Kuenstliche Intelligenz aus Dortmund Symbolics steht im Abseits - Franz kooperiert mit Nexus

11.11.1994

MUENCHEN (ua) - Der Symbolics Inc., Boston, droht Chapter seven - der Konkurs. Die 1991 mehrheitlich von ihrem Geschaeftsfuehrer Ingo Kriescher uebernommene Symbolics Systemhaus GmbH, Frankfurt, besteht bereits nicht mehr. Kriescher schluepft nun als freier Mitarbeiter bei der Dortmunder Nexus GmbH unter, die ihrerseits eine Kooperation mit dem ehemaligen Symbolics-Konkurrenten Franz Inc. eingegangen ist.

Bereits seit Januar 1993 laeuft ein Vergleichsverfahren (Chapter eleven) gegen Symbolics, einen Anbieter von Software-Tools fuer die Programmiersprache Lisp. Zu seinen besten Zeiten, etwa 1983/84, verbuchte das Unternehmen, das Anfang der 80er Jahre aus dem MIT Massachusetts Institute of Technology hervorgegangen ist, einen Jahresumsatz von 100 Millionen Dollar (1980).

Das Unternehmen gehoerte zu den Pionieren der Kuenstlichen Intelligenz (KI). Laut Kriescher bestand die "herausragende Leistung" darin, dass Symbolics zu einem Zeitpunkt, an dem Workstations ins Bewusstsein der Oeffentlichkeit rueckten, bereits eine leistungsfaehige Arbeitsplatzmaschine anbot. Allerdings war sie fuer die Lisp-Programmierung optimiert und lief unter dem proprietaeren, wenn auch "legendaeren" Betriebssystem "Genera". Daneben entwickelte Symbolics die objektorientierte Datenbank "Statice" und das Hypertextsystem "Concordia".

Der Performance-Gewinn anderer Workstations, die zunehmende Verbreitung von C++, die den Rueckgriff auf Hilfsmittel wie Expertensystem-Shells eruebrigte, sowie der Anwenderwunsch nach Standards fuehrten laut Kriescher ab 1988 zu einem langwierigen Rueckzugskampf. Das Unternehmen fand keinen stabilen Kurs. Auch die Bemuehungen, Genera auf die 64-Bit-Struktur des DEC-Alpha-Rechners zu portieren, konnten den Anbieter nicht mehr retten.

Kriescher besinnt sich auf das Projektgeschaeft

Kriescher war 1988 als General Manager zu Symbolics, Eschborn, gekommen. Er wandelte die deutsche Niederlassung in ein Systemhaus um, das zumindest zeitweilig profitabel arbeitete. 1991 uebernahm er die 80prozentige Majoritaet in diesem Unternehmen. Als 1993 dem Mutterhaus das Vergleichsverfahren ins Haus stand, wurden auch bei Kriescher "nahezu alle Vertraege in kuerzester Zeit gekuendigt". Das Systemhaus verkleinerte seine Mannschaft und verlegte den Sitz nach Frankfurt. Ende 1993 erwarb Kriescher die restlichen Anteile, benannte das Unternehmen in Forus Consult GmbH um und versuchte, sich auf das Projektgeschaeft zu konzentrieren.

Nachdem er im September 1994 dieses Consulting-Geschaeft verkauft hat, ist Kriescher nun freier Mitarbeiter bei der Nexus GmbH, Dortmund. Dort soll er nach Aussagen des Geschaeftsfuehrers Hermann Bense das Projektgeschaeft aufbauen und den Vertrieb leiten.

Zeitgleich ging Nexus eine Kooperation mit der Franz Inc. ein. Dieses Unternehmen mit Sitz in der kalifornischen Universitaetsstadt Berkeley bietet das Entwicklungswerkzeug "Common Lisp Object System" (Clos) an. Es zaehlt wie Smalltalk zu den wenigen dynamischen, objektorientierten Programmiersprachen. Doch anders als das Parcplace-Produkt unterstuetzt Clos beispielsweise die Eigenschaften "Multiple Inheritance" und "Multiple Methods".

Applikationen aus Batch-orientierten Sprachen wie C++ ermoeglichen Modifikationen nur, indem der Sourcecode veraendert wird. Dynamische Sprachen erlauben es Fachanwendern, ihre Applikationen, etwa in immer neuen Simulationen, den aktuellen Anforderungen anzupassen.

Neben der franzoesischen Ilog, Symbolics und Franz zaehlte auch die Lucid Inc., Menlo Park, zu den wichtigsten Anbietern von Software- Tools fuer Lisp. Noch im August dieses Jahres versuchte Franz, die Produkte und die Entwickler des Konkurrenten zu uebernehmen. Laut Kriescher scheiterten die Bemuehungen jedoch. Lucid besteht seinen Informationen zufolge nur noch kommissarisch. Die Rechte an den Lisp-Produkten habe ausser fuer den japanischen Markt die britische Firma Harlequin uebernommen.