Kundenprestige wiegt schwerer als der Vertragswert SAP und Daimler-Benz einigen sich auf Liefervereinbarungen

27.04.1995

MUENCHEN (qua) - Einen auf drei Jahre befristeten Rahmenvertrag im Gesamtwert von 16 Millionen Mark haben die SAP AG, Walldorf, und die Daimler-Benz AG, Stuttgart, geschlossen. Laut Pressemeldung will das groesste deutsche Industrieunternehmen "konzernweit" die SAP-Software R/3 einsetzen.

Die Nachricht ist nicht falsch, aber irrefuehrend. Wie verschiedene Stellen innerhalb des Daimler-Benz-Konzerns bestaetigten, wird R/3 tatsaechlich in unterschiedlichen Geschaeftsbereichen eingesetzt oder evaluiert - und zwar innerhalb aller vier Tochterunternehmen. Von einer generellen Empfehlung fuer die SAP-Software koenne allerdings keine Rede sein. Den einzelnen Unternehmensteilen bleibe unbenommen, von Fall zu Fall selbst zu entscheiden, welche Software sich fuer ihre Zwecke am besten eigne.

Auch die im Vertrag genannte Summe laesst keineswegs auf eine "strategische" Bedeutung der SAP-Software schliessen. Bei einem Umsatz von mehr als 100 Milliarden Mark duerften die jaehrlichen DV- Ausgaben der Daimler-Benz AG mindestens eine Milliarde Mark betragen. Die Investitionsmoeglichkeiten, die ein solches Budget eroeffnet, veranschaulicht ein anderer Rahmenvertrag: Eine mit der IBM getroffene Vereinbarung belaeuft sich auf 750 Millionen Mark.

Vor diesem Hintergrund sind die fuer R/3-Lizenzen vorgesehenen 16 Millionen nur ein kleiner Fisch. Ein Teil dieser Summe resultiert im uebrigen aus bereits erteilten Auftraegen: Eigenen Angaben zufolge wird die SAP einige ihrer Unix-basierten Softwaremodule - hauptsaechlich fuer die Anwendungsbereiche Finanzwirtschaft, Controlling und Anlagenwirtschaft - an die Daimler-Benz- Niederlassungen in Australien, Spanien, Griechenland, Grossbritannien, Daenemark, Japan und Mexiko ausliefern.

Allerdings hat dieser Abschluss fuer SAP einen hohen Prestigewert. Schade nur, dass sich beide Partner ueber die tatsaechlichen Vertragsbedingungen ausschweigen! Offenbar enthaelt das Abkommen wenig mehr als die Lieferkonditionen, die SAP dem Anwenderunternehmen einzuraeumen gedenkt. Unbeantwortet blieb beispielsweise die Frage nach den Konsequenzen, wenn Daimler-Benz weniger SAP-Software abnimmt, als dem Vertragswert entspricht. Die Frage nach dem gegenteiligen Fall stellt sich laut SAP derzeit nicht.