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"Kunden wachsen in die S/390-Welt hinein"

06.04.2001
Francis Kuhlen, verantwortlich für das Server- und Speichergeschäft der IBM in Zentraleuropa, erläutert die geplante Zusammenführung der Server-Plattformen.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Francis Kuhlen, verantwortlich für das Server- und Speichergeschäft der IBM in Zentraleuropa, erläutert im Gespräch mit CW-Redakteur Wolfgang Herrmann die geplante Zusammenführung der Server-Plattformen.

CW: Im vergangenen Jahr sind die Server-Umsätze der IBM zurückgegangen. Was waren die Gründe?

KUHLEN: Das ist in erster Linie auf einen schwächeren Mainframe-Absatz im ersten und zweiten Quartal letzten Jahres zurückzuführen. Hier machte sich bemerkbar, dass viele Anwender schon zuvor ihre Rechnerkapazitäten für Tests zum Jahr-2000-Problem aufgestockt hatten.

CW: IBM arbeitet schon seit längerem an der Zusammenführung der unterschiedlichen Server-Plattformen. Wie weit sind die Bemühungen fortgeschritten?

KUHLEN: Mit dem Rebranding, das wir im Oktober ankündigten, haben wir unsere Server-Linien nicht nur dem Namen nach zusammengeführt. Schon zuvor wurden beispielsweise Forschung und Entwicklung für alle Server-Linien in einer Organisation gebündelt.

CW: Betrifft das alle Server-Plattformen – von der Intel-Maschine bis zum Großrechner?

KUHLEN: Ja, IBM hat diese Einheiten schrittweise zusammengeführt. Zuerst wurde die Entwicklung der I- und P-Serie (früher AS/400 und RS/6000, Anm. d. Red.) vereint. Diese Systeme nutzen schon seit vier bis fünf Jahren die gleichen Prozessoren und I/O-Komponenten. Die Vereinheitlichung betrifft aber nicht nur Forschung und Entwicklung, sondern auch Produktion, Marketing und Vertrieb bis hin zum technischen Außendienst, der früher in Silos organisiert war und jetzt die gesamte E-Server-Linie betreut.

CW: Wie sieht die Integration in der Fertigung aus? Gibt es Produktionsstraßen für Intel-Rechner, auf denen auch Mainframe-Komponenten hergestellt werden?

KUHLEN: Es gibt verschiedene Fertigungsstufen, beispielsweise die Prozessorenherstellung. Diese erfolgt auf den gleichen Straßen. Die zugrunde liegende Technologie für alle CPUs ist heute CMOS. Ein Power-Prozessor etwa für einen Server der I- oder P-Serie wird auf den gleichen Fertigungsstraßen und mit den gleichen Technologien hergestellt wie ein Mainframe-Prozessor. Auch die eingesetzten Technologien wie Silicon-on-Insulator oder Kupfertechnik sind gleich. Für Großrechner-CPUs muss natürlich die Designmaske gewechselt werden. Mit dem Power-4-Prozessor wird ab Herbst auch die Keramikkachel aus den Großrechnern eingesetzt.

CW: Gibt es keine Marketing-Probleme, wenn Sie die Server-Linien derart zusammenführen?

KUHLEN: Wir werden uns in diesem und im nächsten Jahr als den führenden Infrastrukturlieferanten darstellen, unabhängig vom Branding oder der Plattform. Unternehmen können ihre E-Business-Strukturen auf sämtlichen Servern unserer E-Serie aufbauen.

CW: Welche Rolle spielt Linux dabei?

KUHLEN: Mit der Verfügbarkeit von Linux auf dem Mainframe können wir die gesamten E-Business-Strukturen mit den verschiedenen Server-Arten in einer Maschine abbilden, also beispielsweise Proxy-Server, Firewall, Directory-Server und so weiter. Das geschieht in unterschiedlichen virtuellen Maschinen (LPARs = Logical Partitions). Die Data- und Transaction-Server stehen daneben hochverfügbar unter OS/390 zur Verfügung. Mit anderen Worten: Man kann mit einem System das gesamte E-Business konsolidieren. Daraus ergeben sich Kostenvorteile. Normalerweise ist dazu eine große Server-Farm erforderlich.

CW: Auch ERP-Anbieter wie SAP bieten mittlerweile ihre Produkte für Linux an. Welche Unternehmen kaufen solche Anwendungen?

KUHLEN: Die Nachfrage nach SAPs Application Server für Linux ist enorm groß. Damit ergeben sich neue Möglichkeiten: Der Datenbank-Server von SAP etwa läuft unter OS/390 und lässt sich auf bis zu 32 Z-Server skalieren. Der Applikations-Server kann unter Linux arbeiten. Im Hinblick auf Mission-Critical-Szenarien lassen sich diese Applikations-Server praktisch unbegrenzt vervielfältigen, denn es sind keine Daten fest damit verbunden. Durch die Trennung der Datenbank unter Z-OS von den Applikations-Servern entsteht ein Mission-Critical-System. Stürzt ein Applikations-Server ab, sind in der Regel noch mehrere andere vorhanden, die die Transaktion weiterbearbeiten können. Deshalb sind Kunden an dieser Lösung interessiert.

CW: Von welchen Kunden sprechen Sie?

KUHLEN: Wir haben sehr viele Kunden, die R/3 erst unter einem Unix betrieben haben, das nicht von IBM war. Diese Unternehmen haben sich mit der Datenbank in Dimensionen vergrößert, die sie nicht mehr beherrschen konnten. Viele sind dann in die S/390-Welt hineingewachsen. Sie fahren die Datenbank auf der S/390 und die Applikations-Server auf Unix- oder NT-Rechnern. Jetzt haben sie die Möglichkeit, die Anwendungs-Server unter Linux auf dem gleichen Großrechner zu betreiben. Bezüglich des System-Managements ergeben sich damit enorme Kosteneinsparungen. Viele Kunden haben auch deshalb Interesse an dieser Lösung, weil sie beispielsweise in ihrem Server-Raum keine neuen Rechner mehr unterbringen können.

CW: Die Plattformvielfalt hat aber auch Nachteile. IBM muss eine ganze Palette verschiedener Betriebssysteme pflegen: OS/390, Z-OS, OS/400, AIX, Dynix/ptx, Windows NT, Windows 2000 und nun auch noch Linux. Das bedeutet einen immensen Aufwand, besonders im Vergleich zu Herstellern wie Sun, die nur eine Plattform bedienen und mit einer durchgängigen Systemarchitektur werben.

KUHLEN: Sun ist mit seiner Server-Reihe nur in einem beschränkten Leistungsbereich tätig. Was Sun im Unix-Bereich anbieten kann, können wir mit unserer P-Series besser und billiger. Diese deckt vom Lowend bis zum Highend mehr ab als Sun, und das ebenfalls mit nur einem Betriebssystem.

CW: Sun bedient vom Ein-Prozessor-Server bis zum Highend-System („Enterprise 10000“) ebenfalls das gesamte Leistungsspektrum. Es reicht vom File-Server bis zum Backend-Server der Mainframe-Klasse.

KUHLEN: Es ist interessant, dass Sun jetzt auch den Anspruch erhebt, Systeme mit Mainframe-Leistung anzubieten.

CW: Sun argumentiert, mit den neuen Midframes biete man Mainframe-Fähigkeiten zum Preis von Midrange-Systemen. Dabei geht es um Funktionen wie dynamische Partitionierung, Hot-Swap-Prozessoren oder Redundanz.

KUHLEN: Damit blendet Sun doch den Markt. Für mich bedeutet Mainframe-Funktionalität Logical Partitioning in einer Modularität, die deutlich unterhalb der Grenze eines einzelnen Prozessors liegt. Das kann Solaris nicht. Mit der Z-Serie können Sie logische Partitionen unabhängig von der Leistungsfähigkeit eines Prozessors definieren. Zweitens: Mainframe steht auch für eine Verfügbarkeit mit fünf Neunen [99,999 Prozent, Anm. d. Red.].

CW: Das versprechen HP und Sun auch.

KUHLEN: Es gibt aber einen Unterschied: Nur mit unserem Z-OS können Sie diese Fünf-Neunen-Verfügbarkeit mit Concurrent Maintenance erreichen. Mit anderen Worten: Sie warten die Betriebssystem-Komponenten bei laufendem Betrieb und installieren Upgrades und neue Releases. Das ist mit keinem anderen Betriebssystem möglich. Darüber hinaus bietet Parallel Sysplex die Möglichkeit, bis zu 32 Systeme zusammenzuschalten, die aus Sicht des Betriebssystems als ein großes System erscheinen. Damit lässt sich eine Datenbank über 32 Server mit je 20 Prozessoren legen, und das im Data-Sharing-Modus.

CW: Auch Sun offeriert Clustering-Optionen.

KUHLEN: Damit liegt Sun mindestens fünf Jahre hinter Parallel Sysplex zurück. Das bestätigen Analysten von Gartner oder IDC.

CW: Nach den Midrange-Servern wird Sun auch Highend-Server wie die Enterprise 10000 mit den neuen Ultrasparc-III-Prozessoren ausstatten. Dann wird sich das Leistungsspektrum erneut verändern.

KUHLEN: Es ist interessant, dass Sun zuerst die Midframes angekündigt hat. Man hat ja schon seit über zwei Jahren von den Ultrasparc-III-CPUs gesprochen. Inzwischen weiß man in der Branche, dass es Fertigungsprobleme gibt. Die neuen Server, die nun schon vor so langer Zeit angekündigt wurden, werden zu einem Zeitpunkt verfügbar, wo wir mit unseren Power-4-basierten Regatta-Systemen auf den Markt gehen können. Diese werden nochmals eine Leistungssteigerung um 100 Prozent bringen.

CW: Wann werden diese Rechner verfügbar sein?

KUHLEN: Im vierten Quartal. Wir gehen den umgekehrten Weg wie Sun. Zuerst kommen die Highend-Systeme auf den Markt; danach bedienen wir schrittweise andere Segmente.