Münchner Kreis diskutiert Verkabelungsstrategien

Kostenfaktor belastet noch Glasfaser und Breitband-ISDN

23.11.1990

MÜNCHEN (CW) - Unbestritten ist Glasfaser das Übertragungsmedium der Zukunft, doch werden auch in den nächsten Jahre überwiegend Kupferkabel eingesetzt. Zu diesem Schluß kam der Münchner Kreis, eine übernationale Vereinigung für Kommunikationsforschung, auf dem Kongreß "Glasfaser bis ins Haus", der in München stattfand.

Vor rund 350 Teilnehmern lieferten Telekommunikations-Experten eine Bestandsaufnahme Über den Entwicklungsstand bei Glasfasernetzen und zeigten Zukunftslösungen auf. Gleichwohl wurde auf dem Kongreß deutlich, daß in absehbarer Zeit nicht mit einer völligen Ablösung der vorhandenen Kupferkabel zu rechnen ist.

"Während sich die optischen Übertragungssysteme in den Fernnetzen längst durchgesetzt haben", so Wolfgang Kaiser vom Institut für Nachrichtenübertragung der Universität Stuttgart, "bedarf es im Teilnehmeranschluß-Bereich noch großer Anstrengungen, um die Wirtschaftlichkeitsbarriere zu überwinden."

Offensichtlich spielt dieser Kostenfaktor auch bei der geringen Nachfrage nach Breitband-Diensten eine Rolle. Kaiser machte in seinem Referat deutlich, daß jedoch die Vorteile von Glasfaser-Netzen, wie hohe Übertragungsgeschwindigkeit, geringe Dämpfung und große Bandbreite, nur in Verbindung mit Breitband-Diensten zum Tragen kommen.

Noch vor einigen Jahren war die Deutsche Bundespost Telekom der Ansicht, daß der Synergieeffekt zwischen Breitband-Diensten und optischen Übertragungsmedien die Realisation einer Glasfaser-Verkabelung vorantreiben würde. Bereits 1990 sollte, legt man die Pläne der Bundespost zugrunde, ein hochintegriertes Breitband-Koppelnetz einschließlich ISDN errichtet sein.

Hier hat die Telekom, so Vorstandsmitglied Gerd Tenzer, ihre Strategie geändert. Es ist geplante Lichtwellenleiter zwar unabhängig von Breitband-ISDN, aber für diesen Bereich ausbaufähig für Telefon-, TV- und 64-Kbit/s-ISDN einzusetzen. Tenzer rechnet Jedoch erst 1993 oder 1994 mit dem Durchbruch der Glasfaser auf diesem Gebiet. Allerdings sind sich die Experten einig, daß die Glasfaser-Vernetzung nur in Schwung kommen wird, wenn der Preisunterschied zu den wirtschaftlicheren Kupferlösungen ausgeglichen ist.

Eine Möglichkeit, die Kosten für Lichtwellenleiter-Netze zu senken, ist den Referenten zufolge die Hybriden-Vernetzung, bei der eine Faser von mehreren Teilnehmern genutzt wird. "Netzausläufer" verbinden bei dieser Art der Vernetzung die Kupferleitungen der Anwender mit dem Glasfaser-Kabel.

Basierend auf dieser Technik, sollen in naher Zukunft auch einige Pilotprojekte gestartet werden. So will die Siemens AG 1991 den Probelauf für ein optisches Teilnehmeranschluß-System in Leipzig starten. Von der Raynet GmbH in Bonn, Standard Elektrik Lorenz AG, Stuttgart, der Robert Bosch GmbH in Hildesheim sowie gemeinsam von AEG, ANT und der PKI AG sind ebenfalls Systeme für die optische Übertragung entwickelt worden.

Bereits in der Erprobungsphase befindet sich das Raynet-System. Momentan sind hier 192 Telefonanschlüsse und 96 Kabelfernseh-Anschlüsse bereitgestellt.

Bereits Mitte der Achtziger Jahre sollte auch ein Vorläufer. Breitband-Netz (VBN) der Deutschen Bundespost Telekom in Betrieb gehen. Tatsächlich war es jedoch erst im April 1989 soweit. Seitdem können 29 Städte Über 16 Leitungen mit 140-Mbit/s miteinander kommunizieren.

An der Netzauslastung läßt sich aber das geringe Interesse an breitbandigen Diensten wie Videokonferenzen und Übertragung großer Datenmengen erkennen: Nur 25 Prozent der Netzkapazität, so Telekom-Vorstand Tenzer weiter, werden von Kunden in Anspruch genommen.