Integrationskosten für Best-of-Breed-Komponenten zu hoch

Künftig konkurrieren ganze Wertschöpfungsketten

10.12.1999
E-Commerce ist für Björn Algkvist, CEO des schwedischen ERP-Herstellers Intentia, eine logische Erweiterung seines bisherigen Geschäfts. Die von der Gartner Group als Folge von E-Commerce prognostizierte Trennung des ERP-Markts in Plattform- und Komponentenanbieter will er für sein Unternehmen nicht akzeptieren. Er positioniere sich als Lösungsanbieter, wie sein Gespräch mit Michael Wagner* ergab.

CW: Verändert sich durch E-Commerce die Rolle von ERP-Anbietern?

Algkvist: E-Commerce ist im Grunde vergleichbar mit dem, was wir bereits heute tun. Die neuen E-Commerce-Beratungsunternehmen verstehen sich nicht auf Projekt-Management. Das ist mit ein Grund für die relativ hohe Rate des Scheiterns. Wir haben 15 Jahre Erfahrung im Bereich des Business-Process-Design und des Application-Engineering. E-Commerce hängt nur zum Teil von neuer Technologie ab und beruht auf den gleichen Prinzipien wie ERP.

Von der Produktperspektive aus gibt es ohnehin keine reinen ERP-Systeme mehr. Das Spektrum ist wesentlich breiter geworden. In Verbindung mit Customer-Relationship-Management und Supply-Chain-Planning sehen wir E-Business als eine natürliche Erweiterung der Anwendungen und nicht als alleinstehende Lösung.

CW: Wie sieht das in der Praxis aus?

Algkvist: Die Mehrzahl unserer Kunden verfolgt einen hybriden Ansatz, in dem E-Business mit den ursprünglichen Geschäftsprozessen zusammenarbeitet. Bestellungen über das Internet zum Beispiel müssen gemeinsam mit denen via Telefon, Fax oder den Aktivitäten des Außendienstes bearbeitet werden können. Wir denken, unsere Anwender werden dafür in den nächsten fünf Jahren jeweils ein bis zwei Millionen Dollar in Software und Services investieren. Das bedeutet einen drei bis sechs Milliarden Dollar umfassenden Markt allein innerhalb unserer Kundenbasis.

CW: Ist nicht die Integration verschiedener ERP-Systeme der größte Hinderungsgrund für E-Commerce?

Algkvist: Das sehen wir nicht als Problem. E-Commerce im Business-to-Business-Segment benötigt einen Standard, wie Informationen gemeinsam genutzt werden können zwischen Bestellwesen, Lagerverwaltung, Fertigungsplanung etc. Das bedarf nur einer simplen Einigung auf Datenformate. Sehr wahrscheinlich werden die Standards auf XML basieren. Der Unterschied zu Edifact ist, daß es sich um einen sehr komplexen Standard handelt, der mit hohen Einstiegskosten verbunden ist. Doch was auch immer es sein wird, der Standard muß für jedes System offen sein, sonst funktioniert es einfach nicht.

CW: Werden diese Standards eher von den Herstellern oder den Anwendern wie der Automobilindustrie kommen?

Algkvist: Beide Seiten müssen daran arbeiten. In Zukunft werden eher ganze Wertschöpfungsketten miteinander konkurrieren als einzelne Unternehmen. Es ist im Interesse sowohl der Anwender als auch der Hersteller, die Transaktionskosten für E-Commerce zu senken. Die Automobilindustrie ist ein sehr spezielles Beispiel, da wenige große Hersteller den vielen kleineren Zulieferern enge Vorgaben machen. Wahrscheinlich werden wir mehr Industrieportale sehen, elektronische Marktplätze für bestimmte Produkte. Dazu gibt es bereits Initiativen von Peoplesoft und SAP, von beiden sind wir jedoch nicht überzeugt.

CW: Deckt Intentia solche Wertschöpfungsketten ab?

Algkvist: Wir bedienen zwar genügend Industriezweige, müssen aber noch stärker werden, was die Produkte und das Wissen um diese Bereiche angeht. Ergänzend zu unseren Services wollen wir deshalb Allianzen bilden, etwa zu den Themen Application-Service-Providing (ASP), Finanzierung, Networking, Management-Techniken oder auch attraktives grafisches Design. Dabei achten wir darauf, nicht die Kontrolle über unsere Implementierungen zu verlieren - der Anwender erwartet einen Generalunternehmer.

CW: Der ASP-Trend ist für Sie also auch ein attraktives Geschäftsmodell?

Algkvist: Nur im Rahmen der besagten Allianzen wie mit IBM Global Services. Derartige Initiativen bieten auch keine signifikanten Kosteneinsparungen bei der Implementierung. Lediglich bei der Verfügbarkeit und Skalierbarkeit können sich Vorteile ergeben. Auch vom Standpunkt der Wirtschaftlichkeit her ist der Ansatz fragwürdig. Warum sollte ein Kunde eine Anwendung mieten, wenn er sich ohnehin für mindestens fünf Jahre engagiert?

CW: Die Gartner Group prognostiziert, daß sich der ERP-Markt in Komponenten- und Plattformanbieter spalten wird.

Algkvist: Wir bieten Lösungen an. Nehmen Sie zum Beispiel das Customer-Relationship- oder Supply-Chain-Management. Einige dieser Anwendungen sind einfach zu implementieren, die meisten müssen jedoch eng mit den übrigen Funktionen zusammenarbeiten. Für den Best-of-Breed-Ansatz sind aber die Integrationskosten zu hoch. Man braucht ein vollständiges Angebot. Dafür kaufen wir auch Komponenten, sofern die Qualität stimmt. Dort, wo wir uns von Konkurrenten abheben wollen, entwickeln wir in der Regel jedoch selbst. Die spezialisierten Hersteller werden deshalb ihr Angebot ausweiten müssen oder vom Markt verschwinden.

*Michael Wagner ist als Berater und Publizist in München tätig.