Gast-Kommentar

Kunden sind zu tolerant

06.12.1996

Eine Gruppe von Software-Entwicklern läßt sich durchaus mit einem demokratischen Staat vergleichen. Die Freiheit des einzelnen ist als fundamentaler Bestandteil der Kultur der Software-Entwicklung unverzichtbar. Daher ist es schwierig, den hohen Grad an Disziplin zu erreichen, der erforderlich ist, wenn bereits zu Beginn der Programmierarbeit Qualitätsfragen gründlich diskutiert werden sollen, was mit Recht gefordert wird. Wie in der Demokratie ist auch hier die Erziehung des einzelnen und der Allgemeinheit die einzige Lösung, also Grundlage jedes Total-Quality-Programms.

Kontinuierliche Qualitätssteigerung muß das Schlüsselprinzip sein. Ohne qualifizierbare Meßwerte für die Qualität von Software über deren gesamten Lebenszyklus hinweg ist ein sinnvolles Total-Quality-Programm nicht denkbar. Jeder wiederholt zu gewinnende Meßwert, der tatsächlich Auskunft über die bisher geschaffene Qualität gibt, kann verwendet werden.

Messungen als solche bringen freilich überhaupt nichts, entscheidend ist der Umgang mit ihnen. Jeder, der an einer Software-Entwicklung teilnimmt, muß auf der Erhebung von Meßwerten über den gesamten Softwarelebenszyklus hinweg bestehen und verlangen, diese Ergebnisse zu sehen. Auch muß er sie nachvollziehen können, bevor er das bisher Geleistete akzeptiert.

Das gilt auch für die Kunden. Sie sind heutzutage zu tolerant gegenüber niedriger Softwarequalität. Auch sie sollten auf guter Arbeit bestehen! Es ist zwar verführerisch, möglichst schnell ein fehlerhaftes, eigentlich unfertiges Programm entgegenzunehmen und sich damit mit Hilfe des Herstelleres eben durchzuwursteln - das Warten auf ein rundum akzeptables Produkt kostet schließlich Zeit. Dennoch: Wenn die Kunden sich weigern, mit minderwertiger Software zu arbeiten, tun sie auf längere Sicht nicht nur ihrem Unternehmen, sondern auch dem Lieferanten einen großen Gefallen.