Neuerungen betreffen Highend-Funktionen

Kostenloses Solaris 8 richtet sich gegen Windows 2000

18.02.2000
MÜNCHEN (CW) - Anfang März will Sun die Version 8 von "Solaris" auf den Markt bringen. Technische Neuerungen betreffen vor allem die weitere Verbesserung von Skalierbarkeit und Verfügbarkeit. Mit der kostenlosen Lizenz für Rechner mit bis zu acht CPUs und der Offenlegung des Quellcodes will Sun einen Marketing-Coup landen.

Knapp ein Jahr nach Erscheinen der Version 7 bringt Sun bereits das nächste Update seines Unix-Derivats auf den Markt. Passend zur Marketing-Kampagne "Dot-Com" weist die neue Ausführung vor allem Funktionen auf, die für Internet- sowie Application-Service-Provider (ISPs und ASPs) von Interesse sind. Zwar stößt die Unix-Company damit leistungsmäßig in den Mainframe-Bereich vor, spielt aber bei einigen Funktionen deswegen noch keine Vorreiterrolle unter den Unix-Anbietern. Viele der nun eingeführten Verbesserungen können Konkurrenzsysteme wie IBMs AIX schon länger vorweisen.

Das Upgrade wird nach Aussagen von Sun einige Kompatibilitätsprobleme mit bestehenden Applikationen aufweisen. Laut Jeff Bernard, Marketing Director für Solaris, sollen rund 90 Prozent aller Anwendungen unter dem neuen 64-Bit-System laufen. Schwierigkeiten bereiten Programme angeblich nur dann, wenn sie nicht offiziell unterstützte API-Aufrufe nutzen, die nicht mehr Bestandteil von Version 8 sind. Immerhin verpflichtet sich Sun, Solaris anzupassen oder das Softwarehaus bei der Portierung zu unterstützen, wenn derartige API-Funktionen nicht die Ursache für Kompatibilitätsprobleme sind. Das Update kommt etwa zeitgleich mit Windows 2000 auf den Markt. Sowohl die Ausstattung des Betriebssystems als auch die Preisgestaltung sind von dieser Konkurrenz geprägt. Während Anbieter proprietärer Unix-Derivate schon früh dazu übergegangen waren, Programme separat zu verkaufen, die ursprünglich Teil des Betriebssystems waren, reagiert Sun unter dem Eindruck der Windows-2000-Funktionsfülle nun selbst mit massivem Bundling. So gehören zu Solaris nicht nur Server-Programme wie eine Firewall, der freie Mail Transfer Agent "Sendmail", die SMB-Implementierung "PC Netlink" zur Emulation eines NT-Rechners, Management-Tools sowie einige Server aus dem Netscape-Bestand (wie LDAP-Verzeichnis- und Zertifikats-Server). Mit von der Partie ist auch Netscapes Browser "Navigator" in der Version 4.7 sowie das komplette Office-Paket der im letzten Jahr übernommenen Star Division.

Die Konkurrenz mit dem NT-Nachfolger schlägt sich auch in der unterschiedlichen Behandlung bestimmter Marksegmente nieder. Mit dem Aufstieg in eine höhere Leistungsklasse verspricht sich Sun vor allem Einnahmen bei ASPs und ISPs, während Windows 2000 im unteren Bereich nachrückt. Das Microsoft-System soll im Vergleich zu NT eine verbesserte Skalierbarkeit bis acht CPUs aufweisen. Deshalb gibt Sun sein OS für Sparc und Intel-Maschinen genau bis zu dieser Grenze kostenlos ab und verlangt erst für größere SMP-Rechner Lizenzgebühren.

Dennoch darf bezweifelt werden, ob dieses Angebot ernsthaften Druck auf Microsoft ausüben kann. Zum einen machen Lizenzkosten nur einen relativ kleinen Teil der DV-Ausgaben von Firmen aus. Zum anderen bietet Sun ja nicht nur ein preiswertes alternatives Betriebssystem an, sondern erfordert in der Praxis den Wechsel auf die Sparc-Plattform. Zwar können Anwender Solaris 8 auch auf Intel kostenlos nutzen, allerdings ist diese Variante mangels ausreichenden Softwareangebots in den meisten Fällen nicht interessant. Auch wenn die Preise der Sparc-Workgroup-Server nicht wesentlich über jenen der Intel-Konkurrenz liegen, stellt sich doch die Frage, ob bei Anschaffung dieser Risc-Rechner die Kostenersparnis insgesamt noch so groß ausfällt. Zudem ist es nicht ungewöhnlich, dass bei Anbietern von Unix-Workstations die OS-Lizenz im Anschaffungspreis für die Hardware enthalten ist. Immerhin, so das Kalkül von Scott McNealy, könnten 9800 Mark Lizenzgebühr für den Windows 2000 Advanced Server (inklusive 25 Zugriffslizenzen) gegenüber 150 Mark Medienkosten für Solaris 8 den einen oder anderen Controller ins Grübeln bringen.

Suns Freeware-Koketterie endet freilich nicht bei der Preisgestaltung: Die Workstation-Company macht Anwendern auch den Quellcode ihres Unix zugänglich. Unterliegt die Gratisnutzung von Solaris schon Einschränkungen, so gehen diese beim Zugang zu den Programmquellen noch viel weiter. Der kalifornische Hersteller stellt Solaris nicht unter die hauseigene, noch relativ liberale Sun Community Source License, sondern erfand dafür das "Free Solaris Source License Program".

Von Open Source wenig zu spürenDieses untersagt im Prinzip all jene Freiheiten im Umgang mit den Quellen, die für Open Source von zentraler Bedeutung sind. So ist es Anwendern verboten, den Solaris-Code oder von ihnen daran vorgenommene Änderungen weiterzugeben. Beide dürfen nur über Sun nach entsprechender Registrierung bezogen werden, wobei es dem Gutdünken des Anbieters überlassen bleibt, ob er Code von Dritten überhaupt integriert. Selbst die unternehmensinterne Nutzung eines modifizierten Solaris erfordert die Zustimmung von Sun.

Da eine derartig restriktive Lizenz wohl kaum die Vorteile des Open-Source-Modells beim Auffinden und Beseitigen von Fehlern für sich reklamieren kann, gehen Beobachter davon aus, dass Sun damit vor allem im Markt für Server-Appliances Fuß fassen will. Derartige aufgabenspezifische Geräte benötigen im allgemeinen nicht den gesamten Funktionsumfang eines Allzweck-Betriebssystems wie Solaris. Der relativ einfache Zugang zum Quellcode erlaubt einschlägigen Anbietern, das Sun-Unix für ihre Bedürfnisse zurechtzuschneiden.

Etwas großzügiger zeigte sich Sun bei der Freigabe von Teilen des Network-File-System-(NFS-) Quellcodes. Der dort verwendete Remote Procedure Call (TI-RPC) unterliegt der auf Anregung von Open-Source-Vertretern überarbeiteten Fassung der Community License, die nun unter Sun Industry Standards Source License firmiert. Dies könnte der Linux-Gemeinde helfen, die NFS-Unterstützung mit der Version 4 kompatibel zu machen. Allerdings wies der prominente Open-Source-Befürworter Eric Raymond schon darauf hin, dass Linus Torvalds keinen Code in den Linux-Kernel integriere der nicht der GNU Public License unterliegt.

Neuerungen im ÜberblickWesentliche Neuerungen von Suns 64-Bit-Unix betreffen in erster Linie Highend-Funktionen. Darunter fallen bessere Cluster-Unterstützung, die nun die Kopplung von bis zu vier 64-Wege-Servern erlaubt. Bis Ende des Jahres wird sogar ein Verbund aus acht 164-CPU-Maschinen möglich sein. Die Ausfallzeiten von Sparc-Rechnern sollen sich weiter reduzieren, weil Patches und Upgrades auch bei laufendem Betrieb eingespielt werden können.

Viele Verbesserungen fallen unter die Kategorie Produktpflege. So weist der Hersteller besonders auf Fortschritte bei der Ausführungsgeschwindigkeit hin. Dies betrifft unter anderem Web-Server, die aufgrund des neuen "Network Cache Accelerator" HTML-Seiten schneller an die Clients übertragen können, und die Java-Ablaufumgebung. Letztere profitiert von der nun integrierten "Hotspot"-Technologie. Zu den Neuerungen zählen unter anderem noch die Unterstützung von bis zu einer Million gleichzeitiger Prozesse, das Internet Protocol in der Version 6 (IPv6), Ipsec, Single-Sign-on über Kerberos oder rollenbasierte Zugriffsrechte. Eine ausführliche Übersicht findet sich unter http://www. sun.com/software/solaris/ whatsnew2.html.