Spekulationen um Ankündigung einer neuen IBM-Generation + Komfortable Software und nochmals verbilligte Hardware

Kraftakt im unteren 370-Bereich: E-Serie?

16.12.1977

MÜNCHEN - Für Mitbewerber Amdahl ist die IBM-Ankündigungs-Politik vorgezeichnet: "Der Marktführer scheint mehr die Konkurrenz abblocken als den Anwendern helfen zu wollen." Mag sein. Dennoch dürften 370/115- und 370/125-Benutzer das Preis-/Leistungsverhältnis der neuen E-Serie, die im unteren Bereich der 370 mit vierfach besserer Price/Performance aller Voraussicht nach in wenigen Wochen angekündigt wird, als spektakulär empfinden. IBM gab keine Bestätigung: "Wir spekulieren nicht über zukünftige Produkte oder Ereignisse." Indes: Schon seit Wochen sollen IBM-VB's Verkaufsgespräche bei potenten 125-Kunden unter dem Druck dieses Wissens führen.

So kursiert, daß IBM zum Kauf animieren möchte, um zu verhindern, viele der abgeschlossenen kleinen 370er-Systeme auf Lager nehmen zu müssen, wenn die neuen Maschinen freigegeben werden. Zumal die 1972/73 als letzte 5er-Modelle der 370-Serie angekündigten Zentraleinheiten 3125 und 3115 bei vielen Anwendern erst verhältnismäßig kurz in Miete stehen. Soviel scheint bisher festzustehen: Die

(US)-intern als "Pacific" geführte neue Serie soll mit drei Typen E 1, E 2 und E 3 auf den Markt kommen. Hinter vorgehaltener Hand werden Lieferzeiten von 18 Monaten vorausgesagt, so daß die ersten Lieferungen ab 1980 einsetzen dürften.

Die neuen Modelle sollen Schreibtischmaße haben und sich gegenüber den bisherigen kleinen 370-Systemen durch wesentlich schnelleren Durchsatz, größeren Hauptspeicher und sensationell niedrige Preise auszeichnen, wobei - so Intimkenner - IBM im Rahmen einer aufpolierten Marketing-Strategie den Hardware-Komponenten nicht mehr das gleiche Gewicht beimißt wie noch bei der 370er-Generation. Insofern erscheint müßig, darüber nachzudenken, ob das nun die ersten Produkte der lang erwarteten IBM-Future-Systems sind oder nicht. Eher kann man davon ausgehen, daß die E-Modelle zwar ihre

evolutionären Weiterentwicklungen haben - so daß durchaus von einem Abschied von der 370 gesprochen werden kann -, die Betonung jedoch auf der Software liegen dürfte. Professionelle IBM-Beobachter wollen wissen, daß IBM für die E-Maschinen VM in Verbindung mit CMS (Conversational Monitoring System) forciert - die neuen werden softwaremäßig über die bestehenden DOS-Systeme "gestülpt". Bezeichnenderweise sollen für die neuen Systeme Megabyte-Hauptspeicherstufen üblich sein, während zum Vergleich die CPU's 3115 und 3125 mit Speicherausbau-Maximalgrenzen von 384 beziehungsweise 512 KB angeboten werden. So hat man sich eine IBM-Philosophie vorzustellen, die offensichtlich damit Ernst machen will, den Anwender von der Entscheidung zu befreien, welche Betriebssystem-Versionen, welche Applikations-Programme und welche Datenfernverarbeitungs-Software er nehmen soll. Das werde, wie IBM-"Analysten" kombinieren, als maßgeschneidertes Gesamtlösungspaket geliefert, verbunden mit einer sehr preisgünstigen Hardware - ein gerade für die angepeilten Zielgruppen wichtiges Prinzip, das überdies der veränderten Marktdynamik angepaßt wäre. Logische Konsequenz bei der von IBM bisher geübten Politik: Betriebssystem, Compiler (APL?) sowie Dienst- und Anwendungsprogramme müßten lizenzpflichtig werden, um den Druck durch die sinkenden Hardwarepreise abzufangen.

Es gibt bisher keine Anhaltspunkte dafür, daß der obere Bereich (ab 370/ I48) von der E-Serie tangiert wird, zumal mit den 3030er-Modellen erst in diesem Jahr Übergangsmaschinen angekündigt wurden, die kaum vor 1979 ausgeliefert werden dürften. Es spricht also vieles dafür, daß IBM diesmal das bisherige Ankündigungs-Prinzip umkehrt und von unten nach oben geht. Ohne Bestätigung ist allerdings geblieben, daß als H-Serie bereits Nachfolger der 30er-Systeme in der Pipeline stecken.