Landesverband Württemberg-Baden startet Pilotanwendung in Heidenheim:Flächendeckender AOK-Dienst mit 8100 Netz

12.12.1980

HEIDENHEIM (je) - An über 600 Bildschirmen, die wiederum an 25 "Satellit-Systemen" IBM 8100 angeschlossen sind, werden vom Jahre 1984 an die Versicherten des AOK-Landesverbandes Württemberg-Baden eine umfassende Beratung erhalten können und die mit der konventionellen Organisationsform verbundenen leidigen Warteschlangen vor den Schaltern der Vergangenheit angehören. Ob diese Vision Wirklichkeit wird, hängt zunächst einmal vom Ergebnis des Pilotlaufs ab, der jetzt bei der AOK Heidenheim angelaufen ist und bis Mitte 1981 dauern soll.

Der AOK-Landesverband betreibt für seine 25 Mitgliedskassen im Bereich der Regierungsbezirke Stuttgart und Karlsruhe das größte Gemeinschaftsrechenzentrum der Ortskrankenkassen im Bundesgebiet. Bei einer Datenspeicherung für rund vier Millionen Personen, einer Kontenführung für etwa 86 000 Arbeitgeber und der Verwaltung des Beitragseinzugs von zirka zwölf Milliarden Mark pro Jahr im zentralen Rechenzentrum, hätte ein Online-Anschluß der vorgesehenen 600 Bildschirmarbeitsplätze nach Einschätzung des Landesverbandes Risikofaktoren für die Betriebssicherheit mit sich gebracht, die zuwenig kalkulierbar schienen oder nur mit hohem Kostenaufwand zu reduzieren gewesen wären. Der Landesverband hat sich deshalb 1976 grundsätzlich für eine teilweise Verlagerung der Computerintelligenz an den Ort des Bedarfs und für den Betrieb lokal begrenzter Bildschirmnetze entschieden. Nach einer beschränkten öffentlichen Ausschreibung wurde 1979 IBM mit der schrittweisen Lieferung eines Informationssystems mit 25 Satellit-Rechnern des Typs 8100 zum Anschluß an das zentrale Verbandsrechenzentrum in Stuttgart beauftragt.

Zentrale Verarbeitung

Seit kurzem findet bei der AOK Heidenheim der Pilotlauf dieses Systems statt; nach Abschluß des Pilotlaufs etwa Mitte 1981 sollen die restlichen AOKs im Bereich des Landesverbandes die Satellit-Konzeption schrittweise übernehmen. Wesentlich an der Arbeitsweise des Satellit-Konzeptes ist, daß Verarbeitung im üblichen Sinne nur zentral stattfindet, ein Erfassungsvorgang verändert die dezentralen Datenbanken also nicht unmittelbar.

Nach der Verarbeitung eines Erfassungsvorganges im zentralen System liefert dieses einen vollständig neuen Auszug des jeweilig betroffenen Datenbanksatzes, der dezentral dann automatisch überschrieben wird. Bis zum Eingang dieser Information im Satelliten bleibt der ursprünglich auslösende Vorgang im sogenannten Erfassungspool und ist dort abfragebereit.

Dieses Verfahren hat den Vorteil, daß in dem Satelliten auf die Datensicherung der Bestände (mit Ausnahme des Erfassungspools) verzichtet werden kann. Die dezentralen Bestände werden periodisch vollständig erneuert und können im Bedarfsfall auch jederzeit zentral erstellt und über DFÜ-Leitungen oder mit Disketten physisch übertragen werden.

Reduzierte Störanfälligkeit

Das Stuttgarter Zentralsystem, mit einer /370-158 sowie einer 3031 mit zusammen vier MB, führt die rechenintensiven integrierten Verarbeitungen der von den Satelliten gelieferten Daten durch. Diese Verarbeitung vollzieht sich im Stapelbetrieb.

Ein Ausfall der zentralen Rechner oder Störungen der Übertragungswege führen somit nicht zum Zusammenbruch des gesamten Systems, sondern bewirken lediglich eine Verzögerung im zentralen Betriebsablauf. Betriebs- oder Leitungsstörungen eines Satelliten bleiben auf das Gebiet der jeweiligen AOK beschränkt.

Am Ende der Tagesarbeit der Satellit-Systeme werden die erfaßten Daten für die Datenübertragung zum zentralen System bereitgestellt und von dort noch am gleichen Abend abgerufen. Im Gegenzug überträgt das zentrale System die Datenbankauszüge (Stapelübertragung per Wählleitung).

In den Satelliten sorgen nun zentralseitig angestoßene Programme dafür, daß bis zum nächsten Morgen die Datenbankauszüge in der jeweiligen Datenbank ausgetauscht oder in sie eingefügt werden. Gleichzeitig werden die Erfassungssätze im Erfassungspool gelöscht.

Am nächsten Tag verarbeitet des zentrale System die übertragenen Daten. Am Ende der zentralen Tagesverarbeitung beginnt der geschilderte Zyklus erneut.

Grundlage für das Satellit-System and den Bildschirmeinsatz ist das bundeseinheitlich (weiter) entwickelte AOK-Programmpaket "Informations- und Datenverarbeitungssystem" (IDVS II). Einheitlich ist das Betriebssystem DPXX der Satelliten sowie der weitgehend automatisierte Betriebsablauf. Unterschiedlich bei den einzelnen AOKs - entsprechend den jeweils anfallenden Datenmengen - sind die Rechner hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit und Plattenkapazität sowie der Anzahl der angeschlossenen Bildschirme und Drucker ausgestattet.

Während für die Produktion im Zentralsystem IDVS II uneingeschränkt und unverändert zum Einsatz kommen kann, mußten für die Datenerfassung und die Bildschirmabfrage die erforderlichen Programme erste neu konzipiert und erstellt werden. Insgesamt waren dies für die Datenerfassung 142, für die Bildschirmabfrage 48 Programme. Darüber hinaus waren Lösungen für Aufbau und Aktualisierung der dezentralen Bestände zu erarbeiten und die softwaretechnischen Voraussetzungen für die Durchführung der Datenübertragung zu installieren.

Die Entwicklung dieser gesamten "dezentralen" Software geschah in Zusammenarbeit zwischen dem AOK-Landesverband sowie IBM und der Stuttgarter Unternehmensberatung UDF Dr. Fischer GmbH.

Als Programmiersprache für die 8100 wählte man Cobol. Zur Unterstützung bei der Programmentwicklung wird im Zentralsystem das Softwarepaket HDT-Cobol (Host Development Testsystem) eingesetzt, zu einem späteren Zeitpunkt auch das Anwendungsentwicklungs-Paket DMS (Development Management System).

Technik ein Gegenstand der Politik

Die Verbindung zu den Satellitsystemen wird durch Einsatz von VTAM-NCP, der SNA-Software von IBM, im Zentralsystem gewährleistet. SNA ist die Basis für die Daten-Kommunikation im Netzverbund. Die dezentrale Datenbestandspflege und die Steuerung des Auskunftssystems erfolgt durch die Datenbankverwaltungs-Software DTMS unter DPPX.

Bundesminister Volker Hauff, der als Festredner nach Heidenheim gekommen war, betonte in seiner Ansprache: "Die technische Entwicklung ist kein naturgesetzlicher Prozeß, die technische Entwicklung ist politisch gestaltbar." Dabei gelte es allerdings, Entscheidungen auch dann zu treffen, wenn noch nicht alle Entscheidungsgrundlagen genau vorlägen.

Hauff appellierte an die Anwesenden, bei der Arbeit mit dem neuen System darauf zu achten, daß die Technik nicht immer der alles entscheidende Faktor sei.