Skolkowo

Kreml will eigenes Silicon Valley

04.05.2010
Schon seit einer ganzen Weile versucht Russland, kluge Köpfe ins Land zu holen, um seine Wirtschaft rundum zu erneuern.

Das Riesenreich leidet darunter, dass die eigenen Talente lieber ins Ausland gehen - nicht nur wegen des Geldes, sondern wegen der Freiheiten dort. Dieses Ausbluten will Kremlchef Dmitri Medwedew stoppen. Der 44-Jährige ruft im Internet zur Modernisierung des "rückständigen Landes" auf. Vor den Toren Moskaus lässt er eine Stadt nach dem Vorbild der US-Ideenschmiede Silicon Valley bauen - bekommt dafür aber bislang wenig Beifall.

Im Auftrag des Kreml rührt der russische Multimilliardär Viktor Wekselberg die Werbetrommel für die neue Stadt der Superlative im Vorort Skolkowo. In futuristischen Gebäuden ließ sich hier an der Autobahn unlängst eine neue Manager-Kaderschmiede nieder. Von 2015 an sollen 30.000 bis 40.000 Wissenschaftler und Ingenieure in Skolkowo ihren Geist frei entfalten können und Russland den technologischen Durchbruch bringen. Medwedew betont immer wieder, die Rohstoffmacht des Riesenreichs sei nicht unendlich - und das Land brauche jenseits von Öl und Gas andere Standbeine.

Im Gegensatz zu China kauft Russland Hightech-Produkte lieber im Ausland ein - besonders Maschinen aus Deutschland. Die Politik stört sich seit langem daran, dass viele russische Entwicklungen zwar produktionsreif seien, aber oft an der Praxis scheiterten. Das soll sich nun radikal ändern. Der Kreml stellt sich das so vor: Manager, Forscher und Ingenieure schmieden im russischen Silicon Valley - einer Insel der Freiheit - die Zukunft Russlands.

In dem neuen wissenschaftlich-technischen Zentrum des Landes, das als größtes Experimentierfeld der russischen Wirtschaftspolitik gilt, sollen sich Universitäten, Labors und Konzerne ansiedeln. "Alle sind zur Mitarbeit eingeladen", wirbt Medwedew. Die fünf Kernsegmente sind Energie, Weltraumforschung, Telekommunikation, Biomedizin und Nukleartechnologie.

Der russische Staat gibt in der Startphase mehr als 100 Millionen Euro für die Planungen aus. Wekselberg nennt einen Aufwand für die Kunststadt von rund 1,5 Milliarden Euro für die kommenden zweieinhalb Jahre. Insgesamt hat eine von Regierungschef Wladimir Putin geleitete Modernisierungskommission nach Medienberichten rund 15 Milliarden Euro allein für 2010 für die inhaltliche Arbeit zur Verfügung.

Die Stadt der Innovation - oder "Innograd", wie Medien sie nennen- soll nicht von einem Bürgermeister regiert werden, sondern von einem Fonds, dem Wekselberg vorsteht. Keine Steuern, keine korrupte Polizei, keine Willkür-Bürokratie. Stattdessen Freiheit, Wohlstand mit Kindergärten, Krankenhäusern und Wohnkomfort in ökologisch einwandfreier Umgebung. "Das Wunder ist möglich", schreibt das Wirtschaftsblatt "Wedomosti" unter Berufung auf den Chefideologen im Kreml, Wladislaw Surkow, der auch Zukunftsprojekte entwirft.

Doch in die Debatten um die Zukunftsstadt mischt sich reichlich Skepsis. Die kremlkritische Zeitung "The New Times" erinnert daran, dass es schon zu Sowjetzeiten "goldene Käfige" für Wissenschaftler gegeben habe, letztlich aber doch viel Know-how durch Spionage zusammengeklaubt worden sei. "In autoritären Gesellschaften entsteht kein Fortschritt - dieser entsteht nur im Kontakt mit der Gesellschaft", sagt Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow mit Blick auf den Erfolg von Silicon Valley in den USA. Ohne Druck des Staates seien dort Computer-Erfindungen für die ganze Welt entstanden.

"Unausgegoren" nennte das Magazin "Russki Newsweek" die geplante "Kolonie für Genies". Schon heute habe Russland 350 Technologieparks, mehr als Japan, ohne dass es voran gehe. Klar ist auch, dass der Kreml für die geplanten Milliardeninvestitionen Erfolge sehen will: Produkte, die die Welt verändern und Milliardensummen bringen. Seit Jahren versucht Russland etwa, sein globales Navigationssystem Glonass aufzubauen, um der US-Entwicklung GPS Konkurrenz zu machen. Doch immer wieder gibt es Verzögerungen. Skolkowo soll auch für Glonass den Durchbruch bringen. (dpa/tc)