Krise ueberwunden, IT-Reserve hat Ruh´

03.02.1995

Dieter Eckbauer

Die oeffentliche Diskussion ueber die "richtige" IT-Strategie leidet unter der Vermengung von Management-Theorien und Technikargumenten. Fuer die erforderliche Neugestaltung der Unternehmens-DV fehlt ein klares Konzept. Diese Erfahrung mussten selbst diejenigen DV/Org.-Chefs machen, die an Client-Server als gemeinter Form des "New Age Computing" lediglich mit dem Minimalziel herangingen, ihre proprietaeren Systeme sukzessive abzuloesen. Den grossen Wurf riskiert kaum einer. Eine unselige Kontinuitaet trotz geaenderter Verhaeltnisse in den Anwenderfirmen und bei den DV-Herstellern ist kennzeichnend dafuer, dass IT- Entscheidungen selten nach wettbewerbsrelevanten Kriterien gefaellt werden. Wer fragt schon, was Flexibilitaet der IT-Infrastruktur wert ist?

Erneut verteidigen Mainframe-Hardliner (IBM and friends!) sowie ein Teil der DV-Berater (Gartner Group!) einmal errungene Positionen mit geradezu ideologischem Eifer. Entwarnung kommt ueberdies von der Management-Front: Rezession ueberwunden - IT- Reserve hat Ruh´. Wenn es den Firmen gutgeht, ruecken IT- Ueberlegungen bei den deutschen Topmanagern wieder in den Hintergrund. Es waere toericht, diesen Umstand abstreiten zu wollen. Die mittlerweile auch hierzulande bestens bekannten amerikanischen Business-Process-Reengineering-Gurus und BPR-Buchautoren Michael Hammer und James Champy ("Reengineering the corporation") koennen ihren Medikamentenkoffer also getrost zuklappen und sich wieder dem Schreiben zuwenden.

Den Nachweis, dass zwischen IT-Einsatz und Unternehmenserfolg eine wie auch immer geartete Kausalitaet besteht, haben die verhinderten BPR-Reformer ohnehin nicht erbringen koennen - ein nutzloser Disput, der wie der Versuch einer Klaerung der Henne-und-Ei-Frage in der Endlosschleife landen muss, mag er auch noch so intelligent ausgetragen werden. Es gibt sehr viele neue Anwendungen insbesondere im Bereich der Online-Dienstleistungen, die durch moderne Informationstechnik ueberhaupt erst moeglich werden - hier eruebrigt sich jede Diskussion.

Andererseits ist unstrittig, dass sich viele Brot-und-Butter- Programme, die noch aus der Batch-Zeit stammen, heute als Aergernisse erweisen. Hier besteht Handlungsbedarf. Es muss das Ziel sein, sich dem aktuellen Stand der informationstechnischen Disziplin (Stichwort: Client-Server) in der Anwendungspraxis anzunaehern, nur so sind IT-Nutzenpotentiale unter wirtschaftlichen Aspekten auszuschoepfen. Mit Reengineering-Problemen, die Hammer und Champy ansprechen, hat das noch nicht sehr viel zu tun.

Das eigene Denken zu aendern, legt Champy den Bossen in seinem neuen Buch "Reengineer Management" nahe, obwohl er weiss, dass gerade dies in bezug auf bestehende Privilegien mit den heute an der Spitze stehenden Leuten nicht zu machen ist. Den DV-Chefs waere schon geholfen, wenn sich die Topmanager mit etwas mehr IT- Verstaendnis, was einschlaegiges Know-how voraussetzt, um die Pflege der Ressource Information kuemmern wuerden. Champy koennen sie dann immer noch lesen.