Zukunft der Freiberuflervermittler

Künstliche Intelligenz kann im Matching nur die Vorauswahl treffen

25.10.2017
Von 
Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Keine Angst wegen Google for Jobs: Künstliche Intelligenz kann bei der Vermittlung von IT-Freien bestenfalls die Vorauswahl treffen. Grund zum Ausruhen hat die prosperierende Branche trotzdem nicht, wie neun Insider an einem Roundtable der Computerwoche diskutierten.

Scheinselbstständigkeit, Digitalisierung und Freelancer, die immer anspruchsvoller werden - neun Freiberufler-Vermittler setzten sich an einen Roundtable der Computerwoche und diskutierten Status Quo und Zukunft der Branche. Teilgenommen haben Stefan Frohnhoff (Emagine), Simon Gravel (Freelance.de), Mark Hayes (Harvey Nash), Luuk Houtepen (SThree), Paul Laumann (Experis), Maxim Probojcevic (Solcom), Markus Reefschläger (Geco Group) sowie Nikolaus Reuter (Etengo) und Stefan Symanek (Gulp).

Die Runde um Computerwoche-Redakteurin Karen Funk diskutierte in der Allianz Arena über Status Quo und Zukunft der Freiberufler-Vermittler.
Die Runde um Computerwoche-Redakteurin Karen Funk diskutierte in der Allianz Arena über Status Quo und Zukunft der Freiberufler-Vermittler.
Foto: Michaela Handrek-Rehle

Von Digitalisierung bis zu Arbeitnehmerüberlassung

Die wichtigsten Ergebnisse von Digitalisierung über Social Skills, Arbeitnehmerüberlassung und Scheinselbstständigkeit bis firmeninterne Hemmnisse im Überblick:

1. Digitalisierung: Am Hype um die Digitalisierung kommt die Branche nicht vorbei. Viele Kunden sehen sich unter Druck, "etwas tun zu müssen", wissen aber nicht genau, was. Denn: "den" Digitalisierungsexperten gibt es nicht. Mal geht es um Big Data, mal um Analytics, manchmal auch um Software-Engineering. Zwar vermitteln die Personaldienstleister in viele Projekte, doch oft stehen diese nicht in einem größeren Kontext. Digitalisierung wird die Branche noch lange beschäftigen, denn deutsche Unternehmen stehen noch am Anfang.

Und wie sieht es mit der Digitalisierung in der Branche selbst aus? Der Schuster hat bekanntlich oft die schlechtesten Leisten, wie einer der Teilnehmer anmerkt, und so gibt es kaum Branchenvertreter, die ihre Prozesse automatisieren oder Wissen aus den eigenen Daten ziehen. Kann die Digitalisierung gefährlich werden? Immerhin wird Google for Jobs gerade ausgerollt, was die Vorhut für Künstliche Intelligenz im Matching sein könnte.

Aber: solche Systeme ermöglichen bestenfalls eine Vorauswahl. Denn wenn überall nur noch Algorithmen dahinterstecken, merken und schätzen es die Freelancer, mit einem Menschen zu sprechen - und die Kunden übrigens auch. Die Frage lautet also, inwieweit KI den Menschen imitieren kann. Zur echten Gefahr könnte sich die Blockchain auswachsen, etwa beim Aufsetzen von Verträgen oder der Dokumentation von Projekteinsätzen. Der Blick in die USA taugt als Leitbild nach dem Motto "Try fast - die fast". Aber man darf nicht vergessen: die Amerikaner sind gut bei B2C, die Deutschen dagegen bei B2B.

2. Social Skills: Die Freiberufler werden anspruchsvoller und das können sie sich das bei derzeitiger Marktlage auch leisten. Salopp gesagt: wer nur ein bisschen was von IT versteht, braucht lediglich den Finger zu heben und bekommt einen festen Job angeboten. Für die Freien heißt das, dass sie individuell und punktgenau betreut werden wollen. Dazu zählt etwa, sie nur über die Kommunikationswege anzusprechen, die sie wünschen. Außerdem können sie Anforderungen wie die nach Arbeiten im Home Office stellen.

3. Arbeitnehmerüberlassung (AÜ) und Scheinselbständigkeit: Mancher Freelancer-Vermittler konnte die Freien schon überzeugen, in der Arbeitnehmerüberlassung zu arbeiten, sofern es um größere Konzerne mit interessanten Projekten ging, etwa im Bereich Big Data. Dennoch ist AÜ für Hochkaräter keine echte Alternative. Auch nicht aus Kundensicht, denn wenn Unternehmen nach einer bestimmten Frist alle Beschäftigen gleich bezahlen müssen, müssten sie die bisherigen Gehälter der Festangestellten an die höheren Bezüge der vormals Freien anpassen. Ein großes Problem bleibt die Scheinselbstständigkeit. In Automotive etwa gibt es Kundenunternehmen, die massive Angst davor haben, mit diesem Thema negativ in die Presse zu geraten. Fazit der Gesprächsrunde: "Frau Nahles hat ein Konjunkturprogramm für Juristen aufgelegt."

Noch immer ist Deutsch die Projektsprache

4. Firmeninterne Hemmnisse: Deutsche Unternehmen stehen sich aber auch selbst im Weg, weil sie sich nicht ausreichend globalisieren. So ist die Projektsprache zu oft noch Deutsch. Die großen Ausnahmen sind Berlin und vielleicht noch Hamburg, wo englisch gesprochen wird. Dabei wird der Wettbewerb mit den Studierenden, die jetzt in den Universitäten sitzen, nicht zu gewinnen sein. Es sind zu wenige. Manche Freiberufler-Vermittler sind deshalb in Polen und Tschechien unterwegs. Nearshoring wie Offshoring werden für deutsche Entscheider weiterhin Thema sein.

Ausblick: Die Herausforderung für die Branche besteht jetzt darin, die Freien von den angebotenen Projekten zu überzeugen und sie zu binden. Instrumente wie ein Code of Conduct können dabei helfen. Aus Sicht der Kunden müssen Freiberufler-Vermittler den Kandidaten sowohl nach fachlichen wie menschlichen Kriterien bewerten. Dazu kann auch mal gehören, dem Freien zu sagen, was er zum Gespräch anziehen soll. Die Kunden wiederum müssen sich im Wettbewerb um Talente auch selbst als attraktive Marke präsentieren. Stichwort Selbstdarstellung: Mancher Branchenkenner räumt ein, man habe es versäumt, in Berlin für die eigenen Interessen zu trommeln. Lobby-Arbeit in eigener Sache steht an.