Industrieroboter müssen in das Automationskonzept eingebettet werden:

Kurze Fertigungslaufzeiten für Roboter ideal

09.11.1984

Bei den Industrierobotern feiern die Unsitten des Black-box-Denkens und der hardwareorientierten Installationsentscheidung fröhliche Urstände. Fehlentscheidungen, mindestens aber unzureichende Roboter-Anwendung in der Praxis sind die Folge, wenn sowohl die Softwareseite als auch die Technologie, die der Roboter "beherrschen" soll, vernachlässigt werden. Dr. Axel Gerhard von der Uniweld-Gruppe. Köln, beschreibt das Problem aus der Sicht der Roboterschweißtechnik, einem der Schwerpunkte des Robotics.

Der Industrieroboter ist selten die alleinige Antwort auf die Frage nach der Automatisierbarkeit von Fertigungsverfahren. Er ist häufig eingebettet in ein Organisationskonzept und ein maschinentechnisches Umfeld, dessen Zusammenspiel mit dem Industrieroboter den Erfolg der Automatisierung bestimme. Hierin übernimmt der Roboter nur einen Verfahrensschritt, der von vielen anderen Verfahrensparametern begleitet sein kann. Verfahrenstechnik und Anlagentechnik stehen damit gleichberechtigt neben der Robotertechnik. Sie schaffen gemeinsam die automatisierte Fertigungsanlage.

Hieraus beantwortet sich die Frage nach der Systemverantwortung für eine automatisierte Fertigungsanlage, in die Roboter integriert sind. Ist die Verfahrenstechnik einfach oder von untergeordneter Bedeutung, so wird der höhere Anteil an der Gesamtinvestition und/oder die zentrale Steuerung darüber entscheiden, ob der Roboterhersteller oder der Anlagenbauer sinnvollerweise die Verantwortung trägt.

Steht jedoch eine komplexe Verfahrenstechnik im Vordergrund, wie dies beim Lichtbogenschweißen der Fall ist, so entscheidet sie über den Erfolg der Automatisierung. Ein spezialisierter Anlagenbau wird dann gefordert. Er hat den Erfordernissen der Verfahrenstechnik zu folgen und ist in sie eingebunden. Die Anforderungen an den Industrieroboter werden verfahrenstechnisch definiert. Die Systemverantwortung liegt bei den Verfahrenstechnikern und im Falle des Lichtbogenschweißens bei den Lieferanten der schweißtechnischen Ausrüstung in enger Zusammenarbeit mit dem schweißtechnischen Maschinenbau.

Der erfolgreiche Einsatz von Industrierobotern zur Automatisierung industrieller Fertigungsverfahren verlangt daher eine differenzierte Betrachtungsweise jedes einzelnen Anwendungsbereiches.

Moderne Industrieroboter realisieren Bewegungsabläufe auf Bahnkurven. Sie können damit Teilschritte technischer Fertigungsverfahren verwirklichen oder deren neue Verfahrensparameter "Bewegen" darstellen. Sie haben neue Wege zur Automatisierung zahlreicher Fertigungsverfahren eröffnet oder deren Automatisierung erst ermöglicht. Während sich noch drei bis vier Achsen der Bewegung mit herkömmlichen Mitteln des Maschinenbaus darstellen lassen, bringt der frei programmierbare Industrieroboter mit seinen fünf bis sechs Achsen der Bewegung den Durchbruch zur Nachbildung beliebiger Raumkurven und gleichzeitig den Übergang zur flexiblen Automatisierung.

Zahlreiche Verfahren der Handhabung, des Lackierens, der Montage, des Schneidens und der Verbindungstechnik, insbesondere auch des Schweißens, die in herkömmlicher Weise nur manuell verwirklicht werden konnten, können jetzt automatisiert werden, wenn Industrieroboter Bestandteil der Fertigungsanlage werden. Dabei verfährt der Industrieroboter entweder das Werkstück beziehungsweise dessen Komponenten (Handhabung, Montage) oder das Werkzeug (zum Beispiel Schweißbrenner, Lackierpistole) im vorprogrammierten Bewegungsablauf.

Der Industrieroboter steht jedoch - mit Ausnahme der Handhabung - nicht allein für die Lösung der Automatisierungsaufgabe; er muß von peripheren Anlagen zur Fixierung und/oder Positionierung des Werkstuckes oder des Werkzeuges umgeben sein, die für den Erfolg der Automatisierung von gleicher Bedeutung sind. Darüber hinaus sind für die zahlreichen Fertigungaufgaben weitere Geräte- oder Anlagengruppen erforderlich, die mit Ausnahme der Bewegung die übrigen verfahrenstechnisch relevanten Parameter liefern. Schließlich läßt die Entwicklung moderner Sensoren auch die Möglichkeit der automatisierten Anpassung des idealen Bewegungsablaufs des Roboters an die realen Verhältnisse erwarten.

Der Industrieroboter ist damit häufig nur eine Baugruppe einer komplexen automatisierten Fertigungsanlage und bei der Investitionsbetrachtung nur ein Teil der gesamten Anlageninvestition .

Bewegungsablauf einen in sich geschlossenen Fertigungsschritt, besteht also das Fertigungsverfahren wie bei der Handhabung allein aus dem Verfahrensparameter "Bewegen des Werkstücks", so steht er allein für die Lösung der Automatisierungsaufgabe. Bei zahlreichen Fertigungsverfahren ist jedoch der Verfahrensparameter "Bewegen" nur einer von mehreren Verfahrensparametern. Hier kann die Bedeutung des Industrieroboters nur am Zusammenspiel aller verfahrenstechnisch relevanten Parameter gemessen werden.

Die Lösung von Automatisierungsaufgaben in der Lichtbogenschweißtechnik sind hierfür beispielhaft. Der bahngesteuerte Schweißroboter übernimmt die Aufgabe eines frei programmierbaren Brennerführungssytems und ist in der Lage, den Schweißbrenner in der verfahrenstechnisch erforderlichen Anstellung zur Schweißnaht die Schweißfuge entlang zu bewegen. Das Werkstück jedoch muß durch Spann- und Positionieranlagen zum Schweißen fixiert und in die schweißgerechte Lage bewegt werden, die verfahrensbedingt ist. Ruht das Werkstück während des Schweißvorgangs, so wird die Schweißgeschwindigkeit, die ein wesentlicher Verfahrensparameter ist, durch die Roboterbewegung vorgegeben. Erfordert der Verfahrensablauf während des Schweißvorgangs die Positionierung des Werkstücks in die schweißgerechte Lage, so wird die Schweißgeschwindigkeit durch die Relativbewegung Werkstück - Schweißbrenner verwirklicht. In diesem Fall automatisiert der Schweißroboter nur einen Teilbereich des Bewegungsablaufes, der seinerseits den Verfahrensparameter "Schweißgeschwindigkeit" realisiert.

Neben den Verfahrensparametern "Schweißgeschwindigkeit", "schweißgerechte Lage des Werkstücks" und "Schweißfolge, die durch Bewegungsabläufe dargestellt werden, wird das Lichtbogenschweißen durch weitere fünf bis sechs Parameter bestimmt, von denen - je nach Schweißverfahren (MIG-MAG, WIG, Plasma, Unterpulver) - zwei bis sechs Parameter variabel und eins bis drei Parameter Ein/Aus-Funktionen sind. Jeder einzelne Verfahrensparameter ist für die erfolgreiche Durchführung des Schweißverfahrens von gleicher Bedeutung und muß in den automatischen Ablauf mit einbezogen werden.

Damit erhält die Kenntnis der gesamten Verfahrenstechnik zentrale Bedeutung für die Lösung der Automatisierungsaufgabe. Der Industrieroboter - wird zu einer wichtigen, aber mit anderen Anlagenteilen gleichgeordneten Baugruppe zur Automatisierung komplexer Verfahren der Fertigungstechnik.

Auch die Robotersteuerung erhält nur dann eine zentrale Bedeutung für die Automatisierung einer Fertigungsanlage, wenn sie in der Lage ist, den gesamten Fertigungsablauf zu steuern. Dies ist bei der Automatisierung zahlreicher Fertigungsverfahren der Fall (Handhabung, Lackieren usw.). Werden jedoch komplexe Fertigungstechniken, wie beispielsweise das Lichtbogenschweißen, betrachtet, so können andere Steuerungsvarianten erforderlich werden. Eine Analyse von automatisierten Fertigungsanlagen der Lichtbogenschweißtechnik führt zu der folgenden Aufgabenstellung für die Anlagensteuerung:

- fünf bis sechs Achsen des Industrieroboters

- Eins bis sechs Achsen der Positioniereinheiten

- Fünf bis acht Befehlssignale zur Ansteuerung der Stromquelle

- insgesamt sechs bis zwölf Achsen der Bewegung und

- fünf bis acht Befehlssignale

Die Kapazität serienmäßiger Robotersteuerungen wird häufig überschritten. Die Steuerung der Gesamtanlage muß dann entweder über verknüpfte Einzelsteuerungen erfolgen oder von einer übergeordneten Steuerung wahrgenommen werden; Die übergeordnete Steuerung wird jedoch auch dann häufig erforderlich, wenn mehrere Roboter aufeinander abgestimmt an einer Fertigungsaufgabe arbeiten.

Es gibt beim Einsatz von Industrierobotern in automatisierten Fertigungsanlagen Anwendungsbereiche, die der Robotersteuerung nur Teilbereiche der Steuerungsaufgaben zuweisen, sie gleichberechtigt neben anderen Steuerungsgruppen treten lassen oder sie einer zentralen Anlagensteuerung unterordnen.

Schließlich muß die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Investitionen von automatisierten Fertigungsanlagen unter anderem sorgfältig die Vorteile der flexiblen Automatisierung mit Industrierobotern gegenüber starren Lösungen der Automatisierung prüfen. Ist die technische Lösung allein mit Robotern möglich, so steht der Robotereinsatz außer Frage. Bestehen jedoch auch. andere technische Lösungen, so muß der Einsatzbereich der Roboter klar abgegrenzt werden. Kleine und mittlere Serien, Fertigungen mit häufigen Modellwechseln und Großserien mit kürzeren Laufzeiten sind ideale Einsatzgebiete für Roboter. Großserien mit langen Laufzeiten lassen sich jedoch häufig mit starren automatischen Fertigungsanlagen wirtschaftlicher herstellen. Die Konzeption automatischer Fertigungsanlagen schließt damit nicht immer die Verwendung von Industrierobotern ein.