Hermes Precisa will "Buchhalter-Image" von Ruf nutzen:

Kräftige Finanzspritze für neue Tochter

31.10.1980

Von KW-Mitarbeiter Ulf Bauernfeind

KARLSRUHE - Den guten Ruf, den die Ruf Computer AG nach wie vor in der "Welt des Buchhalters" hat, will die schweizerische Hermes Precisa International SA nutzen, um stärker im deutschen Markt Fuß zu fassen. Die längerfristige und fachhandelsorientierte Vertriebsstrategie zielt darauf hin, unter der Flagge "Ruf" alle datentechnischen Produkte und unter der Flagge "Hermes" alle Erzeugnisse "rund um das Schreiben" segeln zu lassen. In diesen Tagen haben die Eidgenossen beschlossen, ihrer 100prozentigen deutschen Tochter eine Finanzspritze zwischen fünf und sechs Millionen Mark als Umstrukturierungskapital zukommen zu lassen.

Die Hermes Precisa International (HPI) SA setzte 1979 rund 265 Millionen Schweizer Franken um und beschäftigt über 4000 Mitarbeiter. Trotzdem bezeichnet Generaldirektor Fritz W. Meyer sein Unternehmen als ein kleines Unternehmen, das nicht die ganze "Büropalettenbreite" anbieten könne. Statt wie andere zu diversifizieren, betreibe man eine bewußte Konzentration auf die Sektoren Schreiben und Kleincomputer. Durch Partnerschaften ("Private Label"/Gegengeschäfte) sei man trotzdem in der Lage, eine abgerundete Reihe anzubieten. In den letzten Jahren kaufte Hermes Precisa insgesamt neun Unternehmen auf, um ihre Vertriebsaktivitäten in Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Großbritannien und Deutschland zu verstärken.

Vor gut einem Jahr wurde Ruf Frankreich übernommen. Der Name Ruf hat sich "links des Rheines" als ein gutes Entreé erwiesen und mitgeholfen, daß Frankreich inzwischen nach der Schweiz zum zweitwichtigsten Markt für HPI avanciert ist. Da lag es nahe, sich auch "rechts des Rheines" des "Steigbügelhalters" Ruf zu bedienen. F. W. Meyer: "Wir waren uns darüber im klaren, daß die Ruf Computer AG nicht mehr das war, was die Firma vor fünf oder zehn Jahren dargestellt hat." Der Generaldirektor wurde sogar noch deutlicher: "Wir sind bei Ruf, seitdem die Löhne weiterbezahlt werden mußten."

Für eine Übergangszeit werden Hermes und Ruf im Vertrieb getrennt und mit "überlappenden" datentechnischen Produkten auf dem deutschen Markt agieren. Derzeit beliefert HPI in der Bundesrepublik "regelmäßig" etwa 100 Fachhändler mit Schreibmaschinen und 25 mit Kleincomputern. Ruf ist noch bei 37 Distributoren "im Geschäft". Das Händlernetz soll weiter ausgebaut werden.

Die Übernahme durch Hermes Precisa hatte bei Ruf an der Spitze personelle Konsequenzen. Als neuer alleiniger Vorstand fungiert Karl Kunze, der schon seit zehn Jahren in der Ruf-Organisation tätig ist. Die "graue Eminenz" A. L. Steiner soll die HPI-Aktivitäten in Deutschland im Auge behalten und aufpassen, daß bei Ruf "nichts anbrennt". Der Eidgenosse ist Vorstandsmitglied von HPI und Aufsichtsratsvorsitzender der Ruf Computer AG.

Von den seitherigen Ruf-Produkten dürfte nur das System 2000 eine HPI-Zukunft haben. Vorstand Kunze sieht seinen Mikrocomputer, der bereits als Multi-User-Systeme angeboten wird, "weit vorn". Er werde vielleicht in drei Jahren "den Minicomputer vergessen lassen". Schon heute verfüge man über die erforderliche Software für den kommerziellen Einsatz in Klein- und Mittelbetrieben. Die Grundausstattug des Systems 2000 kostet 23 000 Mark. Rund 60 Anlagen sind ausgeliefert.

Künftige Entwicklungen werden von HPI koordiniert, wobei Ruf die Bedürfnisse des deutschen Marktes artikulieren und Systeme mit OEM-Produkten "bundesdeutsch" konfigurieren soll. Hermes Precisa selbst sieht ihre datentechnische Zukunft weiterhin beim Magnetkontencomputer, wobei vor allem die Druckertechnologie verbessert werden soll. Auf der Pressekonferenz in Karlsruhe wurde ein neues Einzelplatz-Floppydisk-System (HDS 305) für um die 45 000 Mark vorgestellt, das ebenfalls mit Magnetkonten ausgerüstet werden kann.