Resilienz stärken

Krisen mit mentaler Stärke meistern

28.11.2022
Von 
Birgit Kersten-Regenstein ist Team- und Führungsexpertin. Sie begleitet mit ihrem Unternehmen "Teamkompetenz" seit über 15 Jahren Führungskräfte in ihrer Kompetenzentwicklung, moderiert Teams, die sich in die Sackgasse manövriert haben, und unterstützt Menschen, ihre Resilienz, ihre innere Unabhängigkeit und ihre Integrität zu stärken.
Besonders in Krisenzeiten brauchen wir innere Stärke und mentale Anker - kurzum Resilienz. Wie Widerstandskraft geübt werden kann, lesen Sie hier.
Eine lösungsorientierte Haltung ist ein Schlüssel zur Reslienz. Sie hilft, auch unter Stress Herausforderungen anzunehmen.
Eine lösungsorientierte Haltung ist ein Schlüssel zur Reslienz. Sie hilft, auch unter Stress Herausforderungen anzunehmen.
Foto: eamesBot - shutterstock.com

Erst kam Corona, dann der Ukraine-Krieg, jetzt die Energiekrise und Inflation. Drastische Ereignisse, die alles durcheinanderwirbeln und dafür sorgen, dass nichts mehr ist, wie es mal war. Und die uns Sorgen bereiten, weil die Zukunft ungewiss ist.

Trotz dieser Unsicherheiten gilt es, den Arbeits- und Führungsalltag zu gestalten und wirksam zu bleiben. Das ist jedoch leichter gesagt als getan. Viel zu schnell geraten Menschen in Denkspiralen, lenken ihren Fokus auf betriebliche Abhängigkeiten und strukturelle Begrenzungen statt auf die verbliebenen Handlungsspielräume. Fatal, denn ausgerechnet in Krisensituationen ist es unerlässlich, handlungsfähig zu bleiben.

Resilienz stärken: In 7 Schritten zum mentalen Immunsystem

Um Handlungsfähigkeit entwickeln zu können, brauchen wir wiederum innere Stabilität. Es ist wichtig, sich persönlich und als Führungskraft zu verorten, um die eigene Wirksamkeit zu stärken. Das Zauberwort lautet Resilienz. Die gute Nachricht dabei: Die Fähigkeit der Resilienz, die dazu beiträgt, gelassen auf Stress und Krisen zu reagieren, und die wie ein mentales Immunsystem wirkt, ist erlernbar.

1. Innere Muster erkennen

Der erste Schritt, resilient beziehungsweise widerstandsfähiger zu werden als bisher ist, sich mit vorangegangenen Krisen und Stolpersteinen auseinandersetzen. So können Sie auf Dauer krankmachende Verhaltensmuster, innere Überzeugungen und Denkschleifen erkennen.

Aber auch schöne Ereignisse und die guten Dinge im eigenen Leben sollten Sie sich vergegenwärtigen. Denn es kommt auf eine Balance zwischen Negativ- und Positivfokus an. Dabei geht es unter anderem darum, die realistischen Gründe für die eigenen Erfolge und Misserfolge zu beleuchten. Dies aktiviert das permanent lernende System, das in jedem Menschen verankert ist.

2. Sich in realistischem Optimismus üben

Eine der tragenden Säulen der Resilienz ist gesunder Optimismus. Denn wer pessimistisch ist, wer davon überzeugt ist, dass die Dinge nicht gelingen, bleibt passiv und verhindert somit Erfolgserlebnisse. Ausbleibende Erfolge wiederum verstärken das Gefühl, machtlos zu sein. So gerät man in einen Teufelskreis. Um aus diesem hinauszukommen, hilft es, sich in Dankbarkeit zu üben. Was ist das Gute im Schlechten? Wofür bin ich dankbar in meinem Leben? Worum beneiden mich vielleicht sogar andere just in dieser Situation?

Mittels solcher und ähnlicher Reflexionsfragen ist es Ihnen möglich, sich nach einem Misserfolg wieder positiv auszurichten. Ein Tagebuch der Dankbarkeit, mit dessen Hilfe reflektiert wird, was am Tag Gutes passiert ist und wo man erfolgreich war, führt langfristig dazu, verstärkt auf Erfolge zu achten und so dem Teufelskreis zu entkommen.

3. Nicht Änderbares akzeptieren

Nichts mit Passivität zu tun hat indes, wenn Sie Situationen, die nicht mehr zu ändern sind, annehmen. Das bedeutet, dass Sie dem jeweiligen Sachverhalt oder der Person, mit der es ein Problem gibt, ohne Widerstände begegnen. Das ist wichtig, denn diese Widerstände würden Sie sonst blockieren.

Üben Sie sich daher im Loslassen, in Akzeptanz und schauen Sie, was Ihnen dabei hilft, auf Abstand zu gehen und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Dies bewahrt Sie vor vielen Stresshormonen, die mit dem sogenannten Kopfkino einhergehen. Gelungene Akzeptanz bildet letztlich die Basis für den Optimismus und weitere Pfeiler, die Ihre Resilienz sichern.

4. Selbstwirksamkeit entfalten

Bei den Dingen, die veränderbar sind, sollten Sie jedoch ins Tun kommen. Es gilt, aus einer vermeintlichen Opferrolle herauszukommen beziehungsweise gar nicht erst in diese Rolle hineinzugeraten, Verantwortung zu übernehmen und selbstwirksam zu werden. Häufig ist hierzu abermals nötig, seinen Fokus zu verändern: Weg von den Dingen und Umständen, die man nicht beeinflussen kann, hin zu dem, was man beeinflussen und aktiv gestalten kann. So fangen Sie gleichzeitig an, in Lösungen statt in Problemen zu denken und zu handeln.

Die nachfolgende Übung unterstützt Sie dabei, gemäß des Gestalter-Prinzips zu handeln:

  • Denken Sie darüber nach, was genau Sie verändern möchten.

  • Wie groß ist Ihre Bereitschaft auf einer Skala von eins bis zehn, sich oder die Sache zu ändern?

  • Wenn Sie eine Zahl bestimmt haben, denken Sie darüber nach, warum Sie keine kleinere oder größere Zahl gewählt haben.

  • Stellen Sie sich anschließend vor, Sie hätten Ihr Ziel schon erreicht! Was wäre nun spürbar, wie wäre das Leben oder Ihre Situation genau?

  • Und was ist nun, aufgrund dieser ganzen Überlegungen, Ihr nächster Schritt, um das Ziel zu erreichen?

Wenn Sie diese Fragen beantworten, werden Sie erkennen, wofür Sie stehen und können leichter ins Machen kommen.

5. Selbstwahrnehmung und -regulierung entwickeln

Wer resilienter werden möchte, braucht eine realistische Wahrnehmung. Jeder Mensch ist mit einzigartigen Kompetenzen ausgestattet. Haben Sie Ihre bewusst im Blick, verlassen Sie sich auf sie und rufen Sie sie zu den entsprechenden Gelegenheiten auf. Achten Sie zudem auf Körpersignale, seien Sie achtsam! Durch eine starke Selbstwahrnehmung spüren Sie Ihre inneren Prozesse und können Ihren mentalen und damit auch den äußeren Zustand im Sinne einer Selbstregulierung verändern.

Das versetzt Sie in die Lage, wieder aufzustehen und weiterzumachen - was jedoch nicht über die eigenen Grenzen hinweg geschehen sollte: Wer sich selbst gut wahrzunehmen und zu regulieren vermag, wird auch rechtzeitig für sich sorgen. Sicherlich ist Ihnen bekannt, dass man seine Achtsamkeit schulen kann. Die Wahrnehmung des Atems und unserer fünf Sinne spielen in der Praxis der Achtsamkeit eine entscheidende Rolle. Achtsamkeitsübungen sind daher sehr ratsam.

6. Lösungsorientiert denken

Ein weiterer Schlüssel zur Resilienz ist eine lösungsorientierte Haltung. Sie erleichtert Ihnen den Zugang zu den eigenen Ressourcen auch unter Stress. Herausforderungen blockieren Sie dann nicht. Insbesondere im Umgang mit Problemen und Krisen ist dies ein stärkender Faktor. Vergegenwärtigen Sie sich in Krisenphasen daher gedanklich erwünschte Zielzustände! So gewinnen Sie Zeit, Energie und Motivation - und handeln eigenverantwortlich. Hilfreich für die Zielformulierung ist die SMART-Formel. Das heißt, die Ziele sollten:

  • spezifisch (Was genau sollte getan werden?),

  • messbar (Auf einer Skala von eins bis zehn: Zu welchem Erfolg führt der angedachte Lösungsvorschlag?),

  • aktiv beeinflussbar (Wie sehr und vor allem, was können Sie dazu beitragen, dass Ihr Ziel erreicht wird?),

  • realistisch (Entspricht Ihr Ziel Ihrer Lösung, Ihrem Know-how und Ihrer Zeitkapazität?) und

  • terminiert sein (Wann muss die Aufgabe oder der erste Step erledigt sein?).

7. Soziale Netzwerke nutzen

Um Resilienz zu erlangen, ist es zwar essenziell, innerlich an sich zu arbeiten. Aber es kommt auch darauf an, nach draußen zu gehen: Knüpfen Sie Kontakte, bauen Sie menschliche Beziehungen auf! Bereits das Wissen um ein soziales Netzwerk, in dem man verankert ist, gibt ein Gefühl der inneren Stärke. In Krisenzeiten erweist es sich erst recht als unterstützend und wertvoll.

Überlegen Sie mal, welche Personen in Ihrem Netzwerk Ihnen gut tun und Kraft geben. Und welche rauben eher Energie? Welche Beziehungen sind es wert, in sie zu investieren? Welche nicht? Gehen Sie aktiv an diese Beziehungen heran und versuchen Sie, sie so zu gestalten, dass sie Ihrem Netzwerk nutzen und Ihnen Unterstützung bieten, Sie aber umgekehrt dort auch Unterstützung erhalten. Durch den Austausch im Netzwerk werden Sie auch merken: Sie sind mit all den Problemen nicht allein. (pg/fm)