IT in der Verwaltung/Gute Web-Beispiele vor allem in Kommunen

Kosteneinsparungen motivieren mehr als Bürgerfreundlichkeit

06.10.2000
Eine Sammlung gelungener Web-Anwendungen in zahlreichen öffentlichen Verwaltungen hat Stefan Krüger* hier zusammengetragen. Ihr gemeinsamer Nenner: Sie alle haben traditionelle Lösungen rationalisiert und liegen voll im Trend.

Wenn die ganze Welt auf E-Business setzt, kann die öffentliche Verwaltung auf Dauer nicht abseits stehen. Nicht (nur) weil es modern ist, sondern weil es zahlreiche Möglichkeiten bietet, Kosten einzusparen. Diese Aussicht hat den Web-Einsatz in der öffentlichen Verwaltung ohne Zweifel eher forciert als die Aussicht, die Verwaltung bürgerfreundlicher gestalten zu können. Damit hätten die chronisch leeren öffentlichen Kassen zur Abwechslung auch einmal ihr Gutes.

Bisher war oft ein großer Aufwand zu treiben, bis man sich im Dickicht des Behördenwesens überhaupt zurechtfinden konnte. Da bringen Online-Dienste - selbst in der einfachsten Form - deutliche Orientierungsfortschritte. Schon die zentrale Einstiegsadresse www.ortsname.de schafft beim Bürger Sicherheit, wohin er sich zu wenden hat. Mittlerweile bieten nahezu alle Städte ein solches kommunales Portal, das den Weg durch den ehemaligen Behördendschungel weist - eine gute Struktur des Web-Auftritts vorausgesetzt.

www.bielefeld.de oder www.halle.de sind gute Beispiele für gelungene Umsetzungen. Neben Werbung für die Stadt und Veranstaltungshinweisen finden sich die benötigten Informationen ohne Mühe. Zu umfassenden Auskünften, wo welche Behörde angesiedelt ist und wann diese geöffnet ist, kommt auch stellenweise das Angebot, Formulare abzurufen oder sich online das Wunschkennzeichen für den Pkw zu reservieren.

Noch wenig Interaktion, aber ein schönes Beispiel für eine übersichtliche Darstellung der öffentlichen Verwaltung und ihrer Anlaufstellen bietet der Server der Hansestadt Hamburg. Gerade eine Großstadt wie Hamburg hat eine Vielzahl von Behörden, deren Zuständigkeit auch noch nach Stadtteilen geordnet ist. Unter dem Punkt Dibis (Direkter Bürger-Informations-Service) auf www.hamburg.de kann sich der Besucher nicht nur auf Deutsch, sondern in neun weiteren Sprachen bei den Hamburger Behörden zurechtfinden. Sogar russische und chinesische Besucher werden hier weitergeleitet. Eine Stichworteingabe , etwa "Personalausweis", nebst Straße und Hausnummer führt zur sofortigen Nennung des zuständigen Amts einschließlich Adresse, Telefon, Zimmernummer, fälligen Gebühren, erforderlichen Unterlagen und öffentlichen Anfahrtsmöglichkeiten. Links auf den Stadtplan und den Verkehrsverbund ergänzen dieses Angebot. Für einzelne Bereiche kann auch schon ein Formular geladen werden, das man dann in Ruhe zu Hause ausfüllen kann.

Auch für die Behörden war das Internet anfangs ein reines Informationsmedium. Bundesministerien, Bundesämter, Parlamente nutzen das Web so seit langem. Beschränkte sich die Möglichkeit zur Interaktion dabei auf die Auswahl von Web-Seiten oder auf die Anforderung von Broschüren, so entsteht parallel zum E-Commerce ein echter Austausch von Informationen. Der Formular-Download spart zwar manchen Behördengang, ist aber verglichen mit den Möglichkeiten von E-Commerce nur ein erster zaghafter Schritt. So finden sich beispielsweise auf dem umfangreichen Server www.muenchen.de auch die Seiten des Kreisverwaltungsreferats mit dem Formularsystem "Xania". Der Bürger trägt seine Meldedaten in eine Maske ein, druckt dann das ausgefüllte Formular aus, unterschreibt, kuvertiert, frankiert und bringt es zum Briefkasten. Ein Anfang immerhin, schließlich muss man das Formular nicht anfordern oder gar selbst abholen.

Echtes E-Government geht natürlich weiter. So ermöglicht das Projekt "Elster" die Online-Übermittlung von Steuererklärung, Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung direkt aus der Buchführungssoftware des Steuerpflichtigen. Dies weist in eine wichtige Richtung: E-Government muss nicht nur eine direkte Kommunikation vorsehen, sondern mittelfristig gleich die Integration in die jeweilige Business-Software. Die Oberfinanzdirektion München, die Elster entwickelt hat, stellt Anbietern von Steuerprogrammen Schnittstellen zur Verfügung, die sie in ihre Programme integrieren können. Ob-wohl sich das Projekt noch im Anfangsstadium befindet, wurden bereits 23000 Einkommensteuerfälle per Internet übermittelt - die dazugehörige Website (www.elster.de) ist allerdings recht spartanisch ausgefallen. Bislang nehmen übrigens zwölf Bundesländer an Elster teil, die anderen wollen bald folgen.

Derzeit ist die Motivation für E-Government recht ambivalent. In etlichen Bereichen gibt es noch Widerstände gegen den Einzug des Internet in die öffentliche Verwaltung, nicht zuletzt, weil manche Sicherheitsfragen nicht abschließend geklärt sind.

Standort-Marketing durch Internet-Auftritt

Andererseits sind die positiven Effekte verführerisch: Wenn ein Gewerbeumzug in Deutschland bis zu zwölf Formular- und Antragsaktionen bei verschiedenen Stellen erforderlich machen kann, stellt ein derartiger Verwaltungsaufwand ja nicht nur eine Belastung für den Gewerbetreibenden dar, sondern auch für die Behörden selbst. Sie müssen die Anträge schließlich bearbeiten. In einem E-Government-Modell, in dem die Unternehmen viele Formulare elektronisch ausfüllen und per Internet weitergeben, können die Ämter zudem einen viel besseren Informationsstand erreichen.

Derzeit sind vor allem die Kommunen sehr kreativ in Sachen Web. Kaum eine würde von einer anderen Stadt oder Gemeinde die Websites übernehmen wollen. Der Internet-Auftritt hat sich längst als Teil des Standort-Marketings etabliert: Das gilt nicht nur für den Fremdenverkehr; auch Gewerbebetriebe wollen von den Vorzügen eines bestimmten Standorts überzeugt werden. Das Internet ist hierzu ein ideales Medium, lässt sich doch eine Vielzahl von Informationen in vielen Sprachen hinterlegen. Den Erfolg bringt aber auch hier erst die Interaktion. Schnelle Reaktion auf Anfragen - online oder traditionell - ist wichtiger als ein abgedrehtes grafisches Outfit. Die Siegerbeispiele aus Baden-Württembergs Wettbewerb "Unser Internet-Dorf soll schöner werden" (www.internetdorf.de) zeigen, was mit einfachen Mitteln möglich ist, wenn das Konzept stimmt. So baut der zweitplatzierte Ort (www.st-georgen.de) neben Selbstdarstellung und Fremdenverkehrswerbung auf seiner Site eine Holzbörse auf, um neue Kunden für seine Holzwirtschaft zu gewinnen.

Heikler ist das Thema digitale Demokratie. Technisch ist auch die Wahl des Bundestags per Mausklick und per Internet bereits möglich. Allerdings wird es noch eine geraume Zeit dauern, bis Zugangsstellen und die eindeutige Authentifizierung der Wähler überall eingerichtet sind. Während solche Systeme in den USA immerhin getestet werden und zumindest politische Debatten intensiv auch über das Internet geführt werden, sind solche Ansätze in Deutschland nur selten zu finden. Sogar der elektronische Wahlknopf in der Kabine ist manchen Bundesländern nicht geheuer. Was in Hessen bereits teilweise im Einsatz ist, lehnt man in Bayern mit dem Argument ab, derartige Systeme würden der Komplexität der Stimmauszählung nicht gerecht. Dabei könnte der Computer gerade bei der Auszählung und Umrechnung in komplexe Stimmanteilsrechnungen seine Vorteile ausspielen. Langfristig dürfte sich die Wahl per Internet aber schon allein aus Kostengründen durchsetzen.

Recht fortschrittlich und dem elektronischen Medium gegenüber aufgeschlossen zeigt man sich im Herzen der Basisdemokratie, in der Schweiz. Für alle Ebenen der Verwaltung und flächendeckend für das ganze Land finden Schweizer Bürger Homepages von Gemeinden, Behörden und Institutionen mit Information und dem entsprechenden Bürgerservice. Unter www.gov.ch kann man sich einen guten Überblick über die öffentlichen Aktivitäten im Land machen.

E-Government und Technik

Freilich stellt sich beim Einsatz von E-Government auch die Frage nach der Gleichbehandlung der Bürger. So haben alte Menschen oder Randgruppen meist keinen Internet-Zugang. Auch die Verteilung von Internet-Anschlüssen in Stadt und Land ist nicht ausgeglichen. Solange es um E-Commerce geht, mag man dies vernachlässigen können, öffentliche Einrichtungen müssen aber definitionsgemäß für alle da sein. Sobald E-Government über das Projektstadium hinauskommt, wird man die bisherigen Konzepte daher ergänzen müssen. Beispielsweise durch preiswerte, extrem einfach zu bedienende Internet-Terminals etwa am Fernseher, die überall verfügbar sind.

Im öffentlichen Bereich sind auch Kiosksysteme an gut zugänglichen Plätzen zur besseren Nutzung des neuen Mediums denkbar. Terminals, auf denen der Browser per Touchscreen bedient wird und die eine Startadresse - das öffentliche Portal - schon vorgegeben haben, bieten auch Mitbürgern, die mit dem PC keine oder wenig Erfahrung haben, Gelegenheit, ins E-Government einzusteigen - und den Behörden die Möglichkeit, auch mit diesen Bürgern effektiver zu arbeiten.

Die IT-Welt darf jedoch nicht vergessen, dass wesentliche Hemmnisse in den Internet-Technologien selbst lauern. In der aktuellen Form eignen sich HTML-Seiten - auch mit noch so viel grafischen Elementen angereichert - vor allem zum Informationstransfer in Richtung Anwender. Echte Interaktion zwischen Bürger und Amt, wie sie für Verwaltungsakte typisch ist, oder gar Verfahren, die interaktive Gruppenprozesse erfordern (zum Beispiel bei Bauanträgen), werden derzeit nur ansatzweise realisiert. Dafür wird man auch auf Groupware-Lösungen auf Internet-Basis zurückgreifen und den Bürger gleich in die behördeninternen Workflows einbinden müssen.

*Stefan Krüger ist Senior Product Marketing Manager bei Lotus Development in Ismaning.

Parlament

Als eine der ersten Anwendungen für E-Government in Deutschland wurde im Sommer 1997 der Web-Server des Abgeordnetenhauses in Berlin unter http://www.parlament-berlin.de eröffnet. Dieses erste Projekt einer parlamentarischen Internet-Präsenz in Deutschland findet seitdem große Beachtung. Auf der Website kann man die parlamentarische Arbeit des Abgeordnetenhauses jeweils aktuell verfolgen, Sitzungsprotokolle einsehen oder mit Hilfe grafischer Elemente die Abgeordneten der einzelnen Bezirke suchen. Besucher können unter anderem interaktiv Bestellungen für Sitzplätze in den Ausschüssen aufgeben und erhalten sofort eine Rückmeldung. Benutzer aus dem Intranet können sogar die Speisepläne der Kantine einsehen - Surfern aus dem Internet bleibt dies dank der integrierten Mechanismen der Zugriffskontrolle verwehrt.