LAN: Slow is beautiful

13.05.1983

Nachdem die Bildschirmtext-Euphorie etwas abgeebbt ist, erleben wir zur Abwechslung gerade wieder einen Boom an LAN-Veranstaltungen. Und was das Neue an derartigen Insidertreffen ist: Unter den Referenten, die sich zum Thema "Local Area Networks" äußern, befinden sich jetzt auch DV-Organisatoren aus Anwenderkreisen.

Tatsächlich halten sich die Hersteller mit lauten Pro-LAN-Parolen merklich zurück, seit ihnen der Schiedsrichter "Markt" die gelbe Karte gezeigt hat - wegen Meckern ürigens, nicht - wie des öfteren kolportiert wurde - wegen wettbewerbsfeindlichen Verhaltens. Das war zwar nicht immer gerade fein, was da zwischen den Interessengruppen im Vorfeld der Normierung passierte (Haust Du mein Wankten, hau ich Dein Ethernet!) - doch der ganze Rummel um Topologien und Zugriffsverfahren ging an den potentiellen Benutzern weitgehend vorbei. Wesentlich mehr stört die LAN-lnteressenten, daß einige Hersteller, allen voran Xerox, das LAN-Einführungstempo partout diktieren wollten, in der Unschlüssigkeit der Benutzer den Grund für den LAN-Verzug sahen. "Wer jetzt nicht den Grundstein legt für das Büro von morgen", schulmeisterten die LAN-Produzenten, "der wird übermorgen zu den Kommunikationsfrührentnern gehören." Konkreter Tip: "Kauft heute, Leute, grüner wird's nicht!"

Solche Bevormundung ließen sich die Anwender nicht so gerne gefallen. Sie stellten sich bockbeinig, hatten es allerdings auch relativ leicht, das Haar in der Suppe zu finden: Als "multifunktionale Workstationen" waren die angebotenen Endgeräte nur bedingt tauglich. An dieser Tatsache hat sich im Prinzip nichts geändert. Man zeige uns das LAN-Produkt, das heute schon all das leistet, was der Anwender tatsächlich braucht. Und doch ist in der LAN-Szene idyllische Ruhe eingekehrt. Die Käufer sind es leid, ständig zu jammern - und die Anbieter haben gelernt, daß sich in Sachen Büroautomation nichts übers Knie brechen läßt. So wird die LAN-Einführung auf Umwegen vollzogen, nicht frontal gegen die zukünftigen Benutzer. Da wird hier ein Mikro-Netzchen gestrickt, dort ein Textverarbeitungsverbund installiert. Oft genug kommt es wohl noch vor, daß die Geräte nicht zusammenpassen, doch die LAN-Piloten lassen sich dadurch nicht entmutigen. Man gibt sich eben auch mit Teillösungen zufrieden, mit Schritt-für-Schritt-Verbesserungen, solange das Licht am anderen Ende des Tunnels sichtbar bleibt. Ehrgeizige Netzwerk-Vorhaben werden so auf den Weg gebracht, ohne daß ein DV-Organisator um sein Image fürchten müßte. Im Gegenteil: Die meisten DV-Chefs sind froh, daß sie jetzt von den Erfahrungen der LAN-Pioniere profitieren können. Welche Vorarbeiten zu leisten sind, beschreiben Positionspapiere, die in Netzwerk-Workshops kursieren. Projektberichte liegen vor, die echte LAN-Lebenshilfe bieten.

An Vorschlägen, wie die DV-Organisation "Infrastrukturen" im Bereich der Informationsbeschaffung, -verarbeitung und -weitergabe verändern sollte, um einen Rahmen zu schaffen für Netzwerk-lnvestitionen, mangelte es zwar nie. Aber das war alles zu akademisch, lebte von der Utopie, nicht vom Praxisbezug. Lange genug waren die LAN-Apostel dem Wechselbad von Hoffnung und Skepsis ausgesetzt. Keine Frage: Ein gewisses Maß an Unsicherheit wird weiterbestehen. Doch nun kommt Leben in die Bude. Wichtig: Die LAN-Hersteller überlassen es dem Anwender, das eine oder das andere zu tun. Und auch dies stimmt zuversichtlich: Ersichtlich nimmt die DV-lndustrie den Mund nicht mehr so voll, wenn es um die Realisierung komplexer Netzwerke geht. LAN-Motto '83 "SIow is beautiful."