Ein zentraler Server von Memorex Telex soll den Wildwuchs verhindern

Konzentrator und Datenpuffer in einem Token-Ring-Netzwerk

22.10.1993

Begriffe wie Downsizing erfassen nur unzureichend die Komplexitaet, mit der sich viele Unternehmen bei der Dezentralisierung ihrer DV- Architektur konfrontiert sehen. Deshalb greifen auch die DV-Planer von Koemmerling, einem der groessten europaeischen Hersteller von Kunststoff-Fensterprofilen und Industrieklebstoffen, nur ungern auf derartige Schlagworte zurueck, wenn sie die kontinuierliche Verlagerung ihrer Host-zentrierten DV-Ressourcen auf Front-end- orientierte Rechnersysteme beschreiben.

"Wir haben ein ausgepraegt heterogenes Umfeld", skizziert Gunter Klumpp, Org./DV-Leiter in der Pirmasenser Koemmerling-Zentrale, die Ausgangssituation. An der Spitze der DV-Pyramide setzt Koemmerling einen IBM-3090-Mainframe ein. Der Grossrechner wird hauptsaechlich fuer die R/2-Software von SAP genutzt. Zudem befindet sich das CAD/CAM-Programm "Cadam" auf dem Host.

Doch seit Mitte der 80er Jahre wendet sich der Blick der fuer die DV-Planung zustaendigen Koemmerling-Mitarbeiter immer mehr von den Host-Landschaften ab, hin zu den wachsenden Moeglichkeiten eines endbenutzernahen, multifunktionalen Computings. 1987 installierte man die ersten 15 PCs, fuenf Jahre spaeter sind daraus nahezu 250 Desktop-Rechner geworden, mit stark ansteigender Tendenz. Die PCs loesen hauptsaechlich die 3270-Terminals ab. "Den letzten Anstoss fuer den breiten PC-Einsatz gab eine simple Rechnung", schildert RZ- Leiter Toni Schmitt das DV-Planungsszenario Ende der 80er Jahre: "Irgendwann wurden PCs einfach billiger als dumme Terminals, und von da an war fuer uns klar, dass wir bei Neuinstallationen nur noch auf PCs setzen."

Mit den PCs kam auch Workgroup-Computing

Der PC-Einsatz erstreckt sich bei Koemmerling auf drei Bereiche: Zum ersten agieren sie ueber eine 3270-Emulation. Als Single-PC mit lokaler Platte decken sie zudem individuelle Anforderungen ab, etwa im Bereich Buerokommunikation oder fuer aufgabenspezifische Auswertungen, Die PC-basiert wesentlich flexibler und effizienter ausgefuehrt werden als zuvor mit Host-Programmen. Mit einer Backbone-Token-Ring-Verbindung sorgen die DV-Spezialisten drittens dafuer, dass mit Workgroup-Computing unter Novell Netware eine weitere Staerke der PCs genutzt werden kann. De facto, fungiert die Token-Ring-Verbindung bei Koemmerling mittlerweile sogar unternehmensweit als zentrale Netztopologie, durch die zahlreiche Rechnerebenen verbunden sind.

Gleichsam als Konzentrator und Datenpuffer innerhalb des Token- Ring-Netzes ist ein "Super Server 8640" von Memorex Telex installiert. So stellt er beispielsweise ueber den angeschlossenen MX-300-Leitrechner von SNI die Verbindung zur Prozessebene in den einzelnen Betriebsbereichen her. Ueber den Industrie-Bus Sinic H1 laesst sich so ein kontinuierlicher Austausch der Auftrags- und Prozessdaten mit dem Host realisieren. Der Memorex-Server gibt Fertigungsinformationen, etwa von einer S5-Simatic-Steuerung auf der untersten Prozessebene, ueber den Leitrechner an den Host weiter, der diese Daten dann im SAP-Materialwirtschafts-Modul RM auswertet. Umgekehrt werden Stuecklisten durch einen Download von den SAP-Anwendungen auf den lokalen Platten des Superservers abgelegt. Die hauseigene Mischerei nutzt diese Rezepturen dann fuer die Prozessauftraege, indem sie mit auftragsbezogenen Daten verknuepft und in Form von linienrelevanten Daten an die einzelnen Maschinenprozesse weitergegeben werden.

Durch die Anbindung der PC-Systeme an den Superserver, der mehrere hundert PCs bedienen kann, wollen die DV-Planer gewaehrleisten, dass die DV-Landschaft trotz Dezentralisierung ueberschaubar bleibt. "Wir wollen die Datenverarbeitung im technischen Bereich auch weiterhin zentral lenken", beschreibt Netzexperte Oliver Kohler das Kernmotiv fuer den Einsatz des Superservers. "Allein schon aufgrund der vereinfachten Wartung stand fuer uns fest, nicht mehrere Abteilungs-Server, sondern einen zentralen Server einzusetzen."

Auch in bezug auf die typischen Bueroanwendungen setzen die DV- Manager ihre Planungsstrategie konsequent um: So werden die netzfaehigen Programme, die mehreren Anwendern dienen, nicht auf den lokalen Platten vorgehalten, sondern in einer zentralen Programmbibliothek auf dem Server. Auch die 3270-Host-Emulation wird von hier aus auf die PCs geladen. "Dadurch wird die Release- Pflege sehr einfach", aeussert DV-Leiter Klumpp. Ausserdem spare man damit erhebliche Lizenzkosten. "Fuer den Server muessen wir nur noch so viele Lizenzen einkaufen, wie zu einem bestimmten Zeitpunkt maximal simultan eingesetzt werden."

Auch die funktionalen Moeglichkeiten des Token-Ring-Netzes erschliesst Koemmerling auf Basis der Super-Server-Architektur. Die Grundlage des informellen Brueckenschlags zwischen den PC-Anwenern bildet "CC:Mail" von Lotus. "Das papierlose Buero wird es zwar wohl nie geben, aber wir versuchen, zumindest die interne Papierflut einzudaemmen", zeigt RZ-Leiter Schmitt das Hauptziel seiner Bemuehungen auf. Je mehr kommerzielle Daten plattformuebergreifend benoetigt werden, um so bedeutsamer wird der Memorex-Server als Datenpuffer. Beispielsweise erhaelt das PC-gestuetzte Tourenplanungssystem des Koemmerling-Fuhrparks Auftragsdaten, die vom Host auf den Server heruntergeladen werden. Sobald die Tourenplanung abgeschlossen ist, erfolgt in umgekehrte Richtung eine Statusrueckmeldung an die SAP-Anwendung. Ebenfalls aus heruntergeladenen Auftragsdaten werden PC-gestuetzt Fertigungsauftraege durch die Arbeitsvorbereitung erstellt. Neben der unternehmensinternen Informationsintegration wollen die Anwendungsspezialisten den Memorex-Telex-Rechner auch fuer die Kommunikation mit externen Stellen einsetzen. So wurde bereits eine CAD-Datenbasis fuer Profilzeichnungen eingerichtet, die mit dem Host-basierten Cadam-Programm erstellt, ueber eine DXF- Schnittstelle auf den Server heruntergeladen und auf dem PC mit "Autocad" und "Acadgraph" weiterbearbeitet werden.

Bessere Informationen fuer den Aussendienst

Hoehere Umsaetze mit Grossprojekten hat Koemmerling im Auge, wenn der mobile Objektservice zukuenftig mit den Autocad-Daten ueber ISDN versorgt wird. Diese Loesung soll die Taetigkeit des Objektservices, der in den Vertriebsregionen angesiedelt ist, in bezug auf Ausschreibungen und die Zusammenarbeit mit Architekten weiter professionalisieren. Auch fuer die Versorgung der Vertriebsbueros mit Kundeninformationen wollen die Planer den Server als DV- Kommunikationszentrale einsetzen: Vom SAP-Vertriebssystem auf dem Host werden Feldextrakte der Kundeninformation auf den Rechner geladen und dort in einem eigenentwickelten Vertriebsinformations- System (VIS) mit aussendienstrelevanten Informationen angereichert.

Ueber Datex-P koennen die Vertriebsbueros dann die fuer ihren Bereich wichtigen Informationen abfragen, verwalten und zur Kundenpflege einsetzen.

Die Fuelle an Anwendungen und Informationen, die vom Server verwaltet werden, summiert sich mittlerweile auf ein Datenvolumen von 5 GB. Die Grenzen der Maschine, deren interner Plattenspeicher 49 GB Daten aufnehmen kann, die mit einer Geschwindigkeit von 132 MB pro Sekunde verteilt werden, sind damit noch nicht erreicht.

Diese Ueberkapazitaet war jedoch von den DV-Planern gewollt. "Wir koennen angesichts der stark wachsenden Anforderungen im Front-end- Bereich nicht laufend Hardware austauschen", erklaert Klumpp. "Deshalb brauchen wir eine Konzeption, die das Wachstum ertraeglich gestaltet, indem sich die vorhandene Rechenkapazitaet schnell, flexibel und kostenguenstig ausbauen laesst."