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Kritik an hohen Online-Preisen von Reed-Elsevier

19.01.2004

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Cornell gehört zu den so genannten Ivy-League-Bildungsinstituten der USA wie Harvard, Stanford, MIT. In der Cornell-University gibt es deshalb auch viele helle Köpfe. Und einige davon haben jetzt einmal genau ausgerechnet, wieviel Geld die Universität jährlich für Abonnements von Wissenschaftspublikationen ausgibt, die Cornell online bezieht. Jetzt sind die kühlen Rechner irritiert: Beim Kassensturz haben sie herausgefunden, dass die Uni für Online-Publikationen aus dem anglo-holländischen Verlagshaus Reed Elsevier zwar 20 Prozent ihres gesamten Budgets für Verlagserzeugnisse ausgibt. Cornell bekommt dafür aber mal gerade zwei Prozent aller Wissenschaftsjournale, die man Jahr für Jahr abonniert. Nachdenklich stimmt Cornell auch, dass die Elsevier-Journale nur selten gelesen werden.

Anders als bei Druckerzeugnissen kann die Benutzung von online bezogenen Medien sehr genau verfolgt werden, zitiert das "Wall Street Journal" Ross Atkinson. Atkinson arbeitet als verantwortlicher Bibliothekar an der Cornell University. Das Ergebnis der Revision könnte für Elsevier bitter werden: Momentan steht die Uni in Verhandlungen mit dem Verlagshaus und will bis zu 150 der insgesamt 930 über Science Direct bezogenen Titel kündigen, um Kosten einzudämmen. Science Direct ist die Online-Publikationsdivision von Reed Elsevier.

Reed Elsevier beziehungsweise Science Direct galten in der gesamten Branche lange als besonders vorbildlich in Bezug auf die Nutzung des Internet als Ergänzung zum bestehenden Geschäftsmodell des Verlags. Seitdem das britische Medizin-Fachjournal "Lancet" 1823 erstmals publiziert wurde, haben sich Wissenschaftsjournale weit verbreitet. Science Direct begann nun als erstes Unternehmen, das Vertriebskonzept solcher Expertenzeitschriften umzukrempeln. Es bot Universitäten und anderen Abnehmern solche Publikationen in einem Bündel an. Aus rund 1200 Titel kann man über den Science-Direct-Service ein Paket von jeweils mehreren Hundert Abonnements verschiedener Titel zu verbilligten, aber immer noch teuren Preisen beziehen. Seitdem Science Direct 1999 an den Start ging, konnte Elsevier den Umsatz mit wissenschaftlichen Erzeugnissen auf 2,33 Milliarden Dollar verdoppeln. Das entspricht rund einem Viertel des gesamten Firmenumsatzes und annähernd 40 Prozent des operativen Profits im

Jahr 2002.

Gegen diese Bündel-Praxis - Science Direct dominiert den Markt für Online-Wissenschaftspublikationen - wehren sich nun immer mehr wissenschaftliche Institute. Universitäten wie Harvard wollen die Bündelabonnements auflösen. Harvard hofft, mehrere Hunderttausend Dollar zu sparen, wenn es 100 Reed-Elsevier-Fachzeitschriften abbestellt.

Auch die Physik-Abteilung der Universität Oldenburg hat ihre Abonnements zusammengestrichen und greift stattdessen auf frei erhältliche Web-basierte Dienste zurück. Professor Eberhard Hilf wird vom "Wall Street Journal" mit der Aussage zitiert, Reed Elseviers Bündelstrategie gebe keinen Sinn: In Spezialgebieten wie etwa der Nuklearphysik würden nur 20 Veröffentlichungen (papers) pro Jahr gelesen. Pro Paper entstünden der Universität aber Kosten in Höhe von 1250 Dollar.

Reed Elsevier findet die Verhandlungsstrategie vieler seiner Kunden unfair. Das sei ungefähr so, als wenn man ein Magazin für ein Jahr abonniert habe, die Oktober-Ausgabe aber nicht möge, und dafür dann einen finanziellen Ausgleich verlange, sagte Elsevier-Sprecher Eric Merkel-Sobotta.

Sollte der Trend sich fortsetzen, frei im Internet verfügbare Wissenschaftstitel an Stelle von gebührenpflichtigen zu beziehen, könnte Reed Elsevier nun Probleme bekommen. Im abgelaufenen Jahr sank der Aktienwert bereits mehr als zwölf Prozent. (jm)