Kybernetisch-pädagogisches Werkstattgespräch:

"Kritische Rationalisten" untersuchen Lehr- und Lernziele

01.12.1978

MIESBACH - Zahlreiche Professoren und Wissenschaftler aus dem deutschsprachigen Raum trafen sich vom 20. bis 22. Oktober in Schliersee-Miesbach unter dem Leitthema "Lehr- und Lernziele im Unterrichtswesen". Hier wurden unter anderem auch die Einsatzformen und Möglichkeiten des Computers im Bildungswesen untersucht und diskutiert.

Die kybernetischen Pädagogen - als sogenannte "kritische Rationalisten" von den Pädagogen herkömmlicher Provenienz mit viel Mißtrauen bedacht - versuchten, das Unterrichtsgeschehen als Kommunikationsablauf zweier Systeme zu verstehen: Einem Lehr- und einem Lernsystem.

Erklärtes Ziel der kybernetischen Pädagogik ist es; das Lehr- und Lernverhalten weitgehend zu objektivieren, das heißt, das Lehren an technische Systeme zu übertragen. Bei der Tagung sollten auch die Möglichkeiten des DV-Einsatzes im Bildungswesen erläutert werden. Im wesentlichen ging es darum, den Computer als ein Medium einzusetzen, mit dem bestimmte Lehrziele erreicht werden können. Darüber hinaus wurde auch die Frage diskutiert, ob vielleicht die Bedeutung des Computers als Unterrichtsgegenstand noch wesentlich schärfer im heutigen Bildungswesen angegangen werden sollte.

Professor Felix von Cube, Universität Heidelberg, verfocht leidenschaftlich den Standpunkt, daß die moderne Erziehungswissenschaft sich nur damit zu beschäftigen habe, die Lernwirkung gegenüber Medien und Methoden zu erforschen sowie Lehrstrategien zu optimieren. Dr. Keil, Leiter der Zentralstelle für programmierten Unterricht und Computer im Unterrichtswesen, Augsburg, präzisierte diese wissenschaftstheoretische Aussage. Er versuchte anhand von praktischen Beispielen darzustellen, wie - immer stärker sichtbar - in den Schulen Rechner eingesetzt werden.

Lehrziele auf drei Punkte konzentrierbar

Professor Dr. Frank vom Forschungszentrum für objektivierbare Lehr- und Lernverfahren in Paderborn versuchte eine "normativ-logische Lehrzielrechtfertigung auf der Basis des politischen Wertedreiecks". Er kam dabei zu dem Schluß, daß alle gegebenen Lehrziele im Bildungswesen auf drei Punkte konzentriert werden können, die sich - je nach Einstellung des Formulierers - reflektieren lassen.

Weitere Themen der Veranstaltung waren:

- Lehreffektivität und Medieneinsatz

- Bildungsökonomische Analyse zu Modellen des Fremdsprachenunterrichts

- Denkstrukturen

- Vergleichende Betrachtung der Kybernetik Ost-West

- Überprüfung von Lernzielen

- Axiologische Projektionen und das kybernetische Modell vom Menschen.

Als Ergebnis der Tagung kristallisierte sich heraus, daß der Computer im Bildungswesen nicht mehr wegzudenken ist. Sein Einsatz als technisches Medium mit dem Lerninhalte vermittelt werden sollen, tritt stärker in den Hintergrund. Im Bereich der Lehr- und Lernzielfindung wird er dagegen besondere Bedeutung erlangen.

*Dipl.-Hdl. Klaus Jamin ist Professor an der Fachhochschule München