Software für Warenwirtschaft/Integriertes Warenwirtschaftssystem auf Basis von R/3

Landesbank wickelt Planung der DV-Investitionen mit einem Team ab

03.12.1998
Die Bayerische Landesbank stellt die Planung, Beschaffung, Verwaltung und Entsorgung von DV-Investitionen auf ein integriertes System um. Zuständig für alle DV-Investitionen ist ein Team. Franz Edholzer* schildert Projekt und Vorgehen.

Die Abwicklung der von vielen dezentralen Stellen der Bank ausgelösten Bestellanforderungen wurde bisher hinsichtlich der Anforderungsmedien, Genehmigungsverfahren und Systemunterstützung sehr unterschiedlich gehandhabt. Deshalb sollte nun ein durchgängiger DV-gestützter und prozeßorientierter Arbeitsablauf konzipiert und implementiert werden, in dem alle Phasen des Lebenszyklusses der verwalteten DV-Systeme, zum Beispiel die zirka 4000 PC-Systeme der Bank, Berücksichtigung finden.

Durch Einführung eines integrierten Warenwirtschaftssystems wurden folgende Ziele angestrebt:

- Verkürzung der Beschaffungszeiten,

- höhere Transparenz des Anforderungs- und Bestellwesens,

- Vermeidung redundanter Datenerfassung,

- Steigerung der Produktivität der Arbeitsabläufe sowie

- Verbesserung bei der Lieferantenauswahl und -beurteilung.

Die Frage, wie sich der Umstieg bewerkstelligen ließe, sollte die Innobis Unternehmensberatung und Software GmbH klären. Sie erstellte eine Expertise. Da bei der Bayerischen Landesbank bereits die SAP-Module Finanzbuchhaltung (FI) und Controlling (CO) produktiv im Einsatz waren, bot sich SAP R/3 als einheitliches unterstützendes Werkzeug für alle Prozesse an.

In Zusammenarbeit mit dem SAP-R/3-Service der Bayerischen Landesbank wählte man eine prototypische Vorgehensweise, um schnell zu nutzbaren Ergebnissen zu kommen und Erfahrungen aus der praktischen Anwendung in den folgenden Projektphasen zu berücksichtigen.

Der Erfolg dieser Strategie zeigte sich darin, daß bereits drei Monate nach Projektbeginn die Investitionsplanung mit Unterstützung des neuen Systems durchgeführt werden konnte. Durch die prototypische Vorgehensweise mußten auch bewußt einige Nachteile in Kauf genommen werden (siehe Grafik auf Seite 64).

Das Konzept ging von vier Phasen aus: Investitionsplanung, Beschaffung, Verwaltung und Entsorgung sowie Konsolisierung und Workflow.

Erste Phase: Den ersten Schritt innerhalb der Wertschöpfungskette stellt die Investitionsplanung dar, bestehend aus Erfassung, Bewertung und Analyse von DV-Investitionsanforderungen aller Bereiche der Bank im Rahmen der jährlichen Ressourcenplanung. Für die speziellen Anforderungen der Bayerischen Landesbank - hinsichtlich der Planung von Budgets und Materialien - reichte die Standardfunktionalität des SAP-R/3-Systems nicht aus.

Dieses Problem wurde dadurch gelöst, daß Innobis ein Add-on zum Standard-SAP-R/3-System entwickelte. Mit dem derart erweiterten Investitions-Management (EIM) läßt sich die Planung der Bayerischen Landesbank erfassen, bewerten und analysieren.

Im EIM kann eine beliebig komplexe Budgethierarchie abgebildet werden. Auf jeder Stufe findet eine kostenarten- und periodengenaue Verdichtung der Planwerte statt. Genehmigte Budgets müssen lediglich auf der obersten Ebene der Budgethierarchie vergeben werden, optional lassen sich auch auf allen anderen Budgetknoten genehmigte Werte eingeben. Die verdichteten Planwerte können flexibel in Objekte des Standard-SAP übertragen werden. Es wurden Schnittstellen zum Investitions-Management (IM), Controlling (CO) und dem Projektsystem (PS) realisiert.

Um in der Investitionsplanung und vor allem in der späteren Beschaffung zu einer Standardisierung der Produkte zu kommen, werden im SAP-R/3-Modul Materialwirtschaft (MM) Katalogmaterialien definiert, die das Planungsmodul verwendet.

Die erste Phase wurde mit der Realisierung der Investitionsplanung im Oktober 1997 abgeschlossen. Damit war es bereits drei Monate nach Projektstart möglich, die Ressourcenplanung für 1998 im System zu erfassen und auszuwerten. Es ließen sich nicht nur detaillierte Angaben zu den Planwerten je Organisationseinheit und Kostenart machen, sondern auch exakte Prognosen über die zu beschaffenden Materialien und Mengen erstellen.

Zweite Phase: In der zweiten Phase wurde das eigenentwickelte EIM-Modul funktional erweitert, um die Investitionsanforderungen im System einzustellen und die Budgetprüfung einschließlich der Obligoverwaltung abzubilden. Dabei erzeugt das Modul direkt aus den erfaßten Planungen die Bestellanforderungen und Bestellungen im SAP-R/3-Modul MM. Verwendete man in der Planung Stücklisten, werden diese automatisch in die bestellrelevanten Komponenten aufgelöst.

Durch die Koppelung von Planung und Bestellanforderung wird ein qualitatives Investitions-Controlling möglich. Am System läßt sich nachvollziehen, welche Bestellungen auf Basis welcher Planungen ausgelöst wurden. Des weiteren wird verhindert, daß eine geplante Investition mehrmals abgerufen wird.

Die Rechnungsbuchung wird durch die SAP-Standard-Funktionalität unterstützt, indem Kontierungsvorschläge automatisch erzeugt werden. Die Buchung der Budget-Ist-Auslastung im Controlling wird automatisch durch das Add-on vorgenommen.

Über die EIM-Anwendung hat der anfordernde Unternehmensbereich der Bank über eigene Info-User die Möglichkeit, sich über die aktuelle Budgetauslastung zu informieren. Bereits angeforderte, aber noch nicht gelieferte Wirtschaftsgüter werden berücksichtigt und getrennt ausgewiesen. Zu jeder Planung im System kann der Belegfluß aufgerufen werden, um zu überprüfen, welcher Bearbeitungsstand erreicht ist.

Die zweite Phase endete mit der Realisierung der Beschaffung im Januar 1998. Die Verwendung von Katalogmaterialien mit der damit verbundenen Standardisierung führte zu einem deutlichen Produktivitätszuwachs im DV-Einkauf der Bayerischen Landesbank. Die Einarbeitung neuer Mitarbeiter wurde vereinfacht. Die Integration von Beschaffung und Anlagenbuchhaltung führte zu einer qualitativen Verbesserung der Aussagefähigkeit des Systems.

Mitarbeiter teilweise stark belastet

Parallel mit der Einführung dieser Phase fand der unternehmensweite Windows-NT-Rollout statt. Zum einen bedeutete dies, daß die involvierten Mitarbeiter im DV-Einkauf auch von dieser Aktivität zeitlich sehr stark in Anspruch genommen wurden. Zum anderen verlangte die Vielzahl notwendiger Beschaffungen, schnell zusätzliche Funktionen bereitzustellen, die eine effektivere Einkaufsabwicklung zulassen.

Dritte Phase: In der dritten Phase nutzt man die Informationen aus der Planerfassung, um die Stücklisten der Equipments im Instandhaltungsmodul (PM) anzulegen. Ohne manuelle Eingriffe werden damit die technischen Konfigurationen von Neuinvestitionen im System hinterlegt. Gleichzeitig werden über dieselbe Oberfläche Funktionen für technische Erweiterungen, Austausch und Umzug realisiert. Durch die Integration von Instandhaltung (PM), Anlagenbuchhaltung (FI-AA) und Beschaffung (EIM/MM) wird Transparenz im Investitions-Management hergestellt.

Die Kostenkontrolle wird deutlich erhöht, da die Verwaltung aller Serviceverträge und Softwarelizenzen mit Bezug auf jedes einzelne Equipment möglich wird.

Die Erfassung der Planungen wird in dieser Phase auf eine dezentrale Bearbeitung umgestellt, so daß jeder Unternehmensbereich seine Ressourcenplanung selbst am R/3-System vornehmen kann. Zur Unterstützung der dezentralen Anwender dienen Internet-Browser-Oberflächen für die Planungserfassung, die Anforderung und die Bestellflußkontrolle. Diese Phase wird Mitte 1999 beendet sein.

Vierte Phase: SAP-R/3-Workgroup-Tools unterstützen alle beteiligten Prozesse. Auch die Wartungs- und Instandhaltungsabläufe werden im Modul PM abgebildet. Alle Aktivitäten, die sich auf Investitionsgüter beziehen, finden ihren Ursprung in betriebswirtschaftlichen Vorgängen und müssen sich auf geplante Budgets im EIM beziehen.

Die Integration des Warenwirtschaftssystems in der SAP-R/3-Umgebung wird in dieser Phase um Schnittstellen zu den technischen Systemen, des Netzwerk- und Konfigurations-Managements ergänzt. Am Ende dieser Phase bildet das EIM-Modul die Klammer für alle Prozesse des Investitions-Managements, verbindet die Funktionen innerhalb der Prozeßkette und stellt eine gemeinsame Datenbasis für die Kommunikation mit Drittsystemen bereit. Der Abschluß der vierten Phase ist für Ende 1999 vorgesehen.

Zum Einsatz kommen die SAP-Standardmodule Materialwirtschaft (MM), Instandhaltung/ Service-Management (PM/SM), Finanzbuchhaltung (FI), Controlling (CO) und das Investi- tions-Management (IM) in unmodifizierter Form. Das Add-on Erweitertes Investitions-Management (EIM) stellt keine massive Eigenentwicklung dar, sondern verknüpft vorhandene Funktionen im Standard-SAP. Das EIM wurde vollständig mit SAP-R/3-Entwicklungswerkzeugen erstellt und nutzt die Business Application Programming Interfaces (BAPI) von SAP, um Release-unabhängig zu werden.

Die weitgehende Konfigurierbarkeit ist über Customizing-Tabellen gewährleistet. Änderungen in den Abläufen lassen sich so mit geringem Aufwand in der Anwendung nachvollziehen.

Vorgehensweise hat sich bewährt

Das Add-on ist mandanten- und mehrwährungsfähig. Bereits während der Entwicklung wurde die Einführung des Euro berücksichtigt. Ein flexibles mehrstufiges Berechtigungskonzept unterstützt die Dezentralisierung von Investitionsplanung und -anforderung. Die wichtigsten Dialoge für die dezentrale Bearbeitung können wahlweise mit der SAP-Oberfläche oder über einen Internet-Browser bedient werden.

Problematisch war die Tatsache, daß die Entwicklung in einem SAP-Release 3.0F erfolgte, das Zielsystem bei der Bayerischen Landesbank sich jedoch noch auf dem Release-Stand 3.0C befand. Das Transportsystem im SAP R/3, mit dem die Software-Übertragung zwischen den R/3-Systemen realisiert wird, erwies sich dabei als nicht abwärtskompatibel. Manuelle Nachbearbeitungen durch das Projektteam waren notwendig, um die Release-Unterschiede auszugleichen. Mit dem Wechsel auf das neue Release 4.0B auf beiden Systemen ergeben sich diese Probleme nicht mehr.

Resümee: Die gewählte prototypische Vorgehensweise hat sich bewährt. Systemfunktionen ließen sich frühzeitig nutzen. Durch eine flexible Aufgabensteuerung während der einzelnen Projektphasen waren Schwerpunkte neu setzbar, indem beispielsweise eine vollständige Integration in die Anlagenbuchhaltung (FI-AA) und eine automatisierte Bestellabwicklung bereits zur Phase zwei realisiert wurden, um damit eine beschleunigte Bearbeitung zu ermöglichen, während andere Funktionalitäten (etwa Equipment-Verwaltung) nach gemeinsamer Absprache zurückgestellt wurden. Rückblickend muß jedoch auch gesagt werden, daß diese Einführungsstrategie einen hohen Kommunikationsbedarf erzeugt und von allen Projektmitarbeitern Flexibilität, Initiative und Problembewußtsein verlangt.

Bereits in den ersten beiden Projektphasen ließen sich mehrere Ziele realisieren:

- Vermeidung redundanter Datenerfassung,

- komfortable Budgetverwaltungsfunktionalität,

- Übersicht über Budgetauslastung (wert- und mengenbezogen),

- Obligoverwaltung (Budgetverbräuche werden bereits vor dem Rechnungseingang berücksichtigt),

- Vereinfachung und Automatisierung des Bestellvorgangs im SAP-R/3-Standardsystem.

Und: In den Monaten Februar bis Mitte April 1998 konnten bereits zirka 1350 Bestellungen (inklusive technischer Prüfung und Beratung) für über 7500 einzelne Materialien und ein Bestellvolumen von zirka 4,5 Millionen Mark abgewickelt werden.

Die Ergebnisse zeigen, daß mit dieser Einführungsstrategie und einem motivierten Team nicht nur die Einführung von SAP R/3 innerhalb relativ kurzer Zeit möglich ist. Die Standardsoftware konnte gleichzeitig um relevante Funktionen erweitert werden.

Der Umstieg von SAP Release 3.0C auf 4.0B im Sommer dieses Jahres hat bewiesen, daß die Konzeption der Eigenentwicklung EIM diesen kritischen Punkt entschärft hat.

Angeklickt

Die Herausforderung der Bayerischen Landesbank bestand darin, die gesamte Wertschöpfungskette des Investitions-Managements, angefangen bei der Planung über die Beschaffung und Verwaltung bis zur Entsorgung von Investitionsgütern, ohne Systembrüche abzubilden. Die Standardsoftware stellt die geforderten Funktionalitäten zur Verfügung. In einer speziellen Expertise wurde jedoch deutlich, daß im Bereich des qualitativen Investitions-Controllings noch Mängel bestehen. Auch sind zwischen den einzelnen Prozeßschritten viele manuelle Tätigkeiten notwendig, die sich mit geringem Aufwand automatisieren lassen. Deshalb hat die Bank den Vorschlag des externen Beratungsunternehmens Innobis angenommen, mit einer Eigenentwicklung die vorhandenen Funktionen des Standard-SAP-R/3 zu verknüpfen und insbesondere im Planungsprozeß durch neue Funktionen zu ergänzen.

*Franz Edholzer ist bei der Bayrischen Landesbank Projektleiter für die konzernweite Einführung von SAP R/3.