Kuenftige Regulierungsinstanz keine "Mammutbehoerde" Boetsch macht Telekom in Sachen alternative Netze wenig Hoffnung

08.09.1995

BONN (CW) - Die Telekom wird durchaus von der Marktliberalisierung profitieren, muss aber auch deren Schattenseiten in Kauf nehmen. Mit dieser Zurechtweisung nahm nun Bundespostminister Wolfgang Boetsch in einem Gespraech mit dem Wirtschafts-Informationsdienst "vwd" Stellung zu juengsten Aeusserungen von Telekom-Chef Ron Sommer.

Die "schoenen Zeiten" des Monopols seien vorbei. Dies wecke Aengste und motiviere zu Uebertreibungen bei der Beschreibung negativer Aspekte der Marktoeffnung. So gesehen seien "parteiliche Darstellungen" normal, urteilte Boetsch. Dies gelte auch fuer die juengsten Aussagen des Telekom-Vorstandsvorsitzenden.

Sommer hatte sowohl in einem Interview mit der "Sueddeutschen Zeitung" als auch auf der Telekom-Pressekonferenz anlaesslich der Berliner Funkausstellung Boetschs Liberalisierungskurs als "Hoppla- hopp-Verfahren" gebrandmarkt.

"Zweifellos eine Belastung" sieht der Bundespostminister allerdings auf die Telekom fuer den Fall zukommen, dass der Richt-

linienentwurf der EU-Kommission zur fruehzeitigen Oeffnung

alternativer Netze erwartungsgemaess zum 1. Januar 1996 in Kraft tritt. Wenn Sommer, wie in juengsten Aeusserungen geschehen, an die Bonner Garantie erinnere, das Monopol im Kernbereich bis 1. Januar 1998 zu schuetzen, habe er recht. Da Bruessel hier jedoch auf Artikel 90.3 EGV zurueckgreife, seien, wie Boetsch betonte, die Einflussmoeglichkeiten seitens der Bundesregierung gering. Boetsch verwies darauf, dass die Richtlinie zur Oeffnung alternativer Netze eine Handlungsanweisung an die Mitgliedsstaaten darstelle. Die Umsetzung in nationales Recht folge darauf, wobei Bruessel bis zum 30. September 1996 gemeldet werden muesse, wie weit der Prozess fortgeschritten sei. Entsprechende Massnahmen duerften daher erst Ende 1996, Anfang 1997 greifen.

Telekom will Kartellamt als Regulierungsinstanz

Telekom-Chef Sommer hatte in seiner Ministerschelte auch darauf verwiesen, dass der Unternehmenswert im Hinblick auf den fuer Mitte 1996 geplanten Boersengang von der Ausraeumung diverser Einwaende der Kartellbehoerden gegen die internationalen Projekte "Atlas" und "Phoenix" abhaenge. Fuer die Genehmigung der globalen Allianzen mit Sprint und France Telecom ist aber, wie aus Bruessel und Washington immer wieder signalisiert wird, die Oeffnung alternativer Netze Voraussetzung. Boetsch beabsichtigt, sich aus diesem Grund demnaechst noch einmal mit EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert zu einem Spitzengespraech zu treffen.

Streng auf Kurs will Boetsch indes bei der geplanten Einrichtung einer Regulierungsbehoerde bleiben. Dafuer haette sich, so der Minister, inzwischen eine Reihe von Experten ausgesprochen. Dagegen hatten der Telekom-Chef und der Deutsche Industrie- und Handelstag die Uebertragung einer kuenftigen Telecom- Regulierungskompetenz an das Bundeskartellamt gefordert. Das Kartellamt betreibe Missbrauchsaufsicht und koenne anders als eine Regulierungsinstanz nicht gestalterisch aktiv werden, betonte Boetsch hierzu. Sicherlich sei dafuer mehr als "ein Mann mit Fahrer und Sekretaerin" erforderlich, er sehe aber nicht wie einige Kritiker die Gefahr einer "Mammutbehoerde".

Keinesfalls "voellig praxisfern" - wie Sommer es ausdrueckte - beurteilte der Bundespostminister sein Vorhaben, die Verpflichtung zum Universaldienst fuer Lizenzbewerber davon abhaengig zu machen, ob deren lokale Marktmacht mindestens 25 Prozent betraegt. Nur so, beharrte Boetsch auf seinem Standpunkt, sei die Beteiligung mittelstaendischer Unternehmen am kuenftigen Telecom-Markt moeglich.