Trends von der Fachmesse Networld+Interop

Lauter Ruf nach dem Global Ethernet

18.05.2001
LAS VEGAS (ave) - Trotz der US-amerikanischen Wirtschaftskrise pilgerten die Anwender wieder zahlreich in die Spielerstadt Las Vegas, um sich auf der Fachmesse Networld+Interop (N+I) über die neuesten Trends zu informieren. Zu den technischen Highlights gehörten der Transfer von EthernetPaketen über optische Netze sowie Neuerungen im Bereich der Funk-LANs.

Es lässt sich nicht leugnen: Die US-Konjunktur lahmt. Craig Barrett, Chief Executive Officer (CEO) von Intel, gab in seiner Eröffnungsrede unumwunden zu, von der gebremsten Wirtschaft seien alle Unternehmen betroffen. Dennoch ist er optimistisch, dass sich die Lage bessert: "Vielleicht nicht morgen, aber bestimmt übermorgen."

Von der wirtschaftlichen Flaute war im Las Vegas Convention Center indes nur wenig zu spüren. Einzig die Abwesenheit von bisherigen Stammgästen wie Lucent, Worldcom oder Tivoli erinnerte daran, dass es derzeit im Gebälk der US-Wirtschaft knirscht. Die IT-Profis, die nunmehr im fünfzehnten Jahr zur N+I in das Spielerparadies pilgern, machten nicht unbedingt den Eindruck, als müssten sie bei den Ausgaben für ihre Unternehmensnetze kürzer treten.

Zu den kontrovers diskutierten Themen der Messe gehörte die Übertragung von Ethernet über Glasfasernetze. Während Befürworter wie Foundry mit Blick auf den für Mitte nächsten Jahres erwarteten Standard für 10 Gigabit Ethernet bereits das "Globale Ethernet" ausrufen, halten Kritiker dem entgegen, es habe keinen Sinn, das eigentlich für die Datenkommunikation im LAN konzipierte Verfahren im Weitverkehrsbereich einzusetzen. Time Division Multiplexing (TDM) lasse sich nicht auf Ethernet übertragen, behauptet etwa Tom Nolle, President des Beratungsunternehmens Cimi Corp. Außerdem könnten Carrier oder Service-Provider mit Ethernet auch keine Standleitungen verkaufen, weshalb er dem Verfahren im Wide Area Network (WAN) keine Chance gibt. Für Nolle ist daher der Asynchronous Transfer Mode (ATM) nach wie vor erste Wahl.

Die 10 Gigabit Ethernet Alliance (10 GEA) bekräftigte in Las Vegas jedoch ihr Ziel, das Verfahren im LAN, MAN und WAN zu etablieren. Aus Sicht der Allianz bringt dies unter anderem den Vorteil, Daten beim Übergang zwischen den verschiedenen Netzen nicht mehr in jeweils andere Formate übertragen zu müssen. Das, so die Allianz, vereinfache die Verwaltung, das Bereitstellen von Dienstequalitäten sowie die Abrechnung von Services.

Gururaj Deshpande, Mitgründer und Chairman von Sycamore Networks, glaubt an die Vision des optischen Ethernet. "Wir befinden uns erst am Anfang einer völlig neuen Phase der optischen Infrastruktur-Revolution", behauptet der Manager. Optische Fasern seien das Material, aus dem in Zukunft sämtliche Backbones bestehen würden. So lasse sich das globale Netz verwirklichen.

Ein einheitliches globales Netz beschwor auch Intel-Boss Barrett in seiner Eröffnungsrede. Es soll die derzeit noch im Wesentlichen getrennt existierenden Infrastrukturen, nämlich das klassische Telefonnetz, das Internet und das Mobilfunknetz, vereinen. Technische Grundlage dieses universellen Netzes seien Standards wie das Internet Protocol (IP) oder Ethernet. Eine dermaßen einheitliche Infrastruktur werde das Abwickeln von elektronischen Geschäften für Unternehmen wesentlich vereinfachen, so Barrett.

Flexible Bandbreite auf ZurufDie Lösung hierfür sehen viele Spezialisten in der Verbindung von optischen Verfahren und Ethernet-basierten Übertragungstechniken. In den USA gibt es bereits Service-Provider wie die kalifornische Yipes, die auf Basis von Glasfasernetzen und Gigabit Ethernet regionale Stadtnetze betreiben. Für Unternehmen soll dies gegenüber Verfahren wie Sonet den Vorteil haben, dass Langstreckenverbindungen wesentlich schneller bereitgestellt werden können. Auch ein Sprecher des Anbieters Broadwing betont, die Kombination von Glasfaser und 10 Gigabit Ethernet ermögliche nicht nur hohe Übertragungskapazitäten, sondern flexible Bandbreite auf Abruf, individuelle Zuweisung von Dienstequalitäten und eine exakt am tatsächlichen Verbrauch orientierte Abrechnung. Vorbei sein sollen die Zeiten, da die Bereitstellung oder Modifizierung von Glasfaser-WAN-Verbindungen sich als kompliziert und zeitraubend darstellten.

Für James Richardson, Senior Vice President für den Bereich Unternehmenskunden bei Cisco Systems, hat dies weitere Konsequenzen. Der Manager glaubt, dass sich optische Netze im Umkehrschluss auch innerhalb der Unternehmensgrenzen etablieren werden: "Firmen müssen sich in Zukunft intensiver mit Farben beschäftigen und lernen, wie man Glasfasernetze aufbaut."

Interoperabilität tut Wireless LANs gutDem stimmt Steve Schilling, President von Nortels Optical Ethernet Group, zu: "Optical Ethernet wird in einem Jahr in aller Munde sein", ist sich der Manager sicher. Nortel Networks kündigte auf der N+I Produkte an, die den Weg in diese Zukunft ebnen sollen. Dazu gehört ein neues 10-Gigabit-Ethernet-Zusatzmodul für den Routing-Switch "Passport 8600". Er soll sich damit in LAN-, MAN- und WAN-Umgebungen entweder als Hochgeschwindigkeitsanbindung für Server oder als direkte Verbindung zu den WAN-Switches der "Optera"-Reihe nutzen lassen. Ab dem vierten Quartal soll die Erweiterung zur Verfügung stehen, die Preise sind noch nicht bekannt. Auch für Carrier hat Nortel Neuigkeiten: Der Anbieter bereitet für diese Klientel eine spezielle Version des Passport 8600 vor, die über Einzel- und Doppelanschlüsse für 10-Gigabit-Ethernet und besonders hohe Switching-Kapazitäten verfügen soll.

Im Gegensatz zu der Zukunftsmusik um 10 Gigabit Ethernet und optische Netze sind drahtlose Netze bereits heute Realität. Funk-LANs auf Basis des Standards 802.11b des Institute of Electrical and Electronis Engineers (IEEE) umgibt inzwischen nicht mehr der Hauch des Exotischen. Immer mehr Unternehmen erkennen die Vorteile, die beispielsweise das Ausrüsten eines Konferenzraums mit einem drahtlosen Netzzugang schafft: Mitarbeiter können ihren Laptop-Rechner mit zur Besprechung bringen und haben ohne größeren Aufwand Zugang zu dort vorhandenen Netzressourcen wie Beamer oder Drucker. Entsprechend groß war die Nachfrage auf der N+I.

David Cohen, Chairman der Wireless Ethernet Compatibility Alliance (Weca), führt die steigende Popularität des Verfahrens nicht nur auf die Flexibilität zurück, sondern auch darauf, dass 802.11b-konforme Produkte den Benutzern mit maximal 11 Mbit/s inzwischen ausreichend Bandbreite bringen. Er unterstreicht zudem den Anteil von Weca am Erfolg der drahtlosen Technik. Die Non-Profit-Organisation testet die Produkte aller ihrer Mitglieder auf Interoperabilität und vergibt bei bestandener Prüfung das Wireless-Fidelity- (Wi-Fi-)Siegel. "Der Kunde kann sich also darauf verlassen, dass entsprechend gekennzeichnete Produkte auch wirklich keine Probleme im gemischten Betrieb machen", betont er. Seit dem Beginn des Programms im März 2000 haben über 110 Produkte von 43 verschiedenen Herstellern das Logo erhalten.

Die Analysten von Cahner''s In-Stat-Group glauben an den Erfolg der drahtlosen Netze. Sie gehen in ihrer jüngsten Untersuchung davon aus, dass der Gesamtumsatz mit Lösungen in diesem Bereich bis 2005 auf 4,6 Milliarden Dollar steigen wird. Das führen sie nicht zuletzt auf die Wirkung der Wi-Fi-Initiative zurück. Die wachsende Popularität wirkt sich auch positiv auf die Anschaffungskosten aus: Ab dem nächsten Jahr, so die Analysten, sollen die Preise für Adapterkarten und Zugangspunkte "deutlich und schnell" sinken.

Auf der Messe präsentierte eine ganze Reihe Hersteller neue drahtlose Lösungen. Dazu gehörte etwa 3Com, das in diesem Jahr keinen eigenen Stand auf der N+I hatte, sondern nur am Weca-Pavillon vertreten war. Der Anbieter zeigte eine neue 802.11b-Adapterkarte für Notebooks sowie einen Zugangspunkt für Wireless-LAN, der keine eigene Stromversorgung benötigt und statt dessen über das Netzwerkkabel mit der nötigen Energie versorgt wird. Das Produkt soll leicht einzurichten sein und sich daher besonders für den Soho-Bereich eignen.

Für die Zukunft gerüstet scheinen die Hersteller Enterasys Networks und Proxim. Enterasys präsentierte mit dem "Roamabout R2" eine Lösung, die den aktuellen Standard 802.11b unterstützt, aber über Zusatzmodule auf Technologien wie Bluetooth oder die bis zu 54 Mbit/s schnelle Funk-LAN-Variante 802.11a aufgerüstet werden kann. Laut Hersteller unterstützt der Roamabout mehrere hundert Verbindungen und verfügt über Routing- und Switching-Funktionen. Gegen Jahresende will Enterasys Erweiterungen für 802.11a bringen.

Turbo-Variante für Funk-LANs in SichtProxim kündigte an, sein Funk-LAN-System "Harmony" dahingehend zu erweitern, dass es beide 802.11-Varianten unterstützt und Netz-Managern sogar ermöglicht, die Verfahren gemischt zu benutzen. Ob das auch im Verbund mit den Lösungen anderer Hersteller funktionieren wird, ist eher fraglich. Weca-Mann Cohen zeigt sich noch zurückhaltend, was die anfänglichen Marktchancen der schnellen WLAN-Variante betrifft. Auf alle Fälle plant Weca, in Anlehnung an Wi-Fi ein ähnliches Programm zur Unterstützung von 802.11a zu starten, um die Interoperabilität zu gewährleisten und so der Unsicherheit der Anwender entgegenzuwirken.

MessetelegrammeAccess-Router von Cisco

Cisco Systems erweitert sein Router-Portfolio um das Modell "1751". Es handelt sich dabei um ein modular aufgebautes Zugangsgerät, das digitale Sprache, VPNs sowie virtuelle LANs nach dem Standard IEEE 802.1Q unterstützen soll.

Stromsparende Server

Intel und Compaq haben angekündigt, gemeinsam energiefreundliche Server zu entwickeln. Die neuen Geräte sollen auf Compaqs raumsparender "Quickblade"-Architektur aufbauen und mit dem stromsparenden "Tualatin"-Prozessor von Intel ausgerüstet werden

Novell verschenkt Directory

Um die Verbreitung von Applikationen zu fördern, die den Verzeichnisdienst "e-Directory" benutzen, hat sich Novell zu einer ungewöhnlichen Maßnahme entschlossen. Der Anbieter will Entwicklern, Geräteherstellern und unabhängigen Softwarehändlern das Tool in Zukunft kostenlos zur Verfügung stellen.