Kurswechsel

19.06.1981

Der Computermarkt ist müde - präziser gesagt: der Universalrechnermarkt. Das Neugeschäft, ansonsten Salz in der Suppe, stagniert; die Auftragskurve verläuft bei einigen Herstellern sogar mit einem deutlichen Knick nach unten - und das ist sicherlich nicht jahreszeitlich bedingt.

Putzmunter sind dagegen die Kleinen: Minis, Mikros, autonome Arbeitsplatzcomputer. Kunststück: Die Produktion wird dank hoher Stückzahlen immer rentabler, die Endverbraucher-Preise gehen in den Keller.

Anders, wie gesagt, die Großwetterlage über Mainframien: Der Hinweis auf die arg gebeutelte International Computer Limited (ICL) genügt, um die General Purpose Computer-Flaute zu verdeutlichen. Es gab immerhin Zeiten, da brachten die Briten selbst in der Bundesrepublik genug Großkunden für einen eigenen Benutzerverein zusammen. Wo sind sie geblieben? Heute ist ICL ein Hersteller, der nur noch im Negativen "Furore macht".

Die Ursachen für die Absatz-Misere im Universalrechner-Bereich sehen Branchenbeobachter in der Personalknappheit (DV-Spezialisten fehlen sowohl bei den Anwendern als auch bei den Herstellern) sowie in der Komplexität der heutigen, historisch gewachsenen Anwendungen, die auf hierarchisch strukturierten Zentralrechnern laufen.

Auf dem Frühjahrsmeeting der IBM-Benutzer-Organisation SEAS, Share European Association, klang in einigen Referaten die Besorgnis an, die Komplexität der Rechnersysteme könnte eher noch zunehmen (siehe Seite 4).

In diesem Zusammenhang wurde auch IBMs dyadischer Prozessorkomplex 3081, von dem sich manche Anwender Wunderdinge erwarten, als möglicher Komplexitätsvervielfältiger genannt. Aus Anwendersicht stellt sich das Problem so dar, daß die überladenen "Rucksack-Systeme" (Mapping, Swapping, Paging) einfach nicht mehr überschaubar sind. Der Kollaps steht unmittelbar bevor.

Resultat: Viele Anwender halten sich bei der Einführung neuer Konzepte wie "Distributed Data Processing" zurück; es werden bei weitem nicht mehr so viele Boxen installiert wie in den siebziger Jahren.

Damit ist der stärkste Wachstumsmotor der DV-lndustrie, die bisher fast ausschließlich vom Hardware-Verkauf lebte, bedenklich ins Stottern gekommen, zumal die Software die ihr von den Unbundling-Strategen zugedachte Rolle als Umsatz-Vehikel noch nicht vollwertig übernehmen kann (siehe Seite 9: "IBM ist auch das größte Softwarehaus"). Die meisten Computer-Hersteller halten denn auch einen Kurswechsel in ihrer Produkt- und Marketing-Politik für dringend geboten - die wenigsten, so hat es den Anschein, wissen indes, wie er zu bewerkstelligen wäre.

Statt mehr Innovation, darin ist man sich einig, sollte dem Anwender mehr Sicherheit geboten werden, daß sein mühsam zusammengetragenes (DV-)Vermögen - also Menschen, Maschinen und Programme - nicht laufend entwertet wird. Kein Hersteller, der sich diesem Argument verschließen würde.

In Festtagsreden klingt auch gelegentlich schon mal an, es sei schlichtweg Wahnsinn, sich mit der neuesten Hardware quasi selbst zu überholen. Doch zwischen Theorie und Praxis, Reden und Handeln klafft eine große Lücke.

Der harte Wettbewerb auf dem Computersektor läßt es einfach nicht zu, daß sich die einzelnen Marktteilnehmer eine Phase der technologischen Enthaltsamkeit gönnen können. So wird die technologische Lücke zwischen Hardware und Software immer größer. Bleibt nur abzuwarten, wer zuerst schlappmacht: die Hersteller oder die Anwender.