Recht im Internet/Rechtliche Aspekte für Verkäufer und Bieter bei Online-Versteigerungen

Kühler Kopf schützt vor bösen Überraschungen nach der Auktion

10.11.2000
Online-Auktionen haben sich zu einem Volkssport entwickelt. Doch die Gefahren, die virtuelle Versteigerungen für den Bieter bergen, sind nicht zu unterschätzen. Rechtlich bewegen sich die Auktionatoren mit ihren Plattformen nämlich auf dünnem Eis und wälzen das Risiko, wie Jürgen Heilbock* schildert, geschickt auf den Kunden ab.

Da die deutsche Gewerbeordnung ein Versteigerungsgewerbe mit einer Vielzahl an Web-untauglichen Besichtigungsrechten und Schriftformerfordernissen vorschreibt, versuchen Online-Auktionatoren, jede Ähnlichkeit mit einer Offline-Versteigerung zu vermeiden. Online-Auktionen vergleichen sich vielmehr mit den Kleinanzeigenmärkten unserer Tageszeitungen. Jeder, der etwas nicht mehr benötigt, kann einem Dritten einen Gegenstand oder eine Leistung zum Kauf anbieten. Der Plattformanbieter stellt dabei lediglich die technische Infrastruktur gegen eine Gebühr zur Verfügung.

Im Gegensatz zu einer klassischen Versteigerung, bei der ein Auktionator nach persönlichem Ermessen die Dauer der Versteigerung und die Höhe der Gebote beeinflussen kann, erteilt bei einer Online-Auktion die Software durch Zeitablauf und ohne jedes Ermessen den Zuschlag. Häufig wird auch auf die entstehende Eigendynamik abgestellt, die bei einer Offline-Versteigerung infolge der zeitlichen und räumlichen Abgeschlossenheit entsteht. Damit wird der grundsätzliche rechtliche Unterschied zu einer Online-Auktion begründet. Solange die Gewerbeaufsichtsämter den Online-Auktionen weiterhin Persilscheine ausstellen und auch manche Gerichte durchaus einen Unterschied zwischen einer Online-Auktion und einer Offline-Versteigerungen sehen, dürfen die Plattformbetreiber im Internet weiterhin ungestört ihren Geschäften nachgehen. Wichtig ist nur, dass keine illegalen Objekte versteigert werden.

Die eigentlichen Probleme bei Online-Auktionen betreffen das vertragliche Verhältnis zwischen Verkäufer und Bieter. In der Anfangszeit der Online-Auktionen in Deutschland gab es keine Identitätskontrolle der Beteiligten und keine Überprüfung der angebotenen Sache. Kein Wunder also, dass Richter in einer Online-Auktionsentscheidung aufgrund des anonymen Distanzgeschäfts von einer Form des Glückspiels sprachen. Um diese Schwäche der Online-Auktionen zu überwinden, haben sich einige Plattformbetreiber etwas Neues einfallen lassen. Bei einigen Online-Auktionen, insbesondere im Business-toBusiness-Bereich, kontrolliert der Plattformbetreiber die Identität der Beteiligten. Die Teilnahme an den Auktionen kann dann zwar durchaus unter Pseudonym erfolgen, die Beteiligten haben aber die Gewissheit einer von dritter und neutraler Seite geprüften Identität.

In die gleiche Richtung zielen die Feedback-Punkte, die von Teilnehmern an andere Teilnehmer vergeben werden. Wurde beispielsweise erfolgreich ein Computer gekauft, das Gerät zur Zufriedenheit geprüft, der Kauf nicht bereut, kann der Käufer eine E-Mail mit einer Bewertung des Verkäufers und seines Geschäftsgebarens an den Plattformbetreiber schicken. Bietet der Verkäufer zukünftig weitere Sachen gegen Höchstpreis auf der gleichen Plattform zum Kauf an, sehen alle Interessenten seine Bewertung. Zusammen mit weiteren Bewertungen von anderen Bietern ist es so möglich, "schwarze Schafe" auszusieben.

Um zu verhindern, dass Hans Meier sich umgehend eine neue Mail-Adresse unter Pseudonym von einem Internet-Service-Provider (ISP) zulegt, der keine Identitätskontrolle vornimmt, beugen die Anbieter vor. So lassen einige Plattformbetreiber E-Mail-Adressen solcher ISPs ohne zusätzliche Identifikationsnachweis, wie Zusendung einer Kopie des Personalausweises, gar nicht mehr zu.

Ebenso erfolgt auf einigen Auktionsplattformen eine Überprüfung der angebotenen Sache. Denn sonst lässt sich nicht ausschließen, dass die Sache gar nicht existiert oder mit einem schweren Mangel behaftet ist. Zum einen haben die meisten Plattformen indessen eine automatische Screening-Software installiert, die Angebote nach Schlüsselworten wie Waffen, Drogen, Porno, aber auch den entsprechenden umgangssprachlichen Begriffen durchsucht. Zusätzlich ist bei guten Plattformen eine Vielzahl von Mitarbeitern rund um die Uhr damit beschäftigt, den Hinweisen von Teilnehmern auf bedenkliche Angebote nachzugehen oder selbständig zumindest einen Teil der Angebote zu überprüfen. Nur so ist es bisher möglich gewesen, das Angebot einer menschlichen Niere vom Angebot eines Nierentisches aus den 50er Jahren zu unterscheiden und die entsprechenden Maßnahmen umgehend einzuleiten.

Außerdem haben einige Plattformbetreiber auch die technischen Voraussetzungen geschaffen, dass Anbieter entsprechende Fotos oder Sachverständigengutachten als Attachments online zur Einsichtnahme bereithalten. Im Business-to-Business-Bereich übernehmen es einige Plattformbetreiber gegen Bezahlung, ein entsprechendes Sachverständigengutachten erstellen zu lassen. Denn wer würde beispielsweise eine gebrauchte Papiermaschine für einen zweistelligen Millionenbetrag ersteigern, wenn nicht das Eigentum oder die Verfügungsgewalt des Anbieters sowie die Funktionstauglichkeit der Sache feststeht. Durch die Benutzungsordnung kann der Plattformbetreiber zum Schutz der Käufer von den Verkäufern verlangen, dass sie in ihrem Eigentum stehende Gegenstände anbieten oder sie zumindest verfügungsberechtigt sind. Ferner kann er ein selbständiges Garantieversprechen abgeben, dass die Sache gebrauchstauglich und nicht mit irgendwelchen Mängeln behaftet ist.

Selbst wenn der Bieter den Zuschlag erhält, die Identität des Verkäufers kennt, dieser gerade nicht auf einer längeren Dienstreise und die ersteigerte Sache gebrauchstauglich ist, kann noch einiges schief gehen. Die meisten Verkäufer bestehen beispielsweise auf Vorkasse, lassen sich aber Zeit, bis die Sache dem Logistikunternehmen übergeben wird. Das schnelle Auktionsgeschäft geht bei der Abwicklung häufig nur noch im Schneckentempo voran. Einige Plattformbetreiber übernehmen gegen Entgelt, insbesondere im Business-to-Business-Bereich, zusätzliche Dienstleistungen, die vom Einzug des Geldes, Verpackung und Versand bis zur Transportversicherung reichen.

Was passiert aber, wenn der Käufer bei Ingebrauchnahme der auf einer Online-Auktionsplattform gekauften Sache Mängel feststellt? Klagen in den Fachzeitschriften betreffen beispielsweise das Alter der angebotenen Sache, die Lieferung einer anderen Sache (3er BMW statt 5er BMW), eines Computers mit nur koreanischem Betriebssystem und Anwendungssoftware, die Lieferung von Schwundware, Raubkopien, unverkäuflichen Messemustern und Proben. Natürlich darf sich der Käufer auf die Gewährleistung berufen. Selbst Gerichtsstandsvereinbarungen und Rechtswahlklauseln kann der Verbraucher zu Recht ignorieren und sich auf das zwingende und narrensichere deutsche Verbraucherschutzrecht berufen. Das Problem entsteht durch einen Kosten-Nutzen-Vergleich: Für ein ersteigertes Mickey-Mouse-Heft aus den 70er Jahren, bei dem praktisch 50 Prozent der Seiten fehlen, gibt es keinen Sinn, einen Anwalt in einer anderen Stadt oder gar in einem anderen Land einzuschalten und den Verkäufer auf Wandelung oder Minderung zu verklagen.

Eine Beschwerde beim Plattformbetreiber wird von diesem mit Hinweis auf die direkten vertraglichen Beziehungen zwischen Verkäufer und Käufer und die Natur seiner rein technischen Dienstleistungen beantwortet. Selbst für diese technischen Dienstleistungen hat der Plattformbetreiber seine Haftung weitestgehend ausgeschlossen. Unter Zugrundelegung der genannten Kosten-Nutzen-Analyse bleiben daher alle Regelverstöße bei ersteigerten Waren bis rund 1000 Mark sanktionslos, weil sich die Einschaltung eines Anwalts und der Gerichte nicht lohnt. Sanktionen sind nur möglich, wenn der Plattformbetreiber dem Bieter ein Drohpotenzial gegenüber dem Verkäufer zur Verfügung stellt. Dies kann beispielsweise durch die oben aufgeführten Feedback-Punkte erfolgen, sofern das System entsprechend ausgestaltet ist.

Bei den Online-Auktionatoren wird ferner die Einrichtung von Schiedsstellen ernsthaft in Erwägung gezogen. Allerdings kann die Durchsetzung eines solchen Schiedsspruchs zwischen Verkäufer und Käufer wiederum nur durch moralischen Druck wie die Androhung eines Ausschlusses von weiteren Auktionen erfolgen.

Um Fehler zu vermeiden, empfiehlt es sich als Bieter, bei der Teilnahme an einer Online-Auktion eine Checkliste zu berücksichtigen (siehe Kasten "Checkliste"). Je mehr unklare Antworten der Interessent auf seine Fragen bekommt, desto argwöhnischer sollte er gegenüber Verkäufer und Angebot sein.

*Jürgen Heilbock ist Rechtsanwalt und Attorney-at-law (New York) sowie Partner in der Sozietät Wessing in Frankfurt am Main.

ChecklisteOnline-Auktion

1. Benutzt der Verkäufer eine E-Mail-Adresse, die Aufschluss über seinen richtigen Namen und seinen festen Wohnsitz gibt?

2. Handelt es sich um ein gewerbliches Angebot oder um ein Geschäft zwischen Privaten?

3. Laufen gleichzeitig eine Vielzahl von Auktionen desselben Verkäufers?

4. Steht für den Bieter der Spaßfaktor im Vordergrund und kann er zur Not das eingesetzte Geld verschmerzen?

5. Haben andere Käufer bereits Erfahrungen mit dem Verkäufer gesammelt?

6. Kann mit früheren Käufern E-Mail-Kontakt aufgenommen und nach Erfahrungen mit diesem Verkäufer gefragt werden?

7. Ist die Beschreibung des Angebots aussagekräftig und sind eventuell Bilder oder Expertisen beigefügt?

8. Können Fragen hinsichtlich des angebotenen Gegenstands an den Plattformbetreiber gesandt werden, die der Anbieter dann beantwortet?

9. Macht der Verkäufer bei Kontaktaufnahme einen gewissenhaften Eindruck, und ist er in Online-Auktionen erfahren?

10. Besteht der Verkäufer auf Vorkasse, ist seine vollständige Anschrift bekannt und kann das Kaufobjekt gegen Barzahlung selbst abgeholt werden?

11. Ist der Plattformbetreiber (auch) in Deutschland ansässig? Steht er außerdem mit Rat und Tat sowie Zusatzdienstleistungen (Hotline, Feedback-Funktion, Clearing-Stelle beim Transport oder Überweisung, Schiedsstelle) zur Verfügung?

12. Wie sieht die Benutzungsordnung aus?

13. Darf der Verkäufer nur Dinge anbieten, die in seinem Eigentum stehen oder über die er verfügungsberechtigt ist?

14. Muss der Verkäufer die Gebrauchstauglichkeit und die Freiheit von versteckten Mängeln zusichern?

15. Wie ernsthaft verfolgt der Plattformbetreiber Verstöße gegen die Benutzungsordnung?