Entwicklung und Pflege sind zu teuer

Lässt Sun die Solaris-Version für Intel sterben?

18.01.2002
MÜNCHEN (CW) - Sun Microsystems will sich allem Anschein nach von der x86-Variante seines Betriebssystems Solaris verabschieden. So soll die neue Version 9 nur mehr für die eigene Sparc-Architektur entwickelt werden. Sun-Vertreter wollen jedoch noch nicht von einem endgültigen Ende sprechen.

Man müsse sich auf das Kerngeschäft konzentrieren und Investitionen sorgfältig planen, erklärt Graham Lovell, Marketing-Leiter für Solaris bei Sun. Auf den Online-Seiten des US-amerikanischen Server-Herstellers heißt es: "Wir verschieben die Entwicklung von Solaris 9 OE für Intel IA 32. Sun wird die bereits bestehende Version Solaris 8 OE weiterentwickeln und ausliefern. Wir haben diese Entscheidung aus wirtschaftlichen Gründen getroffen."

Sun werde Solaris 8 für Intel in den nächsten beiden Jahren noch fortentwickeln und neue Releases herausbringen, versichert Lovell. Der Support soll bis 2009 weiterlaufen. Damit erhalte man Intel-Anwendern auch für die Zukunft die Solaris-Option, so die Einschätzung des Sun-Managements. Außerdem würden Solaris-Anwender ihr Betriebssystem in wesentlich längeren Zyklen erneuern als beispielsweise Kunden im Windows-Umfeld.

Obwohl sich Sun die Möglichkeit offen hält, doch noch künftige Versionen seines Betriebssystems für die Intel-Plattform herauszubringen, schätzen Insider die Zukunft von Solaris auf Intel-Architekturen eher düster ein. Dieser Geschäftszweig bringe nur geringe Umsätze. Mit dem Vertrieb des reinen Betriebssystems verkaufe Sun keine Rechner und könne daher auch keine zusätzlichen Support- und Serviceeinnahmen generieren. Vor diesem Hintergrund sei die Entscheidung keine Überraschung.

Nach Ansicht von Kritikern verbaut sich der Hersteller mit dieser Entscheidung allerdings die Möglichkeit, Anwender der Intel-Plattform von der eigenen Sparc-Architektur zu überzeugen. So generiere das Geschäft zwar keine kurzfristigen Umsätze, auf lange Sicht gesehen habe der Server-Hersteller mit seinem Angebot jedoch Kunden für seine Hardwareprodukte gewinnen können.

Laut Gordon Haff, Analyst beim Marktforschungsunternehmen Illuminata, haben vor allem Anwender aus dem universitären Umfeld mit Solaris auf Intel-Rechnern gearbeitet. In Unternehmen sei diese Kombination seltener zum Einsatz gekommen. Suns Strategie sei es gewesen, Studenten eine Alternative zur Wintel-Architektur zu bieten. Diese Aufgabe erfülle heute jedoch Linux besser als Solaris.

Über die Zahl der Solaris-Installationen auf Intel-Basis gibt es widersprüchliche Angaben. Experten vermuten, dass der bei weitem größte Anteil der 1,2 Millionen über die Firmen-Website heruntergeladenen Solaris-Pakete auf Intel-Rechnern läuft. Laut Carsten Müller, Pressesprecher für den Bereich Software bei Sun Deutschland, macht die Sparte Solaris auf Intel jedoch nur einen verschwindend geringen Anteil aus. Vor allem Systemadministratoren, die auch von zu Hause aus mit Solaris arbeiten wollten, hätten diese Option genutzt. Da sich jedoch das Preisniveau der Sun-Workstations den Kosten für einen herkömmlichen PC annähere, werde Solaris auf Intel für diese Anwendergruppe uninteressanter.

Viele Anwender bedauern die Entscheidung der Sun-Verantwortlichen. Vor allem kleinere Unternehmen würden die Intel-basierende Solaris-Variante nutzen, um erste Kenntnisse über das Sun-System zu gewinnen, berichtet ein Anwender in einem Online-Forum. Ein anderer Diskutant äußert Verständnis für die finanziellen Beweggründe des Unternehmens. Für viele Kunden sei dieser Schritt allerdings bedauerlich. Eine Stimme äußert unverhohlen Ärger: "Das ist das Ende meiner Freundschaft zu Sun. Ich werde zukünftig ein T-Shirt mit Pinguinmotiv tragen."

Rettung durch Lizenzgebühren?Die Proteste der Anwender zeigen erste Wirkung. Sun-Vertreter erklärten sich zu einem Treffen mit den Solaris-Anwendern bereit. Dort sollen die Bedenken der Kunden sowie mögliche Lösungen wie Lizenzgebühren für das Intel-Solaris diskutiert werden. Eine Wende in Sachen des Betriebssystems ist jedoch nicht in Sicht.

Mit der Entscheidung, Solaris vorerst nur noch für die eigene Sparc-Architektur weiterzuentwickeln, vertieft sich der Graben zwischen Sun und Intel. Bereits im Jahr 2000 wurde die Entwicklung von Solaris für die IA-64-Plattform Intels gekippt. Für das Scheitern des Projekts machten sich damals die beiden Firmen gegenseitig verantwortlich.

Sun zieht sich mit der Abkehr von der Intel-Architektur tiefer in seine Sparc-Solaris-Nische zurück. Nach Einschätzung von Experten könnte diese Taktik jedoch böse enden. Während sich Compaq und Hewlett-Packard langfristig von den eigenen Risc-CPU-Linien verabschieden, bleiben Sun und IBM die letzten Protagonisten der Risc-Plattformen. Ob sich für diese Firmen eine eigene Chipentwicklung angesichts der drohenden Übermacht Intels auf Dauer rechnet, scheint fraglich. (ba)