Kyffhäuser-Bund

21.11.1980

Das wohl Wichtigste bei der Ankündigung des neuen IBM-Größtrechners 3081 (siehe Seite 0 verbirgt sich hinter einer kleinen Textpassage, die in der achtseitigen IBM-Presse-lnformation erst auf Seite sieben erscheint: "Die Systemsoftware ist der Schlüssel, der die Nutzung des neuen Rechners erschließt "

Schlüsselfrage: Was ist das für ein Türöffner? Hat er einen neuen Bart oder paßt er wieder nur in das Kyffhäuser-Tor, hinter dem Barbarossa aus OS/360-Source-Statements ellenlange Schürzen für Betriebssystem-Monstren strickt?

Um es kurz zu machen: Der Prozessorkomplex 3081 glänzt zwar mit einer bei IBM neuen Hardware-Architektur ("dyadisches" Rechenwerk), "sicherer" Chip-Verpackung (Helium-Kühle) und geheimnisumwittertem Mikrocode - bei der Systemsoftware bleibt jedoch fast alles beim alten.

Der H-Jumbo wird nämlich von dem das Betriebssystem MVS/SE verbessernden MVS/SP (System Product) sowie von VM/SP unterstützt.

Zusammen mit der "Erweiterten Adressierung" waren diese beiden lizenzpflichtigen IBM-Software-Produkte im Sommer dieses Jahres für die 3033-Prozessoren angekündigt worden.

Ist damit die Serie 303X endgültig als Übergangslinie fixiert, die 370-Anwender an die H-Serie anbinden soll, so bleibt die Frage nach der langfristigen IBM-Betriebssystem-Strategie nach wie vor offen. Soviel scheint sicher: Die IBM wird nicht ständig weiter mit dem Betriebssystem-Salat leben wollen, den sie sich in den siebziger Jahren selbst angemacht hat. VM war immerhin das achte Betriebssystem der 370-Familie.

Daß MVS/SP jetzt für die 4341-2, die verbleibenden 303X-Prozessoren 3033U, 3033S, 3033N, 3033AP und 3033MP sowie für den Rechner 3081 angeboten wird, unterstreicht den Willen der IBM zu einer Betriebssystem-Vereinheitlichung.

Gleichwohl sind Zweifel angebracht, ob IBMs Betriebssystemklammern MVS und VM dem Entwicklungsdruck standhalten werden immer teurer, immer redundanter), oder ob nicht doch Bruchstellen vorhanden sind, die das 3081-Announcement noch geschickt kaschieren konnte.

Solche Bruchstellen könnten sich zeigen, wenn es um die Frage geht, ob der Markt die enormen Mips-Leistungen absorbieren kann, die die neuen IBM-Großrechner bieten.

Experten gehen davon aus, daß dem 3081-Rechner mit einer Prozessorleistung von rund zehn Millionen Instruktionen pro Sekunde sowohl schwächere als auch wesentlich stärkere H-Modelle folgen werden. Von daher bedeutet es ein besseres Verständnis für die Anlage, sie nicht als Spitzenmodell der 303X zu sehen, sondern - von einer optimistischen IBM vielleicht vier Jahre hochgerechnet - als "neue Mitte" zu betrachten, die 1-Mips-Maschinen wie die 3031 an den unteren Rand des Mainframe-Spektrums drängt.

Was hat dies mit Betriebssystem-Aussichten zu tun? Eine ganze Menge. Denn angesichts der Tatsache, daß der Großrechner-Absatz nur dann wieder steigen dürfte, wenn sich die Computer-Anwendung weiter in Richtung "verteilte Datenverarbeitung" entwickelt, kommt online-orientierten Betriebssystemen für die "Spinnen im Netz" eine enorme Bedeutung zu.

Nun ist auch MVS, das aus dem OS heraus entwickelt wurde, ursprünglich ein Betriebssystem für Stapelverarbeitung.

Nicht umsonst hat IBM für das Distributed Data Processing-Produkt 8100 ein jungfräuliches Betriebssystem entwickelt, das dem DDP-Konzept entspricht.

Der Umkehrschluß ist zwingend: Wenn DDP kommt, dann kann IBM mit MVS in seiner heutigen Struktur nichts mehr anfangen. Vielleicht steckt hinter der 3081-Ankündigung doch mehr, als jetzt sichtbar wird.