IT-Management und RZ-Organisation/Die Leistungsfähigkeit der DV-Abteilung auf dem Prüfstand

Kostentransparenz durch IT-Benchmarks

17.08.2001
Seit geraumer Zeit treten Outsourcer und ASP-Anbieter mit der Behauptung auf, IT-Services besser und billiger erbringen zu können als die Spezialisten in den Unternehmen selbst. Den Chefs gut geführter IT-Abteilungen gelingt es jedoch immer wieder, das Gegenteil zu beweisen. Rechenzentrums-Benchmarking kann hierfür ein geeignetes Werkzeug sein. Von Berthold Wesseler*

In der DV-Welt gibt es wohl kaum einen Begriff, der so facettenreich und vieldeutig ist wie "IT-Service". Die Marketing-Aussagen der Anbieter bleiben genauso verschwommen wie die Vorstellungen der Fachabteilungen, die sich bessere "Computerunterstützung" wünschen. In der Zwickmühle sitzt der IT-Chef, der sich gegen den pauschalen Vorwurf zu hoher Kosten und mangelhafter Services gleichzeitig wehren muss.

Schon seit jeher stehen die IT-Chefs unter einem enormen Kostendruck, müssen sie doch den Kauf millionenteurer Computerhardware und komplexer Software rechtfertigen. Da kommt im Topmanagement schnell die Befürchtung auf, zu viel zu bezahlen - zumal die Stückkosten für Rechner, Plattenspeicher und Netzwerk rasant sinken, die steigende Tendenz der IT-Ausgaben insgesamt aber seit Jahren ungebrochen ist. Diese eklatante Diskrepanz macht Eigenwerbung offensichtlich ebenso notwendig wie mehr interne Kommunikation.

Die Verteidigung gelingt erfahrungsgemäß am besten durch absolute Kostentransparenz und unmissverständliche Leistungsvereinbarungen. "Mittel zum Zweck sind hier die verursachungsgerechte Leistungsverrechnung auf der einen Seite und saubere Service-Level- Agreements auf der anderen Seite", weiß Thomas Ruhmann, Vorstandsmitglied des Benutzervereins Computer Measurement Group Central Europe (CEMCG) in Frankfurt am Main, in dem sich mehr als 150 deutsche Großunternehmen zum Erfahrungsaustausch in Sachen System-Management zusammengeschlossen haben.

Der Unternehmensberater Jochen Michels aus Neuss analysiert seit mehr als 15 Jahren die Marktpreise von IT-Services in Deutschland. Das Fazit seiner Arbeit ist ernüchternd - auch wenn Fortschritte unverkennbar sind: Michels diagnostiziert auch heutzutage noch extreme Preisunterschiede, beispielsweise Abweichungen von 500 Prozent für einen SAP-Arbeitsplatz.

Gute Ergebnisse zähmen KritikerFür Klarheit sorgen fundierte Benchmarks. Sie können durch den Vergleich mit den bestgeführten IT-Abteilungen oder mit vergleichbaren Unternehmen ähnlicher Größe und Struktur den Kritikern des IT-Chefs schnell den Wind aus den Segeln nehmen - wenn er und sein Team wirklich gute Arbeit leisten.

Die Benchmarks belegen immer wieder aufs Neue die auf den ersten Blick überraschende Tatsache, dass allen Economies of Scale zum Trotz die Outsourcer und Application Service Provider nicht unbedingt die Nase vorn haben. Nicht selten liefern interne IT-Abteilungen professionellere Arbeit und besseren Service ab. Sie können unter Umständen sogar auf einem niedrigeren Kostenniveau arbeiten, wenn sie ihre Vorteile wie geringere Reibungsverluste durch "Nähe zum Kunden", klare Fokussierung auf diesen Kunden und Verzicht auf Marketing- und Vertriebs-Overhead gekonnt ausspielen.

Doch Benchmarks bedeuten Aufwand - und sie leben meist von der regelmäßigen Wiederholung, die eine Entwicklung erst deutlich macht. Nur so lassen sich die erzielten Fortschritte erkennen und das erreichte Niveau mit dem Markt vergleichen, um daraus Vertragsanpassungen mit Outsourcern abzuleiten.

IT-Benchmarks sind umstrittenBenchmark-Kritiker halten dagegen Kosten- und Leistungsvergleiche mit anderen Firmen für unmöglich - oder zumindest die Ergebnisse für wenig aussagekräftig. Sie führen als Argument die Verschiedenartigkeit von IT-Leistungen ins Feld. Zu groß seien die firmen- und branchenspezifischen Differenzen in puncto Servicearten und -umfängen, zu eklatant die Unterschiede in der Infrastruktur, der Organisation und der Preispolitik, die für den Erbringer eine entscheidende Rolle spielen.

Berater Michels hält daher eine möglichst simple und unmissverständliche Kenngröße für den idealen Benchmark. Zu der von den Kritikern aufgeworfene Frage nach der Vergleichbarkeit verweist Michels auf die marktüblichen diffusen Aussagen zu "Services" oder "Qualitäten", die besonders hohe Preise rechtfertigen sollen: "Gerne werden marktfremde Preise mit anderen Argumenten verbrämt." Man könne diesen Argumenten sicher eine ganz Strecke weit folgen. Preisspreizungen von vielen hundert Prozent seien mit ihnen jedoch kaum zu rechtfertigen.

Leistungsmessung darf Betrieb nicht störenPraktiker wie Michels oder Olaf Krause von der Mipcost GmbH widerlegen die Benchmark-Kritiker tagtäglich mit ihrer Arbeit. Krause geht dabei weiter als Michels und hat mit "Costmark" ein Tool-gestütztes Verfahren zur vergleichenden Analyse produktiver R/3-Systeme bezüglich ihrer Kostenstruktur und Leistung entwickelt. Dieses Analyseverfahren besteht aus zwei Komponenten: der vergleichenden Kostenanalyse in einem prozessorientierten Kostenmodell und der standardisierten, vergleichenden und - eine wesentliche Randbemerkung Krauses - "den Betrieb nicht behindernden Leistungsmessung".

Die Normierung der Kenngrößen macht Installationen unterschiedlichster Größe vergleichbar und Skalierungseffekte sichtbar (Economy of Scale). Die Daten werden dabei im gleichen Prozessmodell mit denselben Werkzeugen erhoben. "Daraus lässt sich ableiten, welches Verbesserungspotenzial besteht und wo die besonderen Stärken liegen", verspricht Krause.

Bei aller Kritik an diesen vereinfachenden Benchmark-Ansätzen: Die Aussagekraft vereinfachender Modelle belegen Beratungsunternehmen wie Gartner Group oder die IDS Scheer AG, die sogar komplette Geschäftsprozesse eines Unternehmens im Benchmark-Test bewertet.

Dass dies machbar ist, beweisen aber auch RZ-Spezialisten wie Compass. Diese 1979 gegründete international tätige Beratergruppe lebt allein vom IT-Benchmarking und untersuchte im vergangenen Jahr bei 650 Kunden weltweit Ausgaben und Budgets in Höhe von insgesamt 130 Milliarden Mark.

"Compass bildet die Prozesse des RZ-Betriebs in einem neutralen, funktionalen Modell ab und macht sie so mit denen anderer Unternehmen vergleichbar", erklärt Martin Lippert, Geschäftsführer der Compass Deutschland GmbH, die Vorgehensweise. "Dabei werden Kosten, Produktivität und Qualität untersucht. Eine immer detailliertere Betrachtung von Teilprozessen zeigt dann sowohl die Stärken als auch die Schwächen auf." Außerdem leiten die Compass-Experten aus den Resultaten Hinweise auf mögliche Ursachen der Schwachstellen ab; auf dieser Basis entstehen konkrete Verbesserungsvorschläge mit möglichen Einsparungen. Ein derart detailliertes Benchmarking ist aufwändig und macht sich erst dann bezahlt, wenn ein entsprechendes Einsparpotenzial gegeben ist.

Auch Unternehmensberater Michels hat für die Infrastruktur alle wesentlichen Leistungsarten und die dazugehörigen Leistungseinheiten genau definiert, etwa die vearbeiteten Millions Instructions per Second (MIPS), die Zahl der Druckseiten, bereitgestellte Gigabyte oder übertragene Megabyte. Diese Sisyphus-Arbeit war notwendig, um Vergleichbarkeit zu erreichen. Denn selbst simple Größen wie die CPU-Sekunde sind für einen Vergleich nur eingeschränkt brauchbar, wenn beispielsweise SAP-Anwender so unterschiedliche Plattformen wie Windows-Rechner, Unix-Server, AS/400-Systeme und Mainframes nutzen, die nicht nur mit unterschiedlichen Prozessoren, sondern auch mit jeweils völlig andersartigen Leistungsmessverfahren arbeiten.

Vergleichbar macht Michels die Rechenzentren dann über "Musterwarenkörbe" typischer IT-Dienstleistungen. Vor dem Hintergrund seiner Arbeit behauptet der Berater dennoch: "Mittlerweile sind 50 bis 75 Prozent der IT-Leistungen Commodity." Nicht gegeneinander abzugleichen beziehungsweise firmenindividuell bleiben die IT-Strategie, die Anwendungsentwicklung und die IT-Projekte. Selbst die Anwendungssysteme sind mittlerweile durchaus vergleichbar geworden, so dass Michels bereits eigene SAP-Preisanalysen erstellt.

Die Ergebnisse solcher Analysen sind aufschlussreich. Dennoch warnte Benchmarking-Experte Olaf Krause auf der diesjährigen CECMG-Jahrestagung in Ulm vor allzu simplen Zahlenspielereien: "Die ermittelten Kennzahlen müssen interpretiert werden. Vor allem gilt es, neben der Kostenstruktur auch die Leistungen zu untersuchen." Denn vor allem die Qualität der erbrachten Services wird offenbar allen Lippenbekenntnissen zum Trotz nur selten konsequent beobachtet und nachgewiesen. Einigkeit herrscht inzwischen darüber, dass es zwei Kriterien gibt, an denen man Servicequalität festmachen sollte: die Antwortzeiten und die Verfügbarkeit.

"Ernüchternd" ist für Michels, dass bei seinen SAP-Preisanalysen der Service-Level kaum genannt wird. Als Standard hat sich die Verarbeitung von 95 Prozent der Rechenbefehle binnen einer Sekunde und 99 Prozent binnen 1,5 Sekunden etabliert. "Wenn die Angebote aber so nahe beieinander liegen, wie kommt es dann zu den extremen Preisunterschieden von 500 Prozent?", fragt sich nicht nur Michels. "Könnte man nicht im Kampf um den Kunden hier wirklich mit handfesten Argumenten und straffen Leistungen gewinnen?" Der befürchtete Aufwand für exakte Messungen und Vereinbarungen kann demnach nicht annähernd so groß sein wie die heutigen Preisdifferenzen im Markt.

Die Analysen des Beraters Krause legen auf den ersten Blick den Schluß nahe, dass Selbstbetreiber ihr SAP-System um zirka 25 Prozent günstiger betreiben können. Eine detailliertere Betrachtung zeigt dann jedoch, dass bei von Outsourcern betreuten Systemen die Prozesse des R/3-Betriebes umfassender abgedeckt werden. Dies ist aus den im Durchschnitt mehr als doppelt so hohen Personalkosten pro User ersichtlich. Krause fasste die Ergebnisse seiner R/3-Benchmarks in vier Punkten zusammen:

- Unterhalb einer Größe von rund 200 Usern hat es ein Inhouse-Betreiber schwer, den gesamten Prozess R/3- Betrieb kostengünstiger abzuwickeln als ein Outsourcer.

- Selbstbetreiber tendieren dazu, die Support-Prozesse zu vernachlässigen.

- Für Outsourcing-Nehmer geht der Vorteil der günstigen Hardwarekosten durch sehr niedrige Auslastung oft wieder verloren.

- Outsourcer tendieren bei großen Systemen zu einer Überbesetzung der Support- und Pflegeprozesse.

Zwei weitere, auf den ersten Blick überraschende Analyseergebnisse sind mit Sicherheit für alle Betreiber von R/3-Systemen interessant: Krause hat beträchtliche Spielräume bei der Vertragsgestaltung ausgemacht. "Ein differenziertes Lizenzierungskonzept kann zu erheblichen Kosteneinsparungen führen. Vor allem sind die R/3-Wartungskosten ebenso sorgfältig zu verhandeln wie die Lizenzen selbst."

Für Michels ist der wichtigste Punkt jenseits des Benchmarking die offene und professionelle Erörterung aller Fragen der finanziellen Steuerung von IT-Diensten. Dabei kommt es nicht in erster Linie auf eine vollständige Theorie, sondern auf die praktische Durchführbarkeit an. Denn die Gretchenfrage vor der Einführung neuer IT-Services lautet immer wieder: Was darfs denn kosten? Während der Preis schnell auf dem Tisch liegt, bleibt die Leistung meistens im Verborgenen. Kommen externe Dienstleister ins Spiel, wird der IT-Service nicht selten nach der Devise "Learning by Doing" erbracht.

Den Beweis, dass eine solche Steuerung der IT-Kosten in der Praxis möglich ist, trat auf der Ulmer CECMG-Jahrestagung Karl Grob an, der bei der Bank Austria/Creditanstalt in Wien ein konzernweites Modell zur Verrechnung der DV-Arbeitsplatzkosten erarbeitet hat und nun die Erfolge präsentierte.

*Berthold Wesseler ist freier Journalist in Brühl/Rheinland.

Abb.1: Bildung von Kennzahlen

Nur wenn die Daten mit identischen Prozessmodellen und Tools erhoben werden, sind sie für den Vergleich von Unternehmen geeignet. Quelle: Mipcost GmbH

Abb.2: Neutrales Modell ermöglicht Vergleiche

Die detaillierte Betrachtung von Teilprozessen zeigt Stärken und Schwächen. Daraus lassen sich Verbesserungsvorschläge ableiten. Quelle: Mipcost GmbH