Novell konzentriert sich auf neue Produkte

Kooperation statt Konfrontation mit Microsoft

13.02.1998

CW: Sie sind nun fast ein Jahr bei Novell. Was haben Sie bisher verändert, und welche Aufgaben warten noch auf Sie?

Schmidt: Genau genommen bin ich seit zehn Monaten bei Novell. Als ich hier herkam, fand ich etliche Probleme vor, die ich nicht erwartet hatte. Wir hatten zu viele Mitarbeiter, und das Management war nicht auf unsere Kernprodukte fokussiert. In den ersten drei, vier Monaten war ich damit beschäftigt, die Ursachen für diese Probleme zu erforschen. Im Juli haben wir dann den Vertriebskanal mit großem Verlust bereinigt. Zu diesem Zeitpunkt hatte auch die Hälfte der Führungskräfte freiwillig oder unfreiwillig das Unternehmen verlassen. Zudem reduzierte ich im Rahmen einer Restrukturierung die Mitarbeiterzahl.

Seit August konzentrieren wir uns darauf, neue Produkte wie Groupwise, Novell Directory Services (NDS) for NT etc. auf den Markt zu bringen. Die nächste Aufgabe wird die Markteinführung von Netware 5.0 sein, auch unter dem Codenamen "Moab" bekannt. Danach soll auf Basis von Netware ein Franchise-Modell entstehen, das sich um Themen wie Internet, Security, Directory, Web-Server und ähnliches dreht.

CW: Sie sprechen Netware 5.0 an. Ist dies nun wieder ein Applikations-Server im Novell-Portfolio?

Schmidt: Nein, wir betonen das Applikations-Server-Geschäft nicht. Netware 5.0 ist eine sehr gute Server-Plattform für spezialisierte Netzwerk-Applikationen. Wir werden aber Moab nicht als generellen Anwendungs-Server positionieren, denn Netware kann hier nicht mit NT und Unix konkurrieren. Netware zielt in eine andere Richtung, es ist mit Services für die Netzverwaltung versehen. In diesen Bereichen ist Netware sehr viel schneller als Unix oder NT. Nochmals: Der Begriff Applikations-Server im allgemeinen beschreibt nicht, was Netware ist oder sein wird. Unsere Java-Strategie soll sicherstellen, daß unsere Plattform die beste Lösung für Netzwerk-Applikationen auf Java-Basis ist.

CW: An welche Anwendungen denken Sie dabei?

Schmidt: Wie ich bereits sagte, entwickeln wir intelligente Netzwerk- Applikationen für das Abrechnen der Netzbenutzung, das Monitoring, die Sicherheit sowie den Electronic Commerce. Dies sind Aufgaben von Netzen.

CW: Glauben Sie, Java ist für solche unternehmenskritischen Applikationen die richtige Lösung?

Schmidt: Natürlich.

CW: Wenn ich aber die Java-Lizenzbestimmungen lese, dann heißt es dort, in kritischen, sicherheitsrelevanten Systemen darf Java nicht eingesetzt werden.

Schmidt: Diese Bestimmungen habe ich auch unterschrieben. Der Passus bezieht sich aber auf überlebensnotwendige Systeme. Damit sind zum Beispiel Netze gemeint, die den Flugverkehr überwachen. Die meisten Unternehmensnetze sind nicht ganz so unverzichtbar.

CW: Java und das Internet gehören eng zusammen. Hat ein klassisches Netz-Betriebssystem in Zeiten des Internet noch Sinn?

Schmidt: Auf alle Fälle. Bereits die Tatsache, daß Netz-Betriebssysteme existieren, beweist, daß sie besser sind als andere Lösungen. Die Protokolle laufen schneller, sie unterstützen Dienste, die das Internet per se nicht bietet.

CW: Wo liegen die Vorteile von Netware im Vergleich zu normaler Internet-Technologie?

Schmidt: Netware ist skalierbar und hat eine bessere Performance. Wir sind schneller, zuverlässiger und können mehr Verbindungen abwickeln.

CW: Wird Netware 5.0 mit einer nativen TCP/IP-Implementierung auch schneller sein?

Schmidt: Selbstverständlich.

CW: Unseren Informationen zufolge haben Sie aber Schwierigkeiten bei der Einbindung von Netware-Diensten wie dem Service Ad- vertising Protocol (SAP) in TCP/IP-Umgebungen?

Schmidt: Wir haben hierfür eine Lösung.

CW: Bereits in Netware 5.0 oder erst im nächsten Update?

Schmidt: Von Anfang an. Der Grund für die Schwierigkeiten ist, daß die SAP-Funktion im Internet nicht existiert. Viele unserer Anwender schätzen aber diese Funktion. Wir verwenden deshalb künftig das Service Location Protocol (SLP), einen IETF-Standardvorschlag. Damit ersetzen wir SAP.

CW: Wie sieht dann eine Implementierung in gemischten Umgebungen mit Netware 5.0 und Netware 3.x sowie 4.x aus?

Schmidt: Hierzu verfügt Netware 5.0 über einen Dual-Stack. Die Netware-Core-Protocol-(NCP-)Dienste laufen dann entweder auf IPX oder IP. Damit kann ein einziger Server beide Netze bridgen.

CW: Leidet darunter die Leistung?

Schmidt: Nein, dies wäre nur der Fall wenn wir verkapseln würden, also ein Protokoll in das andere verpacken, wie es Microsoft macht.

CW: Apropos Microsoft: Ihre neue Strategie ist, mit der Gates-Company zu kooperieren statt zu konkurrieren. Wie funktioniert in diesem Szenario das Corporate Networking mit Microsoft und Novell?

Schmidt: Die meisten unse- rer Anwender verwenden den Novell-Verzeichnisdienst NDS. Mit NDS for NT liefern wir seit dem letzten Monat auch eine Variante für Windows NT. Nach den ersten Erfahrungen ist dies ein riesiger Erfolg für uns. Microsoft profitiert ebenfalls davon, denn NDS for NT verbessert Windows NT. Indem wir die verschiedenen Probleme von NT lösen, gewinnt sowohl Microsoft als auch Novell. Und Microsoft ist ein sehr intelligentes Unternehmen, das die Zusammenhänge versteht.

CW: Wenn Microsoft ein so intelligentes Unternehmen ist, warum entwickelt es dann mit den Active Directory Services (ADS) einen eigenen Verzeichnisdienst?

Schmidt: Weil Microsoft es bevorzugt, eigene Lösungen anzubieten. Aber Sie sollten das besser Microsoft fragen. Davon abgesehen, funktioniert ADS noch nicht.

CW: Schön, stellen Sie sich vor, ADS wäre besser als NDS. Wo geht die künftige NDS-Entwicklung hin?

Schmidt: Nein, das werde ich mir nicht vorstellen. Das ist keine realistische Frage. NDS ist seit neun Jahren in der Entwicklung und seit vier Jahren auf dem Markt. Novell unterstützt künftig das Lightweigt Directory Access Protocol (LDAP) 3, ein Zugangs- protokoll für Applikationen, sowie ADS. Darüber hinaus werden wir noch im Februar ein Netzwerk-Management-Tool vorstellen, das auf NDS basiert. Der Codename des Produkts ist "Zero Administration Networks" (ZAN-Works).