Bertelsmann-Pläne unter Beschuss

Kritiker prophezeihen das Ende von Napster

10.11.2000
MÜNCHEN (CW) - Durch den Deal mit Bertelsmann soll Napsters File-Sharing-Service in einen kommerziellen Musikdienst umgewandelt werden, der Tantiemen-Zahlungen an die Rechteinhaber vorsieht. Konkrete Maßnahmen, um das neue Geschäftsmodell technisch umzusetzen, stehen allerdings bislang noch aus.

Nach den Worten der Bertelsmann Commerce Group (BECG) ist ein geschlossener Bereich denkbar, in dem die Nutzer die gewünschten Musikstücke gegen eine Gebühr herunterladen können, die entweder pro Lied oder in Form eines monatlichen Pauschalbetrags abgerechnet wird. Auch Möglichkeiten, um die Napster-Technik für elektronische Bücher oder Videoclips zu nutzen, sind im Gespräch. Das Prinzip, nach dem Anwender ihre auf Festplatte gespeicherten Musikdateien im MP3-Format untereinander tauschen können, soll bestehen bleiben - nur nicht mehr auf kostenloser Basis.

Kritiker bezweifeln jedoch, dass die Kommerzialisierung von Napster Erfolg haben wird. "Es ist einfach sinnlos, für Musik Geld zu kassieren und Sicherheitsmechanismen in das System zu integrieren, wenn einen Mausklick weiter alle Musik der Welt gratis zur Verfügung steht", meint etwa Michael Robertson, Chef des Online-Musikanbieters MP3.com, der eine Zeitlang mit ähnlichen rechtlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte wie Napster, sich dann aber mit der Musikindustrie auf einen außergerichtlichen Vergleich einigte. Andere wiederum argwöhnen, Bertelsmann habe kein echtes Interesse daran, Napster zu einem kommerziellen Dienst umzubauen. Sie vermuten, dass der Gütersloher Medienkonzern in erster Linie von der Bekanntheit des Musikdiensts profitieren will.

Ob und wie Bertelsmann die MP3-Plattform kommerzialisieren wird - von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des Geschäftsmodells wird vor allem sein, ob es dem Konzern gelingt, die anderen Plattenfirmen mit ins Boot zu holen. Nur mit einem Konsortium an gleichberechtigten Musikverlagen und Labels im Rücken lässt sich die gewünschte Kontrolle über den Online-Vertrieb von MP3-Musik langfristig in die Tat umsetzen. Eine Beteiligung der "Majors", die Napster als Dieb geistigen Eigentums seit Monaten erbittert bekämpfen, würde aber wohl das Ende des beliebten Tauschservice bedeuten.