Itil: Lückenlose Dokumentation ist das A und O

Konzepte für das Service-Center

05.07.2002
Mehr und mehr werden IT-Abteilungen als interne Service-Provider aufgestellt. Für Mitarbeiter und Führungskräfte, die diesen Wandel vollziehen und gestalten müssen, bietet die IT Infrastructure Library (Itil) Orientierungshilfe. Von Reiner Hage und Rainer Feldbrügge*

Die oberste Maxime im Itil-Konzept ist, dass die Mitarbeiter in den internen Fachabteilungen als Kunden der IT-Abteilung zu behandeln sind, auch wenn sie ihren Lieferanten nicht frei wählen können. Eine dauerhafte Unzufriedenheit in der Kundschaft kann nämlich dazu führen, dass die einmal getroffene Entscheidung für die eigene IT-Abteilung als exklusiven Dienstleister wieder in Frage gestellt wird. Dies soll die Orientierung an den Itil-Abläufen verhindern.

Die zehn in der Itil definierten IT-Kernprozesse zielen darauf ab, den Kunden die bestmögliche Servicequalität zu garantieren. Ähnlich wie die Geschäftsprozesse eines Unternehmens gewährleisten sollen, dass die Kernaufgaben reibungslos ineinander greifen, sorgen die IT-Prozesse für Effektivität, Effizienz und Kundenorientierung in der DV-Abteilung. Dabei zählt das Itil-Handbuch das ServiceLevel-Management und Cost-Management zu den Verkaufs- und Fakturierungsprozessen. Hier werden die Services vereinbart und über die interne Leistungsverrechnung fakturiert.

Service-Level-Agreements

Im Rahmen des Service-Level-Managements einigt sich die IT-Abteilung mit den einzelnen Kostenstellen des Unternehmens auf Dienste, die erbracht werden sollen. Service-Level-Agreements definieren, welche Leistungen in welcher Qualität geliefert werden. Zum einen bietet dieses den IT-Mitarbeitern Orientierung. Umgekehrt wird den Fachabteilungen vor Augen geführt, dass mehr Service auch mehr Geld kostet. Letztlich läuft diese Itil-Vereinbarung darauf hinaus, dass das Serviceangebot der IT wie eine Menükarte gestaltet wird: Die Fachabteilungen wählen den Service-Level und wissen, welchen Preis sie dafür kalkulieren müssen. Damit ist der interne Dienstleister aber auch gefordert, effiziente Prozesse zu etablieren, um marktgerecht abrechnen zu können.

Mit dem Incident-Management, Change-Management und Problem-Management listet das Itil-Handbuch die eigentlichen Leistungsbeschreibungen eines IT-Service-Providers auf. Ganz bewusst fasst das Itil-Konzept etwa den User-Service sowie den Support unter dem Begriff Incident-Management zusammen: Aus der Sicht des Benutzers macht es keinen Unterschied, ob er einen Fehler meldet oder einen Service anfordert. Der damit verbundene Prozess folgt immer einem einheitlichen Muster: Der Benutzer fragt eine Dienstleistung nach, weist auf eine Störung hin oder stellt eine Frage zu einer Anwendung. Der IT-Service-Desk ist für die prompte Bearbeitung verantwortlich. Der Service-Desk muss auch die nachfolgenden Aktivitäten richtig anstoßen, alle benötigten Informationen bereitstellen, und dafür sorgen, dass der Kundenauftrag autorisiert ist. Ganz wesentlich an diesem Prozess ist, dass alles vollständig dokumentiert wird.

Die Aufgabe des Change-Managements ist es, Veränderungen der IT-Systeme zu unterstützen - nicht, sie zu verhindern. Zu diesem Prozess zählen Entscheidungen über die Umsetzung von Veränderungen am System und ihre Realisation. Der Change-Manager steuert das IT-Projektportfolio für das Unternehmen und stellt die begrenzten Ressourcen bei der Softwareentwicklung und den Testverfahren den kritischen Projekten zur Verfügung.

Lückenlose Dokumentation ist unabdingbar

Gerade das Change-Management birgt enormes Streitpotenzial im Unternehmen, denn viele Projektleiter versuchen mittels interner Beziehungen, den offiziellen Weg zu umgehen, um ihre eigenen Vorhaben realisieren zu können. Um so etwas zu verhindern, benötigt die IT die Rückendeckung der Geschäftsleitung, denn nur ein geordnetes Entscheidungsverfahren garantiert, dass IT-Entwickler ihre Aufträge zeit- und budgetgerecht erledigen können.

Störungen zu beseitigen und Vorsorge zu treffen sind Aufgaben des Problem-Managements. Ohne eine lückenlose Dokumentation ist der Problem-Manager allerdings blind. Hinweise auf häufige Fehlerquellen und Zusammenhänge in der Leistungskette der IT-Komponenten weisen den Weg zur nachhaltigen Beseitigung der Störung. Problem-Management hat also mehr von vorausschauender Planung und Dokumentation als von hektischen Blaulichteinsätzen.

Das Rückgrat funktionierender Leistungsprozesse gegenüber dem Kunden ist ein reibungsloser Ablauf im Hintergrund. Dafür sorgen Configuration-Management, Capacity-Planning, Release-Management, Availability-Assurance und Contingency-Planning. Sie haben eine Komponente gemeinsam: die lückenlose Dokumentation des gesamten IT-Systems. Traditionell pflegen die Expertengruppen in der IT lediglich die Dokumentation der ihnen anvertrauten Komponenten - die Betrachtung kompletter Leistungsprozesse verlangt aber nach Querschnitt-Informationen aus allen Gruppen.

Fehlfunktionen verhindern

Eine ganzheitliche IT-Dokumentation verbindet alle Komponenten des Systems in einem Modell. Der Zustand jeder Komponente ist zu jedem Zeitpunkt aktuell abrufbar. Damit weiß der Release-Manager zum Beispiel sofort, welche Datenbanken auf einem Server liegen und zu welcher Zeit und wie lange er den Server zu Wartungszwecken abschalten kann. Aber nicht nur der aktuelle Zustand des Systems ist gefragt: Die Ursache einer Störung kann der Problem-Manager nur mit Hilfe historischer Daten rekonstruieren. Damit vermag er Maßnahmen einzuleiten, um künftig eine erneute Fehlfunktion auszuschließen. Die klare Strukturierung der Serviceprozesse sorgt für höhere Effektivität. Die integrierte Dokumentation steigert die Effizienz, weil sie kostenträchtige Fehler und Doppelarbeiten vermeiden hilft. Jeder Euro, der in die Zuverlässigkeit des Release-Managements und die Dokumentation investiert wird, schlägt sich in einer höheren Verfügbarkeit nieder und verspricht mehr Nutzen als aufwändige Fallback-Lösungen. (jha)

*Reiner Hage ist Berater für System-Management bei der Mentopolis Consulting & Software Concepts GmbH, Miltenberg.

Dr. Rainer Feldbrügge ist selbständiger Berater für ServiceManagement in Vlotho.

Hintergründe zu Itil

Die IT Infrastructure Library (Itil) wurde erstmals Ende der 80er Jahre formuliert. Sie hat ihren Ursprung in der öffentlichen Verwaltung Großbritanniens, deren Leistungsfähigkeit damals angezweifelt wurde. Die britische Regierung forderte die Behörden daher auf, ihre Services zu dokumentieren. Für den Bereich der IT-Dienstleistungen geschah dies durch die Central Computer and Communications Agency (CCTA).

Die starke Beachtung, die dieser Leitfaden genießt, erschließt sich aus mehreren Faktoren. Zum einen ist Itil ein offener De-facto-Standard. An der Weiterentwicklung sind Behörden, Anbieter, Anwender, Berater und Ausbilder im Rahmen des IT Service Management Forum (ITSMF) beteiligt. Änderungen erfolgen sehr praxisnah.

Wie die Bezeichnung "Leitfaden" andeutet, handelt es sich bei Itil nicht um eine Anweisung darüber, wie eine IT-Service-Organisation aufzubauen und zu betreiben ist. Die Beschreibungen liefern hauptsächlich Hinweise darauf, was getan werden muss. Zudem verschaffen sie einen Überblick über die Abläufe und Zusammenhänge in IT-Service-Organisationen. Nähere Informationen, unter anderem zur Zertifizierung in Deutschland, gibt es unter www.itsmf.de.

Abb: Arbeitsablauf und Dokumentation von IT-Service-Prozessen

Zu Beginn eines Serviceauftrags werden der zentralen Dokumentation Informationen entnommen. Zum Ende des Prozesses müssen alle Änderungen dokumentiert sein. Quelle: Feldbrügge