Kundenorientierung ist Chefsache

10.01.2007
Von Wolfgang Schwetz.  
Kundenorientierung als Unternehmensstrategie zu verstehen, hat sich noch nicht durchgesetzt. Die Folge: CRM bleibt ein IT-Projekt - und der Nutzen weit hinter den Möglichkeiten zurück.

Der Nutzen und die Chancen von CRM und einer Kundenorientierungsstrategie für das eigene Unternehmen werden nicht erkannt, weil es an Zukunftsvisionen und klaren Zielen fehlt. Das Management überlässt das Thema daher meist der IT. Dort herrscht nicht selten erhöhter Handlungsbedarf angesichts der vielen in den vergangenen Jahren gewachsenen Insellösungen und des enormen Aufwands, das im Unternehmen vorhandene Wissen tatsächlich nutzen zu können.

Checkliste: Erfolgsfaktoren für die CRM-Einführung

Wenn die folgende Checkliste vor dem Projektstart in allen Punkten mit "ja" beantworten werden kann, sind gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche CRM-Einführung geschaffen worden.

l CRM hat grünes Licht von oben - CRM ist Chefsache

l CRM ist kein IT-Thema - Projektleitung liegt bei Vertrieb, Marketing oder Service

l CRM beginnt im Kopf - Kundenorientierung ist die Chance auf langfristige Zukunftssicherung

l Management und Mitarbeiter sind bereit für Veränderungen

l Reengineering der Geschäftsprozesse ist als notwendig erkannt

l CRM braucht konkrete Ziele und messbaren Nutzen

l Akzeptanz ist oberstes Ziel für erste Ausbaustufe

l Kunden und Kunden-nutzen werden einbezogen

l Think big (mittelfristiger Rahmenplan) - start small

l CRM ist einfach - Keep it simple (KIS)

l Planung und Steuerung erfolgen auf Kundenebene - der Kundenwert ist der Maßstab für Prioritäten

l Software wird systematisch ausgewählt und geprüft

l Schulungsumfang ist ausreichend dimensioniert

l Systemadministration und Benutzerservice sind beschlossen

l CRM ist kein einmaliges Projekt, sondern ein ständiger Verbesserungsprozess

CRM braucht klare Ziele

Damit bleibt der Nutzen auf Rationalisierung und Effizienzsteigerung beschränkt. Damit soll nicht gesagt werden, dass hieraus kein Nutzen für die Unternehmen entsteht. Immerhin sind das Wissen über die Kunden nun unternehmensweit verfügbar und der Zugriff auf die Insellösungen durch eine Integrationsplattform möglich. Aber dieser Nutzen befindet sich auf der Erfolgsskala von CRM an unterster Stufe. Auf dieser Ebene lässt sich auch der ROI der Investitionen in das CRM-Projekt kaum seriös formulieren, es sei denn durch Zeiteinsparungen. Diese sind aber nicht das Ziel von CRM. Außerdem muss diese Nutzenargumentation bezweifelt werden, da mit gestiegenen Qualitätsansprüchen auch ein erhöhter Aufwand für die Datenpflege verbunden ist.

Nicht selten beschränkt sich die Arbeit des Projektteams, dessen Leiter leider allzu oft aus dem IT-Bereich kommt, auf die Definition der Anforderungen an die Software. Weil die mittelfristige Unternehmensstrategie fehlt, wird lediglich die gegenwärtige Situation betrachtet. Dabei steckt in der kritischen Analyse und Neuausrichtung der Geschäftsprozesse rund um die Kunden die Chance auf klare Wettbewerbsvorteile in der Zukunft. Künftige Verbesserungsmöglichkeiten werden daher nicht oder kaum wahrgenommen. Dies ist aber ein Thema für die Fachbereiche Marketing, Vertrieb und Service und erfordert eine sorgfältige Planung. Daraus ergeben sich später die Inhalte für Lastenhefte.

Fehlen als Grundlage für die CRM-Software die künftigen Geschäftsprozesse, orientieren sich die Projektteams gern an eher zufällig ausgewählten Softwareherstellern, von denen man sich mangels eigener konkreter Ziele die entscheidenden Impulse erhofft. Die Softwarehersteller ergreifen diese Chance gern und helfen dem Projektteam bei der Erledigung bisher vernachlässigter Hausaufgaben. Immerhin ist dies bereits der erste Teil eines meist lukrativen Softwarevertrags. Dass die Softwarehersteller dabei vorrangig die Einsatzbedingungen ihrer Software definieren, ist aus deren Sicht zwar nicht verwerflich. Doch die Interessen der Anwenderunternehmen kommen dabei nicht selten zu kurz. Softwareauswahl ist die Stufe fünf eines CRM-Projekts und erfordert angesichts von über 100 Anbietern ein sorgfältiges mehrstufiges Auswahlverfahren mit Ausschreibung.

Werden die Geschäftsprozesse erst nach der Implementierung der CRM-Software im Detail erarbeitet, besteht außerdem die Gefahr, dass daraus neue und andere Anforderungen entstehen, die eventuell von der eingeführten Software nicht mehr optimal unterstützt werden.

Akzeptanz der Anwender

Gegen die Einführungsstrategie der kleinen Schritte (quick wins) ist nichts einzuwenden, jedoch sollte dem ein mittelfristiges Rahmenkonzept zugrunde liegen. Um nicht eine weitere Insellösung zu entwickeln, die nach kurzer Zeit die Grenzen ihrer Ausbaufähigkeit erreicht hat, hat es sich bewährt, zunächst ein umfassendes Rahmenkonzept zu entwickeln.

Wird CRM zu sehr von der IT-Seite betrachtet, bleibt die Akzeptanz der Mitarbeiter im Allgemeinen und des Außendienstes im Besonderen oft auf der Strecke. Dieser fühlt sich mangels fehlender Ziele und Strategien oft als Datenerfasser der Zentrale missbraucht und nimmt diesen Zusatzaufwand nur widerwillig wahr, weil er persönlich keinen Nutzen damit verbinden kann. In Wirklichkeit hat er Angst, sein Wissensmonopol zu verlieren. Dies hat negative Folgen: Fehlen den Mitarbeitern an der Kundenfront klare Vorteile für ihre Tagesarbeit, verkommen die Daten in der Kundendatenbank rasch zum Alibi. Noch schlimmer steht es um die Akzeptanz, wenn die mittlere Management-Ebene den Wandel vom Aufpasser zum Coach nicht schafft und nach wie vor die Überwachung des Außendienstes als Ziel verfolgt.

Weil die breite Akzeptanz durch die Anwender von Anfang an erfolgsentscheidend für die CRM-Einführung ist, sollte sie die oberste Zielsetzung der ersten Aufbaustufe sein. Sie kann nur durch Einbeziehung aller Betroffenen, auch des Außendienstes, von Beginn an in die Projektarbeit und die Konzeptionsphase erreicht werden. Dabei müssen neben den Unternehmenszielen die Vorteile und der Nutzen für die Anwender in den Vordergrund gestellt werden. Denn nur dann werden sie das CRM-System überzeugt einsetzen und vor allem bereit sein, ihr Wissen mit allen anderen Mitarbeitern zu teilen.

Schulungsbudget zu knapp

Die technologische Ausrichtung des CRM-Projekts hat weitere negative Folgen in der Einführungsphase: Das Schulungsbudget wird meist zu knapp bemessen, da es sich nur auf das Handling des CRM-Programms konzentriert, statt auch auf ein strategisches Training zur Verbesserung des Vertriebserfolgs mehr Wert zu legen. Dazu gehört auch der Wandel des Verkäufers vom Auftragsabholer zum Kunden- und Gebiets-Manager.

Wer sich um die Verbesserung der Kundenorientierung seines Unternehmens bemühen will, sollte die Kunden nicht vergessen. Das ist durchaus ernst gemeint. Durch Befragungen und Marktforschung sind die Erwartungen und Anforderungen der Zielgruppen an die künftige Zusammenarbeit zu erheben, zu analysieren und auszuwerten. Die Ergebnisse sind ein sehr wichtiger Input für das CRM-Projekt von der Marktseite her. Meist begnügen sich die Unternehmen mit dem Aberglauben, ihre Kunden ohnehin gut genug zu kennen.

Systembetreuung unerlässlich

Zu den häufigsten Fehlern bei der CRM-Einführung gehört auch die Vernachlässigung der Systembetreuung und des Benutzerservices. Meist dem IT-Bereich verantwortlich, beschränkt sich deren Aufgabe auf die technische Systemadministration und Behebung von Softwarefehlern. Für eine dauerhafte Akzeptanz und einen reibungslosen Betrieb ist es jedoch notwendig, zusätzlich einen Benutzerservice einzurichten. In den Fachbereichen vor Ort eingerichtet, sind diese Power-User erste Ansprechpartner für die Anwender sowohl bei technischen Problemen als auch bei fachlichen Fragen zu einzelnen Anwendungsgebieten. Bei den beschriebenen Defiziten einer CRM-Einführung handelt es sich um Fehler und Versäumnisse in der Planungsphase des CRM-Projekts. Wie in anderen Projekten auch, werden bei der CRM-Einführung mit der Planung die Grundlagen für den späteren Erfolg geschaffen. (ave)

* Wolfgang Schwetz ist Geschäftsführer der Schwetz Consulting GmbH, Experte für CRM und Mitglied des CRM-Expertenrats.