Ohio rechnet billiger:

Konzernplanung bei Villeroy & Boch

27.11.1974

METTLACH/SAAR - Für die konsolidierte Konzernplanung in der Villeroy & Boch KG Unternehmensgruppe wählte die Konzernzentrale in Mettlach/Saar den Mark III Timesharing-Dienst. Über Konzetratoren und Satellitenleistungen werden Unternehmensplanungsdaten im größten Teilnehmerrechenzentrum der Welt, dem General Electric Service-Center in Cleveland, Ohio, verarbeitet, unter Nutzung der Mark III-Planungs-Software "Oliver".

Die futuristische Lösung, durchschnittliche monatliche Kosten etwa 3000, - Mark inklusive Marktforschungsberechnungen und einschließlich Terminalkosten, ist um jährlich rund 100 000 Mark billiger als das herkömmliche manuelle Tischrechnerverfahren. Denn zwei hochqualifizierte Mitarbeiter wären erforderlich gewesen, die Angaben aus sieben Werken und zehn Verkaufsniederlassungen über Produktion, Verkauf, Kosten, Erlöse und Gewinnplanung für jeweils ein Jahr im voraus zu konsolidieren und monatliche Soll-Ist-Vergleiche zu errechnen.

Gegen eine Übernahme auf die hauseigene EDV (einmal IBM 370/135, 144K, einmal Honeywell Bull 64/20, 128K) sprach, daß die Auswertungen jeweils sofort zur Verfügung stehen müssen und entsprechende Turn-around-Zeiten von den mit kommerziellen Stapelarbeiten gut ausgelasteten Rechenzentren nicht zu erwarten waren. Des weiteren liefern - so Dipl.-Vw. Roland Schäfer von der V & B Betriebswirtschaftlichen Abteilung - "weder IBM noch HB vernünftige Programme für Marktforschungs- und Konzernplanungsanwendungen, die dann ohnehin nicht auf mittleren Anlagen laufen würden". Da bei Villeroy Boch fast ausschließlich in Cobol programmiert wird, fehlte es auch am Fortran-Know-how zur Programmierung der E/A-Programme und Grafik-Darstellungen für die "Standardpakete".

So kam der Honeywell Bull-Vertreter - sie verkaufen den Mark III Service der General Electric Co. in Lizenz - zu seinem Auftrag.

Zunächst gab es bei Villeroy & Boch einiges Gerangel mit der hauseigenen EDV-Gruppe, die eifersüchtig darüber wachte, daß nicht unnötigerweise EDV-Aufgaben nach außen vergeben wurden. Bald aber schon wurde eingesehen, daß Mark III-Leistungen nicht im Hause erbracht werden konnten.

So wird heute beim bekannten saarländischen Porzellan-, Keramik- und Fliesenhersteller die Terminal-300-Datenstation (ein schreibmaschinenschweres drukkendes Terminal ohne Bildschirm, 30 Zeichen/Sekunde), durchschnittlich wenigstens eine Stunde pro Tag in Betrieb genommen, als eines von etwa 30 000 Terminals, die in aller Welt über Hunderte von Multiplexern und Konzentratoren und etwa 300 000 km Mietleitungen mit dem fernen Ohio verbunden sind. Das dort residente Programm "Oliver" wird allerdings von Mettlach aus nur für Budgetplanung, Rechnungswesen und neuerdings auch für strategische Unternehmensplanung (Simulation mit verschiedenen Annahmen) genutzt. Demnächst - so Resortleiter Manfred Wagner - soll noch die kurzfristige Erfolgsrechnung dazu kommen, dann die Marketingplanung: "Das ist als ob man Blut leckt, ganz ähnlich wie mit der hauseigenen EDV."

Diese Erfahrung wurde auch bei den Firmen BASF, Henkel und Schering gemacht, deren Stabsabteilungen - ungeachtet, daß große eigene Anlagen im Hause stehen - mit "Oliver" in Ohio ihre Konzernplanungen und Prognoserechnungen abwickeln.

Daß Fremdrechnen gerade bei "intelligenten Anwendungen" billiger sein kann, spricht sich offenbar zuerst bei den allerersten Adressen herum.