", endlich eine Kooperation werde, "die sowohl Anwender als auch DBP und Hersteller brauchen.