LAN-Einführung scheitert an Benutzeransprüchen

10.12.1982

Ungelöste Akzeptanzprobleme verzögern die Einführung von "Lokalen Netzen" (LAN). Die Anwender sind in der Regel nicht darauf vorbereitet, dieser informationstechnologischen Herausforderung zu begegnen. Sie verlangen nach einer allumfassenden optimalen Lösung, obwohl die innerbetriebliche Zuständigkeit für den Einsatz von LAN noch längst nicht geklärt ist. Die Anbieter wiederum treten mit dem Anspruch auf, genau diese allumfassende Lösung bieten zu können, obwohl es sie offensichtlich noch nicht gibt. Da die Implementierung von LAN sehr hohe Investitionskosten erfordert, die Unternehmen sich über den Nutzen der Netzwerke aber nur selten im klaren sind, wartet der Markt ab. Obendrein ist die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes Lokaler Netze durchaus umstritten. ih

Dr. Hans Werner Früchtenicht

Mitarbeiter beim Fraunhofer Institut für Informations- und Datenverarbeitung, Karlsruhe

Schwerpunkte beim Einsatz von Lokalen Rechnernetzen bilden zunehmend die Prozeßautomatisierung und der Bürobereich. Der insbesondere durch die internationale Konkurrenzsituation bedingte Zwang zur Rationalisierung hat naturgemäß zuerst auf den Produktionsbereich durchgegriffen. Die ständig wachsenden Anforderungen hinsichtlich Umfang und Tiefe der zu lösenden Automatisierungsaufgaben haben hier eine neue Generation von Automatisierungssystemen, die digitalen verteilten/dezentralen Systeme, sich durchsetzen lassen. Forciert wurde diese Entwicklung noch durch sich verändernde Kostenrelationen. Insbesondere zu nennen sind hier Kostensteigerungen bei Kabelanlagen, Schalttafeln, Gebäuden sowie Planungs- und Programmieraufwendungen, denen "dramatische" Kostensenkungen bei hochintegrierten Halbleitern insbesondere in Form von Mikroprozessoren gegenüberstehen.

Der Einsatz von Lokalen Rechnernetzen im Bereich der Büroautomatisierung vollzieht sich vor dem Hintergrund des Zusammenwachsens von Nachrichtentechnik und Computertechnik. Es vollzieht sich zunehmend eine Verschmelzung von Datenverarbeitungsdiensten zur Textverarbeitung, Dokumentation, Ablage beziehungsweise Disposition, Lager- und Buchhaltung mit der Kommunikationstechnologie. Eine Entwicklung hin zu stärkerer Dezentralisierung der Leistung, hin zum einzelnen Arbeitsplatz ist damit verbunden. Hierin liegt eine Vielfalt von Problemen: Integration der verschiedenen Kommunikationsarten, Kompatibilität zwischen innerbetrieblichem Verkehr und der Kommunikation mit externen Partnern, Inkompatibilitäten zwischen Komponenten unterschiedlicher Hersteller, rasche Entwicklung im Bereich der öffentlichen internationalen Kommunikationsdienste etc.

Dies und die gerade im Aktionsfeld der Büroautomatisierung steckende sozial- und gesellschaftspolitische Brisanz mögen hier zu einer etwas langsameren Entwicklung führen als bei der Prozeßautomatisierung. Rationalisierung und Automatisierung wecken häufig Furcht vor Dehumanisierung und Unterqualifikation. Daraus resultierende Hemmnisse wird man um so eher überwinden, je optimaler die Dezentralisierung der Gesamtleistung in mehr Selbständigkeit am Arbeitsplatz und mehr Freiheit in der Aufgabenstellung des Einzelnen umgesetzt werden kann, so daß auch Aufstiegsmöglichkeiten durch Funktionserweiterungen möglich werden.

Jochen Speek

Leiter der Hauptabteilung Bürosysteme/Telekommunikation, mbp Mathematischer Beratungs- und Programmierungsdienst GmbH, Dortmund

Die Anwender verhalten sich bei der Implementierung von LAN abwartend. Hier einige Gründe, die zu dieser Haltung führen:

Die Bürosystemlandschaft ist kaum noch übersehbar und sehr bunt geworden. Eine Welt der Illusionen und Illusionisten, von denen einige ernsthaft die Levitation versuchen. Endlose Expertendiskussionen um lokale Netze (Ethernet versus Token Exchange/Basisband versus Breitband/Local Area Netwerk versus PABX) und Begriffsverwirrung als Instrument taktischer Produktplanung haben beim Anwender zu einer Orientierungskrise geführt. Die in vielen Fällen geweckten euphorischen Erwartungen "Lokale Netze = automatische Kompatibilität aller Endgeräte" konnten nicht erfüllt werden.

Ein gravierendes Problem ist, daß die Anwender in der Regel nicht vorbereitet sind, dieser informationstechnologischen Herausforderung zu begegnen. Sie sind meist nicht in der Lage, die Auswirkungen dieser neuen Technologien auf ihre Organisationsstruktur und auf ihre Mitarbeiter richtig einzuschätzen. Daß der Einstieg hohe Investitionskosten mit sich bringt, erweist sich in den meisten Fällen als Hemmschwelle. Die Folge: das kritische Marktpotential wurde noch nicht erreicht. Die meisten Anwender beobachten die Entwicklung und warten erst einmal ab. Auch die Analysemethoden zur Nutzung lokaler Netze sind nur sehr gering ausgeprägt und können nicht viel dazu beitragen, den Markt transparenter zu machen.

Die Hersteller müssen alle Möglichkeiten nutzen, um die Akzeptanzprobleme der Anwender abzubauen. Sie sollten mit ihren Förderungs- und Entwicklungsanstrengungen zur Senkung der Investitionskosten tragen (beispielsweise VLSI-Chips für LAN pragmatische und kostengünstige Einstiegsmöglichkeiten ergänzt werden. Außerdem ist es wichtig, den Anwendernutzen in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen zu stellen und optimale Problemlösungen im Bereich lokaler (Inhouse-)Kommunikation forciert zu entwickeln und anzubieten. Sie sollten darüber hinaus berücksichtigen, daß die meisten Anwender bereits eine informationstechnologische Infrastruktur besitzen und demzufolge neue Technologien integrierbar (kompatibel) sein müssen, damit nicht große oder größte Insellösungen entstehen.

Gerhard Dieterle

Abteilungsleiter Datenkommunikation, Kontron Mikro Computer GmbH, Eching

Die Gründe für das Akzeptanzproblem sind sowohl auf der Hersteller- als auch auf der Anwenderseite zu suchen. Die Anbieter haben den Markt mit der Diskussion über die innere Konzeption der Netzwerke wie beispielsweise, ob nun CSMA/CD oder Token Passing das optimale Verfahren ist, verunsichert. Dadurch ist ein Problembewußtsein in den Vordergrund gerückt worden, das für den Anwender zweitrangig ist.

Sehr viel wichtiger sind das Schnittstellenverhalten und die Verbindungseigenschaften, die die verschiedenen LANs bieten, also das Dienstleistungsverhalten der Netzwerke. Der Anwender wird in die Position gedrängt, zu entscheiden, welches technische Konzept er für das beste hält. Damit ist er auf jeden Fall überfordert.

Zur Verwirrung trägt ebenfalls bei, daß die Netzwerkanbieter selten klar sagen, für welche Einsatzzwecke sich ihre Netzwerke heute eignen. Viele behaupten, sie könnten den kommerziellen ebensowie den technisch-wissenschaftlichen und den Industriebereich mit ihrer Netzwerkkonzeption abdecken. Diese Aussage trifft auch tatsächlich zu, wenn der Standpunkt vertreten wird, daß man mit der Technik letztlich alles machen kann. Bei den Netzwerken wird sich aber - genau wie vorher in der Mikroprozessor- und Mikrocomputertechnik - im Laufe der Zeit herauskristallisieren, welche Systeme für welchen Einsatz besonders geeignet sind. Man wird feststellen, daß ein technisches Konzept sich besser im technisch-wissenschaftlichen Bereich, ein anderes mehr im Büro- und ein drittes besser im Produktionsbereich einsetzen läßt.

Betrachten wir die Anwenderseite, so entdecken wir, daß die möglichen Netzwerkanwender zunächst nach der allumfassenden optimalen technischen Lösung suchen. Viele Anwender treten mit dem Anspruch auf, daß von lokalen Computernetzwerken alle heute bestehenden Probleme gelost werden sollen. Dazu gehören unter anderem: Fortführung der bisher gefahrenen Groß-EDV-Lösungen, Einbeziehung der innerbetrieblichen Kommunikationsdienste wie Electronic Mail oder die Anbindung der Netze an neue öffentliche Dienste wie Teletex und Bildschirmtext. Diese Alles-oder-nichts-Anspruchhaltung halte ich für eine Überforderung: Die lokalen Netzwerke so, wie sie heute angeboten werden, sind technisch ausgereift, daß

kann, aber eine allumfassende Lösung kann von ihnen noch nicht verlangt werden.

Gleichfalls nachteilig wirkt sich aus, daß in den meisten Unternehmen die innerbetriebliche Zuständigkeit für den Einsatz von LANs nicht geklärt ist. Es fehlt ein Verantwortlicher, der sich um innerbetriebliche Kommunikationslösungen kümmert. Außerdem macht sich der Anwender über den betriebsorganisatorischen Nutzen der verbesserten Kommunikation zuwenig Gedanken. Hier setzt sich eine Denkweise fort, die wir aus den Bürobereichen her kennen.

Die neuen Netzwerke erfordern einerseits ein Vielfaches an Investitionen, andererseits bieten sie aber auch erhebliche betriebsorganisatorische Vorteile. Da es aber keine Zuständigkeit gibt, wird das Kosten-Nutzen-Verhältnis zuwenig systematisch untersucht.

Ein weiterer wichtiger Punkt auf Anwenderseite ist die fehlende Bereitschaft, in einer bestimmten Abteilung einen auf das Unternehmen zugeschnittene Versuch durchzuführen und die neuen Konzeptionen parallel zu fahren, um so den Nutzen vergleichen und Erfahrungen gewinnen zu können. Der Nutzen ist für jedes Unternehmen individuell zu suchen; und nur wenn es gelingt, die neue LAN-Technologie sinnvoll der bestehenden Firmeninfrastruktur anzupassen, erzielt der Anwender den optimalen Nutzen.