LAN und TK-Anlage wachsen zusammen

LAN und TK-Anlage wachsen zusammen Ein unschlagbares Duo zum Telefonieren

20.03.1998

Eine Sekretärin für 90 Chefs?Was vor kurzem noch nach Science Fiction klang, ist im bayerischen Freilassing bereits Büroalltag.Das Freilassinger Business Center HQ vermietet gegen Monatspauschalen nicht nur Büros mit kompletter Infrastruktur inklusive Telefonnummern, sondern auch "Human-Power" und Telefonservice.Dieses "Rent-an-Office"-Angebot ist besonders für outgesourcte Vertriebslösungen, oder ähnliche Unternehmen mit hohem Telefonaufkommen interessant.

Ermöglicht wird dieses Office-Sharing durch Telefonielösungen wie der "Computer Telephony Integration" (CTI).Im Prinzip handelt es sich hierbei um nichts anderes als die intelligente Verbindung der bisher eigenständigen TK-Anlage mit dem Local Area Networks (LAN).Dank dieser Verknüpfung zwischen DV- und TK-Welt wird den HQ-Sekretärinnen auf dem PC-Monitor signalisiert, für welche Firma des Business Center der Anruf bestimmt ist.Wenn der Anrufer außerdem in einer Datenbank gespeichert ist, können sich die Telefonistinnen nicht nur mit dem korrekten Firmennamen melden, sondern erhalten gleichzeitig detaillierte Informationen über den Gesprächspartner.

CTI-Lösung nutzt vorhandenes Equipment

Die CTI-Lösung bei HQ baut auf der vorhandenen Infrastruktur von LAN und TK-Anlage auf.Dazu kommen drei weitere Komponenten: die "Netware Telephony Services" von Novell, die auf Netware-Servern ab Version 3.x läuft, ein passender Treiber und eine Steckkarte zur Anbindung der Nebenstellenanlage an den LAN-Server.Darauf setzen schließlich die Telefonie-Applikationen als Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine auf.Bei HQ fiel im Frühsommer 1997 die Wahl des CTI-Systems auf die Software "Phonetic".Sie stammt von der Münchner Firma ESP, einem Partner von Bosch Telecom.HQ-Geschäftsführer Ludwig Braum war schon nach einer kurzen Anlaufphase mit dem "unternehmenskritischen Aspekt" Telefonie zufrieden.Die Angestellten würden merklich entlastet.

Einen weiteren Vorteil verspricht die geplante Automatisierung der Informationsverarbeitung.Während derzeit entgegengenommene Anrufe auf Zettel notiert werden, soll dies in Zukunft durch Bildschirmeingaben erfolgen.Davon erhofft sich Braum eine Halbierung des Arbeitsvolumens seiner Mitarbeiterinnen.Über den integrierten Mail-Server laufen die Mitteilungen dann automatisch an die Kunden weiter, je nach Vorgabe als E-Mail oder Fax. Außerdem soll Braums Klientel künftig via Internet auf die in der Datenbank gespeicherten Anrufe zugreifen können.

Bislang waren derartige Lösungen den jeweiligen Firmen auf den Leib geschneidert.Die proprietären Systeme stellten eine beachtliche Investition dar und kamen deshalb nur für große Unternehmen in Frage.Seit jedoch die European Computer Manufacturers Association (ECMA) den Standard Computer Supported Telephony Applications (CSTA) verabschiedet hat, sind CTI-Lösungen auch für kleinere Unternehmen interessant und bezahlbar.Der CSTA-Standard schafft über den ISDN-SO-Bus eine Verbindung zwischen Telefonie-Server und TK-Anlage.Während der Telefonie-Server am gleichen LAN hängt wie die Arbeitsplatzrechner, führen die Ausgänge der Nebenstellenanlage zu den Telefonapparaten.Der CSTA-Link verbindet letztlich den Arbeitsplatz-Computer mit dem Telefon jedes vernetzten Mitarbeiters.In Ergänzung zu CSTA hat Novell für die "Netware Telephony Services" das Telephony Services Application Programming Interface (TSAPI) entwickelt.Auf TSAP-Basis können Entwickler nun Telefonie-Applikationen für verschiedene Betriebssysteme erstellen.

Für die Anwender hat diese Standardisierung den Vorteil, daß sie sich eine Telefonielösung von der Stange zu einem vernünftigen Preis einrichten können. Gewöhnlich erfüllt eine solche Standardkonfiguration bereits die meisten Anforderungen.Ohne übermäßigen zusätzlichen Aufwand kann daraus aber auch ein Maßanzug werden, denn selbstverständlich lassen sich weitere spezifische Funktionen, Schaltungen und Zusatzmodule einrichten.Allerdings setzt dies voraus, daß sich die Hersteller der verschiedenen Komponenten an die Standards halten und keine proprietären Erweiterungen vornehmen.

Verbesserte Präsentation am Telefon

Mit einem kalkulierbaren Aufwand sind so Unternehmen in der Lage, ihre Präsentation gegenüber den Kunden am Telefon zu verbessern.Geldwerte Vorteile resultieren bei diesem Ansatz daraus, daß sich das vorhandene LAN sowie die existierende TK-Anlage weiter nutzen lassen, wenn der Hersteller dafür entsprechende Treiber bereitstellt.

Im Gegensatz zu anderen Lösungen, die auch den Sprachverkehr über das Datennetz abwickeln, ist bei CTI keine Erweiterung der LAN-Kapazität notwendig, da die Telefonverbindungen nach wie vor über die TK-Anlage laufen. Das LAN steuert sie lediglich.In der Praxis bedeutet dies auch, daß CTI keine neuen Endgeräte an den Arbeitsplätzen erfordet.Die einzelnen Terminals oder Workstations können ebenso beibehalten werden wie die Telefonapparate.Bereits getätigte Investitionen in die Infrastruktur gehören somit nicht plötzlich zum alten Eisen.Nur der Umgang mit den Telefonie-Applikationen ist zu erlernen.

Mitarbeiter sind besser zu erreichen

Im praktischen Einsatz bietet ein CTI-System Vorteile: Mitarbeiter sind besser zu erreichen, die Flexibilität des Unternehmens steigt und erhöht so die Dienstleistung gegenüber dem Kunden.Man stelle sich nur den Service eines DV-Systemhauses vor.Ein hilfesuchender Kunde wählt die zentrale Servicerufnummer.Noch bevor der Anruf entgegengenommen wird, erscheinen auf dem Bildschirm der Service-Abteilung Name und Adresse des Kunden.Zusätzlich erhält der Sachbearbeiter Daten über die Konfiguration der DV-Anlage beim Kunden und Informationen über aufgetretene Probleme in der Vergangenheit. Ebenfalls vorstellbar ist, daß das CTI-System den Anrufer direkt mit dem Service-Mitarbeiter verbindet, der auf die verwendete DV-Anlage spezialisiert ist.

Von den Vorteilen der CTI-Lösungen ist auch Hersteller Bosch Telecom überzeugt, der selbst Komponenten liefert.In der Augsburger Vertriebsniederlassung von Bosch Telecom bildet eine TK-Anlage aus dem eigenen Hause zusammen mit Netware und Phonetic einen CTI-Verbund.Die Augsburger Dependance des in Frankfurt angesiedelten Unternehmens beschäftigt rund 80 Mitarbeiter.Davon sind etwa ein Dutzend im Außendienst, doppelt so viele im Innendienst tätig.Der Rest arbeitet in den Bereichen Technik und Service.

Früher standen die Innendienstmitarbeiter oft vor dem Problem, daß die Daten neuer Kunden in der Niederlassung bei einem Anruf noch nicht verfügbar waren. Aufgrund fehlender Informationen konnte dem Anrufer oft nicht geholfen werden. Seit der Phonetic-Einführung übermitteln die Außendienstler jeden Abend die aktuellen Daten über Neukunden, Abschlüsse etc. an die Augsburger Datenbank. Ruft der Kunde an, erscheint, noch bevor der Hörer abgenommen wird, sein Datenblatt mit allen Informationen.

Gleichzeitig wissen nun auch alle Mitarbeiter, wo sich ihre Kollegen gerade aufhalten.Phonetic zeigt in einem für alle einsehbaren Verzeichnisbaum mit kleinen Symbolen an, ob sich ein Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz bei dem Telefonieprogramm angemeldet hat.Wer seinen Schreibtisch verläßt, kann entweder seinen Apparat per drag and drop auf das Sekretariat umstellen oder via voreingestellter Rufumleitung dafür sorgen, daß ein Kollege das Gespräch annimmt.

Bei einem umgeleiteten Anruf, der im Sekretariat eingeht, meldet das Programm nicht nur Anrufer und Angerufenen, sondern auch eventuelle angefügte Notizen, etwa: "Ich bin bis zirka 16.30 Uhr auf Kundentermin."Das Sekretariat kann diesem Anruf wiederum Notizen hinzufügen, beispielsweise: "Der Kunde hat noch Fragen und erwartet sofortigen Rückruf."Das ermöglicht es nun einem Außendienstmitarbeiter, anzurufen, nach eingegangenen Anrufen zu fragen und sich seine Notizen per E-Mail über die Messaging-Application-Programming Interface-(MAPI-) Schnittstelle zuschicken zu las-sen.

Die Vorteile der CTI-Funktionen liegen auf der Hand.Bestimmte Anrufer respektive anrufende Nummern lassen sich automatisch wegleiten beziehungsweise abweisen, was mitunter viel Nerven und Zeit sparen hilft.Auf der anderen Seite können besonders wichtige Anrufer zu allen Zeiten auf das private oder mobile Telefon geschaltet werden.

Gereon Theurer ist freier Journalist in Filderstadt..