Kundenkarte macht Betreiber happy

21.01.2005
Von Gerhard Auer
Hinter der Bezeichnung "Happy Digits" verbirgt sich eines der größten Partnerprogramme zur Kundenbindung. Ihm liegt eine komplexe, auf mehrere Millionen Teilnehmer skalierbare CRM-Architektur zugrunde.

Wer eine Happy-Digits-Karte besitzt, kann nicht nur bei Karstadt, Quelle und Neckermann, sondern auch bei T-Com, T-Online und T-Mobile, Kaiser?s und Tengelmann, bei Sixt, bei Runner?s Point und Golf House sowie im KaDeWe oder dem Hamburger Alsterhaus Bonuspunkte sammeln. Neben den Prämien profitiert der Kunde auch von Rabatten, von einer jahresgebührenfreien Master-Card oder von Calling-Card-Aktionen zum vergünstigten Telefonieren. Mehr als 22 Millionen dieser Kundenkarten sind bereits auf dem Markt. Doch langfristig ist ein Treueprogramm nur dann erfolgreich, wenn es die Teilnehmer durch immer wieder neue und individuelle Services emotional bindet.

Die Betreibergesellschaft Customer Advantage Program GmbH (CAP), ein Joint Venture von Deutscher Telekom und Karstadt Quelle, sieht ihre Aufgabe primär im strategischen Management des Bonusprogramms; ein Outsourcing der technischen Entwicklung und des IT-Betriebs stand außer Frage. Das erledigt T-Systems als Generalunternehmer des Projekts. Konzeption und Realisierung der Gesamtarchitektur übernahm - als Subkontraktor - der CRM- und Integrationsspezialist CHS Data Systems.

Modulare Architektur

Die reine Größenordnung von Happy Digits, seine Flexibilität und die hohe Teilnehmeraktivität stellten hohe Anforderungen an die technische Umsetzung des CRM-Projekts. Die Vorbereitungen für den Start begannen Mitte 2000 mit einem Konzept für eine auf bis zu 25 Millionen Teilnehmer skalierbare CRM-Architektur. Als Plattform für das CRM-System wurde die Software von Siebel gewählt. Die IT-Dienstleister haben das System zu einer modularen und tragfähigen Architektur erweitert: Neben dem Teilnehmer-Management, der Kundenkontakthistorie und dem Prämien-Management ist dort auch die Call-Center-Anwendung abgebildet.

Darüber hinaus beschlossen die Planer, einen Java-basierenden Application-Server einzusetzen, um die Schnittstellen-Architektur ebenso skalierbar und flexibel zu gestalten zu können. Der Server integriert alle Backend-Systeme - hierzu zählen die Kontoführung der Happy Digits auf Basis einer Oracle-Datenbank sowie die Finanzbuchhaltung auf SAP-Software - sowie die Schnittstellen zu externen Partnern mit dem Standard-CRM-System auf Siebel-Basis.

Für diesen Java-Server wurde auch das Internet-Portal des Loyalitätsprogramms entwickelt. Analytische Funktionen steuert ein Data Warehouse bei. Schlussendlich waren die verschiedenen Partnersysteme über Schnittstellen einzubinden - und zwar so, dass jedem von ihnen der Zugriff auf die Daten der eigenen Teilnehmer, nicht aber auf die der anderen möglich ist.

Ein wichtiges Merkmal der CRM-Architektur besteht darin, dass im Gesamtsystem keinerlei redundante Daten entstehen. Sämtliche über die verschiedenen Kontaktkanäle eingehenden Informationen gelangen via Batch- oder Online-Verbindungen in die zentrale Siebel-Datenbank. Auf diese Weise können beispielsweise die Call-Center-Agenten online auch auf gescannte Briefe oder Faxe zugreifen. "Der zentrale Daten-Pool ist sehr wichtig, ansonsten würden schnell inkonsistente Daten entstehen", erläutert Christian Blocksdorf, IT-Leiter der CAP, "und widersprüchliche Auskünfte auf unterschiedlichen Kontaktkanälen würden bei unseren Kunden zu einem großen Vertrauensverlust führen."

Ein weiterer Erfolgsfaktor für das System liegt in der hohen Skalierbarkeit seiner Architektur. So verliefen beispielsweise die Übernahme von mehr als sechs Millionen Klub-Karstadt-Kunden Mitte 2002 und die Abwicklung des ersten Weihnachtsgeschäfts ohne Last- oder Performance-Probleme.

Herausgenommen und verbunden

Hier machte es sich bezahlt, dass die Softwarearchitekten Anwendungen wie die Kontoführung aus der Siebel-Software herausgenommen und nativ auf anderen Systemen abgebildet hatten. Die Kontoführung bleibt aber transparent mit Siebel verbunden. Ein Großteil der Schnittstellenverarbeitung findet auf dem Application-Server statt. So lässt sich die Verwendung komplexer und nicht zu wartender E-Script-Prozeduren in Siebel vermeiden.

Ein Bonusprogramm erhält seine Attraktivität durch individuelle Services, die ständig weiterentwickelt und um neue Angebote ergänzt werden. Also lanciert die CAP jedes Jahr mindestens vier Releases. "Das bedeutet einen hohen Abstimmungsaufwand, da wir die Anforderungen der Partner koordinieren, priorisieren und zu Releases bündeln müssen", erläutert Blocksdorf.

CAP entschied sich für ein klares Mehrstufenkonzept. Wesentliche Funktionen wie die Kontoauskunft für die Teilnehmer über mehrere Kanäle waren von Anfang an garantiert. In ergänzenden Releases wurde dann beispielsweise das Internet-Portal kontinuierlich um Funktionen wie eine Zuzahlungsmöglichkeit für Prämien erweitert. Zur Priorisierung der Anforderungen nutzt die CAP ein Entscheidungsraster, das Kriterien wie "Marktnachfrage", "strategischer Nutzen", "finanzielle Auswirkungen", "zeitliche Relevanz" und "technischen Aufwand" abwägt.

Einheitliche Planungsgrundlage

Insbesondere zur Validierung des technischen Aufwands benötigt die CAP zeitnahe Auskünfte von ihren IT-Partnern. Hier kommen die von CHS Data Systems entwickelten "Realisierungskonzepte" zur Anwendung. Sie benennen nicht nur die Anforderungen des Kunden, sondern beschreiben in hinreichender Detaillierung die spätere Software und die in ihr laufenden Prozesse. Analysten, die dem IT-Architekten zuarbeiten, erstellen damit eine Planungsgrundlage, die auch frühzeitige Kostenaussagen ermöglicht.

"Im Vergleich zum konventionellen Vorgehen mit einem Fach- und DV-Konzept ermöglichen Realisierungskonzepte wesentlich früher konkrete Kosten- und Terminaussagen", so Markus Stoth, der in CHS-Diensten stehende Leiter des Architekurteams von Happy Digits: "Zu 90 Prozent der Anforderungen konnten unsere Analysten innerhalb von zwei Wochen nicht nur Schätzungen abgeben, sondern verlässliche Aussagen treffen."

Da alle operativen Anwendungen auf getrennten Systemen laufen und über den Application-Server miteinander verbunden sind, können Entwickler beispielsweise die Kontoführung verändern, ohne dass sie eines der CRM-Frontends berühren. Gleichzeitig sorgt ein einheitliches Instrument wie das Realisierungskonzept dafür, dass dabei keine widersprüchlichen Prozesse entstehen. Schließlich erfordert die zentrale Datenhaltung in der Siebel-Software immer noch einheitliche Datenfelder oder Plausibilisierungsregeln.

Um den operativen Betrieb nicht zu beeinträchtigen, erzeugt das von T-Systems entwickelte Data Warehouse als einziges System redundante Daten für analytische Zwecke. Anhand der Daten kann die CAP ihre Services nach den Kundenwünschen weiterentwickeln und Teilnehmer mit weitgehend auf sie zugeschnittenen Informationen kontaktieren.

Derzeit plant die CAP den Umstieg auf die Web-basierende Siebel-Version 7.x. Zudem stehen der Ausbau des Kampagnen-Managements sowie ein redaktionelles Content-Management für das Internet-Portal auf dem Programm. Blocksdorf zeigt sich unternehmungslustig: "Ein CRM-System ist nie fertig. Wir wollen unsere Kunden und Partner technisch einwandfrei mit immer wieder neuen Ideen überzeugen." (kf)