Lassen sich Geschäftsprozesse messen?

22.06.2005
Von 
Bernd Seidel ist freier Journalist und Coach in München.

Ähnlich äußerte sich René Louis, der für Business-Continuity-Management bei der Credit Suisse verantwortlich zeichnet: "Es wäre sehr schön, diese Durchgängigkeit zu haben, doch allein die Dokumentation des Ist-Zustands würde uns erschlagen." Auch Louis zieht ein pragmatisches Vorgehen vor. Einzelne Sparten oder Service-Level-Agreements, beispielsweise hinsichtlich der Antwortzeiten, sollten für Teilbereiche wie etwa Online-Banking festgelegt und überprüft werden: "Treten in diesen Sparten Abweichungen auf, können wir von der Strategieebene über die Prozesse bis hinunter zur IT schnell Veränderungen vornehmen."

Novartis-Manager Stanislaw Bukowiecki geht sogar noch einen Schritt weiter. Er stellte die Notwendigkeit in Frage, rasch und agil auf Veränderungen reagieren zu können. "Veränderungsfähigkeit ist nötig, ob allerdings in dem Tempo, wie es uns die Softwareindustrie derzeit weismachen will, ist fraglich." Es sei sicher schön, Störungen rasch zu erfassen und zu messen, räumte der Verantwortliche für Organisationsentwicklung und Change-Management ein, "doch wir als Pharma- und Chemiehersteller können oft gar nicht so schnell darauf reagieren." Angesichts von Produktionszyklen, die mehrere Monate dauern, seien eine Echtzeitanalyse sowie eine entsprechende Anpassung von Geschäftsprozessen und Informationstechnik überhaupt nicht nötig.

Bücher zum Thema

Rainer Alt und Hubert Österle: "Real-time Business - Lösungen, Bausteine und Potenziale des Business Networking", Springer Verlag, ISBN 3-540-44099-2: Das Unternehmen des Informationszeitalters muss vom Kundenprozess ausgehen, die Stärken verschiedener Online- und Offline-Absatzkanäle kombinieren und Echzeitprozesse mit seinen Supply-Chain-Partnern organisieren. Die Universität St. Gallen hat gemeinsam mit neun namhaften Unternehmen eine Architektur erarbeitet, mit der sich die Schritte auf dem Weg zum Netzwerkunternehmen gestalten lassen - auf den Ebenen Strategie, Prozess und System. Anhand dieser Architektur ordnen die Autoren verschiedene marktgängige Produkte und Technologien ein. 

Dr. Urban Laupper: "Wertorientierte Netzwerksteuerung", Haupt Verlag, ISBN 3-258-06831-3: Die IT-gestützte Vernetzung von Unternehmen verändert Wettbewerbsstrategien, Strukturen und Geschäftstransaktionen. Der Autor zeigt, zum Teil an Praxisbeispielen, wie Unternehmen in der vernetzten Ökonomie ihre Steuerungskonzepte weiterentwickeln sollten, um die Komplexität der globalen Wertschöpfungsketten in den Griff zu bekommen.

Bukowiecki plädierte daher für eine "Transparenz in Teilbereichen". Es müsse erst einmal untersucht werden, welche KPIs überhaupt Neartime-Entscheidungen benötigten. Novartis habe ein selbst entwickeltes System namens "E-SCM" im Einsatz, das via Portal unternehmensweit Business-Intelligence-Funktionen mit Informationen über das Geschäftsnetzwerk bereitstellt. "Diese Informationen sind zum Teil tagesaktuell - und das reicht völlig aus", so der Novartis-Manager.

Das Kreuz mit den KPIs