Netzwerk-Betriebssysteme

LAN Manager vs. Netware: Knapper Punktsieg für Novell

05.07.1991

Bis vor kurzem hatte Novell mit den Netzwerk-Betriebssystemen Netware 286 und Netware 386 Produkte am Markt, deren Features ohne Konkurrenz waren.

Auch der LAN Manager 1.x konnte an diesem Status nicht rütteln. Mit der Entwicklung des LAN Managers 2. 0 ist die Vormachtstellung von Novell jedoch, gebrochen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der neuesten Versionen skizziert

Der größte Unterschied zwischen Netware und LAN Manager liegt darin, daß Netware im Gegensatz zum LAN Manager ein eigenständiges Betriebssystem ist. Der LAN Manager setzt als Applikation auf dem Betriebssystem OS/2 auf. Die Philosophie, die sich dahinter verbirgt, hat ihre Vorteile, aber auch wesentliche Nachteile. Ein Vorteil ist sicherlich, daß Netware keinen zusätzlichen Overhead und damit verbunden Performance-Einbußen hinnehmen muß, da das Netzwerk-Betriebssystem auf keinem Träger-Betriebssystem basiert und somit die gesamte Verwaltung der Hardware und Peripherieeinheiten optimiert durchfuhren kann. Es ist eine altbekannte Tatsache, daß Träger-Betriebssysteme einen Teil der CPU. Leistung dafür benötigen, um sich selbst verwalten zu können.

Novell als Hersteller von Netware kann sein System somit optimal auf die Hardware-Umgebung abstimmen, ohne sich da. bei um ein anderes Betriebssystem auf der Maschine kümmern zu müssen. Man besitzt somit die vollen Möglichkeiten der Hardwarefunktionalitäten die in das Netzwerk-Betriebssystem integriert werden können. Novell nutzte diese Vorteile bereits bei seinen ersten Netware. Produkten und ist dieser Linie auch immer treu geblieben. Der LAN Manager hingegen läuft als normale Applikation unter dem Betriebssystem OS/2 und kann letztendlich nur die Möglichkeiten der Hardware nutzen, die ihm durch das Träger-Betriebssystem OS/2 bereits gestellt werden.

Diese Art der Systementwicklung, auf ein Träger-Betriebssystem zu verzichten, weist aber auch Nachteile auf. Das läßt sich beim LAN Manager 2.0 und bei Netware 3.11 deutlich ersehen. Da Netware nicht auf einem Träger-Betriebssystem beruht, ist Novell gezwungen, alle Möglichkeiten der Hardwarefunktionalität im Netzwerk-Betriebssystem selbst zu integrieren. Dies beginnt bei der Verwaltung des Hauptspeichers und endet bei der Ansteuerung der peripheren Schnittstellen am System.

Stützt sich ein Netzwerk-Betriebssystem hingegen auf ein Träger-Betriebssystem, kann die Software, die darauf aufsetzt, die Ansteuerung und Verwaltung der Rechnerhardware dem Betriebssystem übergeben. Wer also eine herkömmliche DOS-Applikation schreibt, muß sich keine Gedanken darüber machen, wie die Ansteuerung der Festplatte zu erfolgen hat.

Dies bedeutet andererseits, daß neue Funktionen des Träger-Betriebssystems in der Regel dem übergelagerten Netzwerk-Betriebssystem auch sofort zur Verfügung stehen. Beim LAN Manager fällt dieser Punkt besonders auf. Bestimmte Funktionalitäten können nur dann genutzt werden, wenn der LAN Manager unter OS/2 HPFS (High Performance File System) installiert ist. Der LAN Manager weist unter OS/2 HPFS mit der Multiprozessor-Unterstützung eine Funktionalität auf, die Netware 3.11 bis jetzt nicht implementiert hat. Dazu später mehr.

Vor- und Nachteile im Preemtive-Modus

Die Fachpresse hat sich in der Vergangenheit ausführlich damit beschäftigt, daß Netware 3.11 im sogenannten Non-Preemptive-Modus, der LAN Manager hingegen im wesentlich sichereren Preemptive-Modus läuft. Beide Modi weisen Vor- und Nachteile auf. Der wesentliche Unterschied zwischen dem Preemptive- und dein Non-Preemptive-Modus liegt darin, daß im Preemptive-Modus ein Scheduler die Verwaltung der einzelnen aktiven Tasks übernimmt, Wohingegen im Non-Preemptive-Modus die Applikation selbst die Kontrolle an die CPU übergeben muß. Der Non-Preemptive-Modus hat wegen des fehlenden Schedulers allerdings eine höhere Performance.

Netware 3.11 ist ein Server-Betriebssystem, das die volle 80386- und 80486-Rechnerarchitektur nutzen kann, das heißt von auf die 32-Bit-Architektur dieser Rechner ausgelegt ist. Es handelt sich dabei keineswegs um eine umgeschriebene Netware-286-Version, sondern um eine komplette Neuentwicklung. Netware 3.11 ist dadurch nicht nur in seiner Performance verbessert worden, sondern weist jetzt auch Funktionen und Mechanismen auf, die für den heutigen Einsatz von Netzwerk-Betriebssystemen vor allem in heterogenen Welten unabdingbar sind.

Der LAN Manager ist seit 1988 auf dem Markt. Die neueste Version 2.0 muß jetzt beweisen, ob sie Netware 3.11 Paroli bieten kann. Sie benötigt auf dem Server die OS/2 1.2 Standard Edition, am besten unter HPFS, und kann durch spezielle Treiber die Leistungsfähigkeit von 80386- und 80486-Prozessoren nutzen. Diese Treiber sind notwendig, da es bislang noch keine 32-Bit-Version von OS/2 gibt. Das Betriebssystem OS/2 wird nur für den Server benötigt, auf dem der LAN Manager zum Einsatz kommt. Die Workstations können dagegen wie unter Netware 3.11 auch unter das oder OS/2 betrieben werden. Es hat sich jedoch gezeigt, daß die vollen Funktionalitäten des LAN Managers nur dann sinnvoll nutzbar sind, wenn auch auf den Workstations OS/2 eingesetzt wird. Es besteht dann nämlich die Möglichkeit, auf diesen OS/2 Workstations sogenannte Serverfunktionen einzusetzen, die als Peer-Services bezeichnet werden.

Der LAN Manager 2.0 besitzt wie gesagt im Vergleich zu seinen Vorgängerversionen mächtige Funktionen und eine gesteigerte Performance. Voraussetzung hierfür ist jedoch der Einsatz von OS/2 HPFS. Das HPFS-System ist zunächst nur für 80286-Rechner entwickelt worden, um Festplattenzugriffe und das Verwalten von großen Dateien zu beschleunigen.

HPFS-System optimiert, ständig Festplattenbelegung

Das HPFS-System soll die herkömmliche FAT-Struktur ersetzen, mit der bislang DOS-Systeme arbeiten. Es empfiehlt sich, den LAN Manager generell unter HPFS einzurichten, da ansonsten wichtige Funktionen nicht zur Verfügung stehen.

Mit dem HPFS-System werden die Directories in Binärbäumen als Dateien und Subdirectories alphabetisch verwaltet. Das HPFS-System unterstützt zudem erweiterte Dateiattribute, Dateinamen bis 255 Zeichen Länge und optimiert ständig die Belegung der Festplatte. Zudem verwaltet HPFS ein eigenes Caching für Dateien und Directories. Auf einem 286-Rechner wird das normale OS/2 HPFS mit einer 16-Bit-Adressierung installiert. Bei der Implementation des LAN Managers 2.0 erkennt das Installationsprogramm dabei automatisch die Existenz einer 386- oder 486CPU.

Netware 3.11 verwendet ein eigenes Festplattenformat und eigene interne Mechanismen, um den Zugriff und die Verwaltung von Daten auf den Serverplatten zu optimieren. Es läuft nur auf 386- oder 486-Rechnern und erkennt beim Starten des Systems, welche CPU im Server vorhanden ist. Auch Netware 3.11 verwendet Mechanismen wie Directory - und File Caching, um den Zugriff auf Dateien so optimal wie möglich durchfuhren zu können. Da im Netzwerk der Zugriff auf die Serverplatten der häufigste Vor. gang ist, führt Netware 3.11 die gesamte FAT aller Platten im Hauptspeicher des Servers. Um die Verwaltung des Hauptspeichers zu optimieren, verwendet Netware 3.11 eine dynamische Speicherverwaltung, das heißt, jeder Prozeß erhält soviel Hauptspeicher zugewiesen, wie er jeweils benötigt. Der verbleibende Platz im Hauptspeicher wird dem File-Caching-Bereich zugewiesen. Benötigt ein Prozeß zusätzlichen Speicher, ruft er diesen aus dem File-Caching-Bereich ab; frei werdende Speicherkapazität wird zurückgegeben.

Bei der Installation von Netware 3.11 braucht sich der Anwender darüber jedoch keine Gedanken zu machen, da das Netzwerk-Betriebssystem diese Aufgabe so nivelliert, daß Netware immer im optimalen Betriebszustand läuft. Durch eine Veränderung der Systemparameter kann der Zustand jedoch verändert werden. Da die Parameter teilweise voneinander ab hängen, können die Veränderungen positive, aber eventuell auch negative Auswirkungen auf die Serverleistung haben.

Parametersteuerungen dieser Art sind unter dem LAN Manager nicht möglich. Hier muß sich der User voll und ganz dar auf verlassen, wie OS/2 die Hardware des Servers nutzt. Der Plattenzugriff von Netware 3.11 und dem LAN Manager wird zudem durch einen sogenannten Elevator-Seeking-Mechanismus beschleunigt, das heißt, die Blöcke einer Datei werden nicht in der Reihenfolge gelesen, wie sie auf der Platte stehen. Beide Netzwerk-Betriebssysteme sammeln über eine bestimmte Zeit hinweg alle Lese- beziehungsweise Schreibanforderungen und sortieren diese dann so, daß beim linearen Positionieren des Schreib- oder Lesekopfes alle Lese- und Schreibanforderungen erledigt werden.

Im Netzbetrieb wird natürlich auch sehr großer Wert auf die Ausfallsicherheit des Serversystems gelegt. Für den LAN Manager sind Mechanismen angekündigt worden, die in der Version 2.0 allerdings leider noch nicht funktionieren und auf die Version 2.1 verschoben wurden. Die Version 2.1 soll laut Microsoft noch gegen Ende dieses Jahres auf den Markt kommen. Eine der wichtigsten Sicherheitskomponenten ist das Disk Mirroring beziehungsweise Disk Duplexing. Mit diesem Mechanismus wird der Ausfall von Festplatten abgesichert. Beim Disk Mirroring befinden sich am gleichen Platten-Controller zwei Festplatten, auf denen die Datenbestände parallel abgespeichert werden. Beim Disk Duplexing werden zwei Platten, die an unterschiedlichen Platten-Controllern angeschlossen sind, parallel beschrieben. Für den Fall daß eine Platte ausfällt, kann das Serversystem alle Daten immer noch von der Ersatzplatte laden.

Fällt beim Disk Mirroring der Platten-Controller aus, hilft aber auch die Ersatzplatte nicht mehr, da sie am gleichen Controller angeschlossen ist. Um selbst diesen Fall auszuschließen, ist das Disk Duplexing zu empfehlen. Für den LAN Manager 2.0 ist zwar dieser Mechanismus angekündigt, steht aber wegen Schwierigkeiten im Kernel noch nicht zur Verfügung. Bei Netware 3.11 wurde dieser Mechanismus im Vergleich zu den Vorgängerversionen noch weiter verbessert, so daß es nun sogar möglich ist, in das Disk Mirroring beziehungsweise Disk Duplexing bis zu acht Platten einzubinden.

Mehr als ein Netzwerk-adapter integriert

Netware 3.11 zeichnet sich auch dadurch aus, daß im Server mehr als ein Netzwerk-Adapter integrierbar ist, um damit gleichartige oder ungleichartige Netze über einen Server koppeln zu können. Man verwendet diesen Mechanismus auch, um große Netzwerke in kleinere Subnetzwerke zu unterteilen und die Performance im Netz zu steigern. Netware 3.11 erlaubt in einem Server den Einbau von bis zu 16 Netzwerk-Adapterkarten. Die Anwender selbst merken von diesem internen Routing-Mechanismus nichts. Für den LAN Manager 2.0 wurde diese Funktion für bis zu vier Netzwerk-Adapterkarten angekündigt, aber ebenfalls auf die Version 2.1 verschoben.

Ein weiterer Aspekt der Datensicherheit wird von Novell seit 1985 unter der Bezeichnung Transaction Tracking System (TTS) implementiert. Diesen Mechanismus besitzt der LAN Manager nicht. Das TTS System verhindert, daß die Datenbestände in einen inkonsistenten Zustand geraten. Ein inkonsistenter Zustand kann dann auftreten, wenn eine Applikation unkontrolliert beendet wird. Mit dem TTS wird innerhalb der Applikation ein kritischer Bereich als Transaktion definiert. Für eine Transaktion wiederum gibt es nur zwei Zustände: Entweder ist die Transaktion vollständig abgearbeitet oder Oberhaupt nicht. Endet nun eine Applikation innerhalb einer definierten Transaktion unkontrolliert, setzt TTS die Datei auf den Zustand vor Beginn der Transaktion zurück. Dieser Mechanismus kann im Prinzip unter Netware 3.11 von jeder Applikation aus genutzt werden. Für den LAN Manager gibt es diesen Mechanismus nur beim Einsatz des SQL-Datenbankservers.

Sowohl Netware 3.11 als auch der LAN Manager verfolgen das Prinzip der offenen Protokollarchitektur aus. Im Vergleich hat Netware 3.11 hierbei wegen der besseren Unterstützung Vorteile. Ein Schlagwort für diese Architektur ist das sogenannte Network Computing. Voraussetzung hierfür ist die Unterstützung möglichst vieler Kommunikationsschnittstellen, die vom Server abgedeckt werden können.

Volle Unabhängigkeit vom Protokoll erreicht

In der Vergangenheit machte die Vielzahl der sich gegenseitig ausschließenden Protokollstandards auf allen Ebenen eine unproblematische Einbindung heterogener Systeme nahezu unmöglich. Sie konnte nur durch aufwendige Zusatzprodukte, das heißt Gateways, realisiert werden.

Durch die offene Protokollarchitektur erreicht Netware 3.11 volle Protokollunabhängigkeit. Unter Netware war es schon immer möglich, die LAN-Hardware frei zu wählen. Neben dieser sogenannten Medienunabhängigkeit erlaubt Netware 3.11 auch den Einsatz unterschiedlicher Transportprotokolle auf einem einzigen Server. Die gängigsten Transportprotokolle sind hierbei IPX, Netbeui/DLC und Apple Talk. In großen Unternehmen findet man zudem häufig TCP/IP, Deckten oder OSI-Protokolle. Netware 3.11 gewährleistet den Vollkommen wahlfreien Einsatz dieser Protokolle, da diese nicht mehr wie unter Netware 286 fest mit dem Netzwerk-Betriebssystem verankert sind.

ODI unterstützt Standardschnittstellen

Erreicht wird diese Protokollunabhängigkeit durch zwei wesentliche Komponenten: das Open Data Link Interface (ODI und die Netware Streams. ODI unterstützt eine Standardschnittstelle, die es ermöglicht, unterschiedliche Transportprotokolle über ein und denselben Netzwerk-Adapter ohne Konflikt zu betreiben. So kann zum Beispiel über Token-Ring-Adapter das bislang ausschließlich für Ethernet bestimmte Transportprotokoll TCP/IP eingesetzt werden. Die standardisierte Schnittstelle erlaubt ferner, daß Anbieter ihre Protokoll-Stacks für dieses Interface anbieten können. Steht ein Protokoll einmal für ODI zur Verfügung, kann dieses mit jedem beliebigen Netzwerk-Adapter, der ODI unterstützt, eingesetzt werden. Auf der anderen Seite ist jeder Netzwerk-Adapter, der eine ODI-Schnittstelle aufweist, zu jedem Protokoll-Stack kompatibel, der für dieses Interface geschrieben wurde.

Zur Zeit stehen für Netware 3.11 Protokoll-Stacks und Streams bereit, um Apple-Macintosh-Systeme zu integrieren, das heißt, es werden Apple Talk und Apple Filing Protocol unterstützt. In Netware 3.11 ist standardmäßig TCP/IP enthalten, um Netware 3.11 in eine solche Umgebung beziehungsweise in TCP/IP-Stationen integrieren zu können, zum Beispiel Unix-Systeme.

Damit Unix-Workstations den Server wie ein Unix-System verwenden können, wird zudem NFS von Sun Microsystems unterstützt. Somit kann ein Unix-Anwender die Serverplatte wie eine Unix-Platte behandeln. Damit die Integration von Netware 3.11 unter Token-Ring in einer IBM-Umgebung sinnvoll zu gestalten ist, ist auch eine Netview-Schnittstelle enthalten, mit der alle gängigen Token-Ring-Alerts an die Netview-Konsole am Großrechner weitergegeben werden können.

Der LAN Manager bietet einen ähnlichen Mechanismus unterstützt derzeit aber noch nicht sehr viele Schnittstellen. Für die Integration von Apple-Macintosh-Rechnern, TCP/IP und NFS ist die Version 2.1 abzuwarten.

Die Protokollunabhängigkeit wird vom LAN Manager durch drei Komponenten unterstützt: die Netzwerktreiber-Schnittstellenspezifikation (NDIS) die Standard-Netzwerkprotokolle und dem Protokoll-Manager.

NDIS ist ein Netzwerkprotokoll und eine Treiberschnittstelle, die von Microsoft und 3Com gemeinsam entwickelt wurde. NDIS funktioniert ähnlich wie Netware 3.11 ODI. Es sind zwar die internen Spezifikationen grundsätzlich anders, aber das Ergebnis ist für beide Varianten gleich, das heißt die Protokollunabhängigkeit von Netware 3.1 1 und LAN Manager 2.0.

Um zusätzliche Funktionalitäten am Server zu integrieren, benötigt der LAN Manager entweder zusätzliche Driver-Programme, die beim Starten einzubinden sind, oder es wird auf dem Server unter OS/2 eine eigene Applikation gestartet. Zu dieser Art von Anwendungen zählen der SQL-Datenbankserver und Communications Server für den LAN Manager. Bei Netware 3.11 gibt es hingegen nur die sogenannten Netware Loadable Modules, die beim Starten des Servers zusätzlich geladen werden können. Sämtliche Driver-Programme, Mangement-Utilities, das Installationsprogramm, das heißt die gesamte Netware-3.11-Umgebung, basieren auf dieser Technik.

Der LAN Manager und Netware 3.11 unterstützen beide den Mechanismus der sogenannten Client-Server-Applikationen. In diesem Fall handelt es sich um spezielle Anwendungen, typischerweise Datenbanksysteme, bei denen die Datenbasis auf dem Netzwerk- oder Applikationsserver liegt, während die Anwendung selbst auf der Workstation läuft (Client), die im Bedarfsfall bestimmte Aufgaben an den Server abgibt. Der Server führt die eigentliche Bearbeitung der Anfrage aus und übergibt das Ergebnis der Workstation. Auf diese Art und Weise wird der Datentransport im Netzwerk reduziert. Für den LAN Manager gibt es den SQL. Datenbankserver als Applikation unter OS/2; für Netware 3.11 werden von Drittherstellern entsprechende Systeme angeboten. Zu diesen Anbietern zählen Oracle, Informix und Gupta, die Netware Loadable Modules zur Verfügung stellen.

Der LAN Manager 2.0 beinhaltet auch die Multiprozessor-Unterstützung, den sogenannten Asymetric Multiprocessor. Dieses Feature ist für Non-dedicated-Server interessant. Im Klartext heißt das, daß in einer Task ein SQL-Server läuft, wohingegen sich die zweite Task um die Bearbeitung des LAN-Manager-Programms kümmert. Jede Anwendung (SQL-Server, LAN Manager) wird von jeweils einem eigenen Prozessor bearbeitet.

Wird der LAN Manager dedicated installiert, bringt der zweite Prozessor keinen Nutzen, da sich in diesem Fall zwei Prozessoren nicht die gleiche Arbeit teilen können. In diesem Fall müßte das Symetric-Multiprozessor-Konzept realisiert sein. In Client-Server-Umgebungen kann man somit einen Server mit mehreren Applikationen belasten, ohne große Performance-Einbußen zu erleiden. Der Compaq Systempro ist ein Beispiel hierfür, um ein Computersystem mit zwei 80386- oder 80486-Prozessoren auszustatten.

Netware noch ohne Peer Services

Ein Feature des LAN Managers, das Netware 3.11 nicht aufweist, sind die sogenannten Peer Services. Mit diesem Mechanismus können alle Devices einer OS/2-Workstation von einer beliebig anderen OS/2-Workstation im Netz genutzt werden, das heißt, wenn an einem Rechner an der COM1-Schnittstelle ein Modern angeschlossen ist, läßt sich dieses über den Peer-Services-Mechanismus von einer anderen Station aus aufrufen, sofern nicht gerade ein anderer Rechner darauf zugreift. Unter Netware 3.11 müssen hierfür besondere Gateways installiert werden, die dann entsprechende Devices mehreren Anwendern im Netzwerk bereitstellen. Die Unterstützung von eigenen Print-Servern und Remote-Netzwerkdruckern an einer beliebigen Workstation im LAN wird von beiden Netzwerk-Betriebssystemen realisiert.

Die Peer Services des LAN Managers 2.0 beinhalten auch eine Funktion, die als Replicator Service bezeichnet wird. mit diesem Feature ist es möglich, einzelne Dateien oder gesamte Unterverzeichnisse automatisch von einem Server auf andere Server oder auch OS/2-Workstations zu duplizieren. Wurde dieser Vorgang durchgeführt und die festgelegte Datei verändert, kopiert sie der Replicator Service auf alle anderen vorgegebenen Rechner.

Eine andere für Netware 3.11 nicht vorhandene Funktion ist der Netrun-Service des LAN Managers 2.0. Die Netrun-Dienste werden im Gegensatz zu anderen verteilten Anwendungen, die auch für Netware 3.11 zur Verfügung stehen, direkt vom LAN Manager unterstützt und gesteuert. Durch diesen Dienst kann man sich die Services einer anderen Station im Netz, meistens des Servers, von der Workstation aus zunutze machen. Dieser Dienst ist mit dem LAN Manager jedoch nur von OS/2-Workstations aus zu verwenden. Bei der Einrichtung des Netrun-Dienstes wird festgelegt, welche Eingaben das gestartete Programm benutzen soll und wohin die Ausgaben des Programms umzuleiten sind. Anders als bei herkömmlichen File-Server-Systemen, wo das Programm und die Daten in den Hauptspeicher der Workstation geladen werden, laufen die mit Netrun gestarteten Programme vollständig auf dem Server ab. Das macht vor allem dann Sinn, wenn die Daten, die das Programm zur Verarbeitung benötigt, auf dem Server liegen.

Oberflüchen sind völlig unterschiedlich

Es gibt jedoch hierfür eine kleine Einschränkung: Es können nur EXE-Programme damit gestartet werden, und es dürfen keine interaktiven, bildschirmorientierten Programme wie Presentation-Manager-Applikationen, Tabellenkalkulationen, Textverarbeitungsprogramme und dergleichen dafür zum Einsatz kommen. Sinnvoller Einsatz hierfür sind zum Beispiel Compiler-Läufe oder Indizierungsläufe von Datenbanken, die ohne weitere Eingabeaufforderung ablaufen.

Die Oberfläche der Verwaltungsprogramme beider Systeme ist Vollkommen unterschiedlich. Der LAN Manager orientiert sich mit seinen gesamten Menüsystemen an den SAA-Definitionen von IBM, wohingegen Netware 3.11 nach wie vor die gleiche Systemstruktur des Menüs verwendet, die bereits bei den ersten Versionen von Novell Netware 1983 Anwendung fanden.

Da in großen Netzwerken mit mehreren Servern die Verwaltung der Benutzer immer schwieriger wird, bieten Netware 3.11 und der LAN Manager die Möglichkeit, die Organisation zu vereinfachen. Unter Netware 3.11 wird dieses Feature als Netware Name Service und unter dem LAN Manager als Single System Image bezeichnet. Für beide Konzepte gilt, daß sich mehrere Server in einem Netz zu einer logischen Domain zusammenfassen lassen. Alle Server, die einer Domain angehören, werden wie ein Server verwaltet. Benutzer, die einer Domain angeschlossen sind, benötigen nur ein Paßwort, um sich auf allen für sie freigegebenen Servern anzumelden. Die Verwaltung von Benutzern und Benutzergruppen, bei Netware auch die Verwaltung von Print-Queues, erfolgt zentral.

Der wichtigste Unterschied zu beiden Konzepten ist, daß Netware 3.11 innerhalb der Domain keinen Server bevorzugt, auf den die Einrichtung der Benutzer etc. zu erfolgen hat, da die dazugehörigen Informationen auf allen anderen Servern synchronisiert werden. Es kann somit ein beliebiger Server ausfallen, ohne die Arbeit im Netzwerk zu behindern.

Beim LAN Manager hingegen gibt es einen sogenannten Primary Domain Controller. Nur über den Controller können die Benutzer eingerichtet werden. Damit beim Ausfall des Primary Domain Controller dennoch im Netzwerk gearbeitet werden kann, ist es möglich, Backup Domain Controller zu definieren, die die gleichen Benutzerinformationen aufbewahren, wie der Primary Domain Controller.

LAN Manager 2.0 in deutscher Sprache

Dieser letzte Aspekt ist allerdings marginal im Vergleich zum Konzept unter Netware 3.11, wo auf beliebigen Servern innerhalb der Domain Benutzer zu verwalten sind und diese Informationen anschließend auf alle anderen Server in der Domain übertragen werden. Diese Synchronisation wird auch dann durchgeführt, wenn ein neuer Server in die Domain unter Netware 3.11 eingebunden wird, damit dieser die gleichen Informationen besitzt wie alle anderen Server auch.

Den LAN Manager 2.0 gibt es im Gegensatz zu Netware 3.1 1 in deutscher Sprache, wobei man für die deutsche Version inklusive deutscher Handbücher mehr Geld bezahlen muß als für die englischsprachige Version. Novell plant bis Ende des Jahres auch Netware 3.11 mit deutscher Oberfläche, Handbüchern und Fehlermeldungen auf den Markt zu bringen.

Für beide Versionen gilt auch, daß es eine Vielzahl von Programmen, das heißt Befehlen, gibt, die auf der Workstation eingegeben werden können, um zusätzliche Aktionen durchzufahren oder Informationen über das System zu erhalten.

Wer sich die Sicherheitsfunktionen des LAN Managers 2.0 und Netware 3.11 betrachten, stellt fest, daß sich beide Systeme hierbei nicht sehr unterscheiden. Die Möglichkeiten, Zugriffsberechtigungen bis auf Dateiebene mit unterschiedlichen Rechtestrukturen festzulegen, Paßwörter, den Ablauf eines Paßwortes, die Länge des Paßwortes sowie den Tag und die Uhrzeit, wann sich ein Benutzer am Server anmelden darf, zu definieren und Paßwörter verschlüsselt über die Leitung zu übertragen, sind in beiden Systemen vorhanden.

Dieser Artikel beschränkt sich nur auf die wesentlichen Unterschiede beider Systeme. Der Vergleich fällt zum gegenwärtigen Zeitpunkt zugunsten von Netware 3.11 aus, das mit all seinen Funktionen und Möglichkeiten dem LAN Manager 2.0 noch überlegen ist. Es wurden zwar für den LAN Manager 2.0 einige neue Funktionen angekündigt, die aber wie gesagt derzeit noch ausstehen. In Anbetracht der Kooperation zwischen IBM und Novell ist abzuwarten, inwieweit sich die Systeme noch weiter voneinander entfernen. Interessant ist vor allem die Tatsache, daß auf IBM eingeschworene Anwender nach der Kooperationsankündigung von heute auf morgen auf Netware 3.11 umgestiegen sind, weil Netware 3,11 ein ausgereiftes Produkt ist und IBM inzwischen von hinter diesem Produkt steht. Die nächsten Monate werden zeigen, ob Novell etwas von seinen Marktanteilen an den LAN Manager abtreten muß.