Initial Coin Offerings

Kryptowährungen bewegen sich in einer juristischen Grauzone

20.02.2018
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Rechtsanwalt Dr. Markus Kaulartz, CMS Deutschland, hat sich auf IT-Recht IT-Sicherheit und Datenschutz spezialisiert. Er widmet sich besonders Rechtsfragen im Kontext der Industrie 4.0 und berät beispielsweise zu den Themen Smart Contracts und Blockchain. Zu seinen Mandanten zählen börsennotierte Unternehmen ebenso wie Start-ups.
Immer mehr Unternehmen entdecken Initial Coin Offerings (ICOs) als preiswerte Alternative zur klassischen Unternehmensfinanzierung. Damit schaffen sie sich eine eigene Währung, über die sie die Internet-Crowd an ihrem Unternehmen oder an Projekten beteiligen. Doch der Traum vom schnellen Geld lockt auch schwarze Schafe.
  • Für die Investition gibt es keine Gegenleistung wie Unternehmensanteile oder Dividendenansprüche
  • Emittenten sind sich über ihre Aufklärungspflichten oft nicht im Klaren
  • Filecoin und Tezos sind die beiden bislang größten ICOs

Vor allem junge Unternehmen schaffen sich im Zuge eines ICO ihre eigene Kryptowährung, sogenannte Tokens, um sie an Investoren zu verkaufen und dadurch Wagniskapital zu erhalten. Mit den Einnahmen finanzieren sie dann den Aufbau ihres Unternehmens oder konkrete Projekte. Das Prinzip ähnelt also durchaus dem eines Börsengangs oder Initial Public Offerings (IPO).

Bei einem Initial Coin Offering erwerben Investoren weder einen Unternehmensanteil noch einen Dividendenanspruch. Deshalb ist das Risiko groß, auf die Nase zu fallen.
Bei einem Initial Coin Offering erwerben Investoren weder einen Unternehmensanteil noch einen Dividendenanspruch. Deshalb ist das Risiko groß, auf die Nase zu fallen.
Foto: Flame of life - shutterstock.com

Der Erfolg solcher ICOs überraschte selbst Brancheninsider. So wurden in den Jahren 2016 und 2017 weltweit knapp vier Milliarden Dollar mit dem Verkauf von Tokens eingenommen. Bei den beiden größten ICOs Filecoin Filecoin und Tezos wurden jeweils Tokens im Wert von rund 250 Millionen Dollar verkauft. Dabei variieren die Zeiträume, in denen Tokens erworben werden können von wenigen Sekunden bis hin zu mehreren Wochen. Üblicherweise wird der Verkauf eingestellt, wenn eine vorbestimmte Menge an Tokens abgesetzt wurde.

Warnung vor Risiken und Nebenwirkungen

Die Euphorie zu verstehen, ist nicht ganz einfach, steht der Investition abgesehen von einem eher abstrakten Token doch häufig keine Gegenleistung gegenüber. Die Investoren erhalten in der Regel weder Unternehmensanteile noch Dividendenansprüche. Wäre das der Fall, müssten die strengen Wertpapiervorschriften Anwendung finden, was zu hohen Hürden beim Betreiben von ICOs führen würde. Also beziehen die Investoren meistens nur Tokens, die anschließend häufig auf einer Plattform gehandelt werden können - ohne weitergehende Rechte, und oft ist diese Plattform zum Emissionszeitpunkt noch gar nicht entwickelt.

Trotzdem sind kurioserweise Kurssteigerungen um das Zehnfache innerhalb von wenigen Wochen keine Seltenheit, was außerhalb der Kryptowelt meist auf Unverständnis stößt und Erinnerungen an Blasen weckt. Allerdings dürfen solche Ausreißer nicht darüber hinwegtäuschen, dass Tokens nach dem Ende eines ICOs häufig stark an Wert verlieren und immer auch ein Totalverlust möglich ist. Gibt es keine Käufer mehr für die Tokens, ist das Investment verloren. Hierauf wiesen zuletzt auch die BaFin und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA deutlich hin: Insbesondere Verbrauchern ohne Branchenkenntnis raten die Behörden von der Investition in ICOs dringend ab.

Auf Risiken muss hingewiesen werden

Investoren werden von den Emittenten meistens nur unzureichend über die Risiken aufgeklärt. Zwar finden die strengen gesetzlichen Regeln zur Prospektpflicht bei vielen ICOs keine Anwendung, da die entsprechenden Tokens derzeit nicht als Wertpapiere qualifiziert werden können. Aufklärungspflichten gibt es aber trotzdem, konkretisiert durch die BGH-Rechtsprechung zur Prospekthaftung.

Emittenten dürfen demnach keine unwahren Informationen verbreiten oder beim Investor einen falschen Eindruck über die Chancen und Risiken der Investition wecken. Pflichtverletzungen führen zu Schadensersatzansprüchen in Höhe der getätigten Investitionen. Betroffene Startups stünden dann schnell vor dem Ruin.

Regulatorische Maßnahmen sind nicht ausgeschlossen

Die Angst vor solchen Szenarien führt dazu, dass mehr und mehr Unternehmen anwaltlichen Rat suchen, bevor sie sich an einen ICO wagen und Tokens verkaufen. Gerade weil sich die BaFin - im Gegensatz beispielsweise zu ihrem Äquivalent in Singapur - mit konkreten Empfehlungen zurückhält, ist es wichtig, die Risiken zu kennen und zu bewerten. Brisant ist dieser Aspekt vor dem Hintergrund, dass ICOs nur teilweise reguliert sind. Soweit mit den Tokens Unternehmensanteile oder Dividendenansprüche veräußert werden, sind diese in der Regel als Wertpapier einzuordnen.

Bei anderen ICOs ist die Rechtslage nicht so eindeutig. Mit Blick auf die Handelbarkeit von Tokens an sogenannten Kryptobörsen ist es aber nicht völlig ausgeschlossen, dass hier künftig ein Paradigmenwechsel stattfindet. Der könnte dann dazu führen, dass ein ICO als Wertpapieremission angesehen würde. Das käme keinem Verbot gleich, würde aber die Hürde der regulatorischen Compliance erhöhen.

Schlecht vorbereitete ICOs schrecken Investoren ab

Ein Blick in die Praxis unter heute geltendem Recht zeigt, dass viele der seriösen ICOs hierzulande und in anderen europäischen Ländern für die Emittenten hochriskant sind, weil sie die Tür für Schadensersatzansprüche durch Investoren weit öffnen. In den Risikohinweisen etwa finden sich mitunter gravierende Lücken. Widerrufsrechte des Verbrauchers werden häufig gar nicht berücksichtigt. Manche Werbeaussagen verpflichten den Emittenten außerdem zu Leistungen, die er oft gar nicht erbringen kann.

Setzt man dies in Verbindung mit auffällig häufig anzutreffenden Haftungsklauseln, die oft aus Verträgen anderer Rechtsordnungen kopiert werden und nach deutschem Recht schlicht unwirksam sind, so wird offensichtlich, dass die Emittenten auch nach dem Ende eines ICOs noch mit erheblichen Rückforderungen rechnen müssen. Potenzielle Investoren sollten also nicht nur das Geschäftsmodells, sondern auch das ICO selbst bewerten (ICO Due Diligence). Wer hier oberflächlich vorgeht, riskiert seinen Einsatz.

Tokens können noch viel mehr

Mit der zunehmenden Verbreitung derBlockchain-Technologie dürfte auch die Anzahl der ICOs weiter steigen. Auch die regulatorischen Auflagen dürften zunehmen, was aus Gründen des Investoren- und Verbraucherschutzes auf breite Akzeptanz stoßen dürfte. Das wird die ICO-Welle aber kaum bremsen, am Ende wird sich nur das einzusetzende Kapital des Emittenten erhöhen. Attraktiv wird diese neue Art der Unternehmensfinanzierung auch dadurch, dass Tokens ohne Bank- und Börsenbeteiligung rund um die Uhr gehandelt werden können. Deshalb dürfte die Beliebtheit weiter steigen.

Tokens verfügen aber auch noch über eine weitere Funktion, deren Potenzial derzeit kaum abzuschätzen ist: Emittenten können den Investoren damit Rechte übertragen - von der Nutzung bestimmter Dienstleistungen oder Produkte über Stimmrechte oder Lizenzen bis hin zu Ansprüchen auf Dividendenausschüttungen. Vergleichbar mit einer Urkunde könnten Rechte in Verbindung mit einem Token gehandelt werden.

Auf Grund ihrer Fälschungssicherheit und der Ausschaltung von Intermediären wie Banken schlummert hier noch viel unerkanntes Potenzial. Um es voll auszuschöpfen, bedarf es hier und da einiger gesetzgeberischer Eingriffe. Auch von der Rechtsprechung müssten Klarstellungen und Konkretisierungen kommen.